Gengenbach – Fußbach

Heute habe ich mir die Zeit genommen für einen weiteren Abschnitt auf meiner „Pilgertour“ ans Mittelmeer. Ausgangspunkt war das schöne Örtchen Gengenbach, das ich zuletzt mit dem Fahrrad angesteuert hatte, und Zielpunkt – so war der Plan – sollte das 11 Kilometer entfernte Biberach sein. Davor erst noch einen Eiscafé genossen und den zahlreichen Touristen zugeschaut, während ein Einheimischer am Nachbartisch uns an seinen Heldentaten im Schriftverkehr mit irgendeiner Behörde teilhaben lässt. Ein Griff zu meinen Kopfhörern löst dieses Problem auf elegante Art. Ich lade den Track für die geplante Wanderung, den ich mit Komoot erstellt habe, und spaziere durch das Stadttor an der Kinzig hinaus. Nach einem Kilometer verlasse ich die Stadt, muss noch ein paar Meter in der Hitze an der Bundesstraße laufen, und gelange dann an den Waldrand, den die letzten Ausläufer des südlichen Schwarzwaldes hier bilden.

Überquerung der Kinzig in Gengenbach

Immer mit Blick auf das satt grüne Tal der Kinzig komme ich am speziell für Kinder gestalteten Kleine Räuber-Hotzenplotz-Pfad vorbei und spiele kurz mit dem Gedanken, mich den Destillaten zu widmen, die in Strohbach von der bekannten Brennerei Wild am Wegesrand angepriesen werden. Allerdings scheint es mir für eine Schnapsprobe dann doch noch etwas früh am Tag, und ich setze meinen Weg fort. Die ersten 3 Kilometer besteht der Untergrund noch aus Asphalt, was ich weniger schön finde. Dann aber geht es weiter auf einem Feldweg, ohne spürbare Höhenunterschiede immer am Waldrand entlang.

An mehreren Stellen hat man Infotafeln aufgestellt, die auf seltene und besondere Tierarten verweisen, die hier mit besonderen Maßnahmen geschützt werden. Besonders beeindruckt bin ich vom „Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling“ einer Schmetterlingsart mit einem erstaunlichem Lebenszyklus. Benannt ist das Insekt nach der Futterpflanze seiner Raupen, dem Dunklen Wiesenknopf, und der räuberischen Lebensweise dieser Raupen im Bau von Wirtsameisen, die ausgetrickst und als zweite Futterquelle genutzt werden. Die ganze faszinierender Geschichte kann man auf der Wikipedia nachlesen – auf jeden Fall schärft sie den Blick auf die hochspezialisierten, bräunlichen Falter, die man hier in manchen feuchten Gräben am Wegesrand findet.

Weitere Hinweistafeln widmen sich der Gelbbauchunke sowie der Helm-Azurjungfer, einer Libellenart, die zwar in den wenige Kilometer entfernten Rheinauen Stammgast ist, hier im Kinzigtal aber eine Seltenheit. Für all diese Tiere hat die Naturschutzbehörde besondere Maßnahmen ergriffen, um die Lebensräume zu schützen bzw, widerherzustellen. So erweist sich die kleine Wanderung als überaus lehrreich.

Eigentlich wollte ich ja bis Biberach laufen, jedoch war der Gasthof Rebstock in Fußbach, wo ich einkehren wollte, an diesem Mittwoch geschlossen. Als kleines Ausweichmanöver habe ich mir zwar dann noch ein Himbeertörtchen in der Cafeteria des benachbarten Pflegeheims gegönnt, dort aber beschlossen, dass ich die Tour für heute beenden werde. Von der benachbarten Bushaltestelle bin ich dann in einem Rutsch zurück nach Offenburg gekommen und habe mir vorgenommen, dann eben die 5. Etappe von Fußbach über Biberach nach Steinach zu legen. Davor geht´s aber erst noch auf die Insel – mehr dazu in ein paar Tagen an dieser Stelle.

Gen Süden nach Gengenbach

Kürzlich beim Freiheitsfest in Offenburg hatte ich wieder so ´ne typische Michel-Idee. Ein bisschen spinnert wohl, aber irgendwie auch interessant. Zur Feier meiner Unabhängigkeit von kommerziellen Zwängen, die ich zur Jahreshälfte erreicht glaubte, habe ich mir vorgenommen, von Offenburg bis ans Mittelmeer zu „pilgern“. Religiös bin ich zwar nicht, aber in mich gehen, um mich schauen und neue Wege beschreiten, das ist schon so mein Ding. Die Regel ist einfach: Ich muss das aus eigener Kraft tun, also per Fuß oder mit dem Fahrrad. Nicht an einem Stück, sondern durchaus mit häufigen Unterbrechungen, wobei ich dann die Reise ab dem jeweils erreichten Punkt wieder aufnehme. Ein zeitliches Limit habe ich nicht, und Umwege sind erlaubt; ich darf und werde also zwischendurch auch noch an anderen  Orten meinen Schabernack treiben und von dort berichten. Doch diese Tour gen Süden hat hohe Priorität.

Bei einem Blick auf Google Maps habe ich festgestellt: Sooo weit ist es ja gar nicht bis zum Mittelmeer. Mein bevorzugtes Ziel Nizza wäre auf dem kürzesten Wege zu Fuß gerade 734 Kilometer entfernt, mit dem Fahrrad knapp 800. Diese Route würde über das Rheintal nach Basel via Bern führen – na ja. 100 Kilometer länger, dafür aber viel interessanter scheint mir eine Route, die zunächst stromaufwärts durch das Kinzigtal führt, dann über den Schwarzwald, hinunter zum Bodensee und auf dessen Schweizer Seite des Bodensees entlang bis knapp über die Grenze nach Österreich. Von dort ginge es dann weiter durch das Fürstentum Liechtenstein und wieder durch die Schweiz bis Lugano, sowie schließlich entweder über Turin oder Mailand nach Nizza ans Meer. Ja – so machen wir das!

Sieht gut aus: Von Offenburg über den Schwarzwald zum Bodensee und via Liechtenstein, Lugano und Turin nach Nizza.

Tatsächlich bin ich auch schon ´mal losgelaufen, und zwar von der Klinik, aus der ich am 3. August nach hartem Kampf um Mitternacht entlassen  wurde schnurstracks und zu Fuß nach Hause. Die 2. Etappe war einige Tage darauf ein Rundgang mit geschärften Sinnen durch meine Wahlheimat Offenburg, wo binnen 2000 Schritten etwa ein Dutzend Sehenswürdigkeiten liegen. Nähere Erläuterungen überlassen ich der Tourist-Info. Für die 3. Etappe bin ich aufs Fahrrad gewechselt und entlang der Kinzig die 11,5 Kilometer von Offenburg nach Gengenbach gestrampelt. Wahrlich keine Heldentat, dafür aber ein Städtchen als Ziel, das wohl das schönste im ganzen Kinzigtal ist.

Gegenbach mit seinen Fachwerkhäusern und Türmen ist wohl die schönste Stadt im Kinzigtal

In der ehemaligen Freien Reichsstadt stehen Fachwerkhäuser dicht an dicht. Während des Pfälzischen Erbfolgekrieges wurde Gengenbach 1689 zwar von französischen Truppen genauso abgefackelt wie so ziemlich jede andere Stadt entlang des Oberrheingrabens auch. Anschließend wurde es aber prompt wiederaufgebaut und hat sich seine Bausubstanz praktisch unversehrt erhalten. So beeindruckt die Stadt schon von weiten mit ihren drei prächtigen Türmen, und nach durchschreiten der zwei verbliebenen Stadttore mit seinen hübschen Gassen in denen mehr als 200 gepflegte Fachwerkhäuser stehen. Mittendrin steht das klassizistische Rathaus, das sich während der Weihnachtszeit in den „größten Adventskalender der Welt“ verwandelt. Auch sonst wird hier das Jahr hindurch viel gefeiert. Absoluter Höhepunkt ist dabei für mich und meine Fasnet-Freunde das Erwecken des Schalkes, wobei Tausende seiner Anhänger in weißen „Hemdenglunckern“ solange jede Menge Radau machen, bis der Schalck im Niggelturm erwacht, mit seinen Getreuen zum Rathaus zieht und dort bis zum Aschermittwoch das Zepter übernimmt.

Noch zu erwähnen wären drei Museen – eines ist der Fastnacht gewidmet und befindet sich im schönsten der drei Türme, dem Niggelturm. Das ehemalige Palais Löwenberg bietet wechselnde Ausstellungen (häufig ´was mit Fotografie) und im Kinzigtorturm kann man auf 6 Etagen lernen, wie die Gengenbacher sich über die Jahrhunderte gegen ihre Feinde verteidigt haben. Ein letzter Tipp, bevor ich von hier aus meine Pilgerreise fortsetze: Das Flösserei- und Verkehrsmuseum unmittelbar vor den Mauern der Stadt vermittelt trotz seiner geringen Größe einen starken Eindruck von der Zeit, als man im tiefsten Schwarzwald die gefällten Bäume noch durch kleine Bäche mit viel Raffinesse ins Tal brachte und – zusammengebunden zu gewaltigen Flössen – bis ins ferne Amsterdam transportierte. Hut ab vor diesen Menschen, deren Spuren man nach einem Besuch dieses Museums mit nunmehr geschärften Sinnen bis auf die Höhen über dem Kinzigtal überall erkennen wird.

Hoch über Baden-Baden: Der Battert

Gut ausgeschildert, und trotzdem falsch abgebogen: Der Rundwanderweg zum Battert und dem Alten Schloss über Baden-Baden

Na, das war ja gestern ein guter Start in die Woche. Früh ´raus hatte ich mein Arbeitspensum schon um die Mittagszeit erfüllt. Das Wetter war gut, und da gab es diese Wanderung bei Baden-Baden, die ich mir schon länger vorgenommen hatte. Also ab in den Zug, weiter mit dem Bus und nach 45 Minuten war ich bereits am Startpunkt, dem Wanderparkplatz Wolfsschlucht. Die Tour, die ich im Wanderführer Schwarzwald Mitte/Nord des Michael Müller Verlags gefunden hatte, schien mit gerade einmal sieben Kilometern Länge und 300 Höhenmetern gerade recht, um mein angeschlagenes Knie einem Test zu unterziehen. Mit dabei hatte ich zur Sicherheit und zur Erleichterung meine faltbaren und superleichten Wanderstöcke von Alpin Loacker, die mir gute Dienste geleistet haben. Trotz der präzisen Beschreibung samt liebevoll gestalteter Karte habe ich es dann trotzdem geschafft, falsch abzubiegen, und dadurch der Runde zwei Kilometer hinzuzufügen.

Blick vom Battert-Felsen. Zwischen den Steilsäulen kann man prächtig umherkraxeln.

Belohnt wurde ich mit einer spektakulären Felsenlandschaft, an der so mancher Kraxler sich abgearbeitet hat, mit tollen Weitblicken und dem geschichtsträchtigen Alten Schloss, das hier schon seit dem 12. Jahrhundert auf Baden-Baden herabblickt. Schloss Hohenbaden wird es auch genannt und hatte zu Glanzzeiten laut Wanderführer rund 100 Räume. Die Besichtigung ist kostenlos und auch der Turm mit seiner fantastischen Aussicht darf bestiegen werden. Dazu gibt es auch noch ein Schloss-Restaurant, über dessen Qualität ich allerdings nichts sagen kann, weil es nur von Mittwoch bis Sonntag geöffnet ist.

Das Alte Schloss. Hier herrschte schon ab dem 12. Jahrhundert der Markgraf von Baden, bevor man dann die Residenz Ende des 15. Jahrhunderts hinunter in die Stadt verlegte.

Bei all den schönen Aussichtspunkten habe ich dann vergessen, auf die Uhr zu schauen, und musste mich sputen, um noch vor Einbruch der Dunkelheit wieder aus dem Wald zu kommen. Erschöpft, aber hochzufrieden mit dem Ausgang des Knie-Tests bin ich dann wieder mit der Bahn nach Hause gefahren und habe mir vorgenommen, bald schon weitere Touren aus meinem Wanderführer in Angriff zu nehmen.

 

Exkurs über die Weinbergschnecke

Die wohl bekannteste einheimische Schneckenart kann ca. 8 Zentimeter lang werden. An Helix pomatia – so der lateinische Name – sieht man mit bloßem Auge die beiden Fühlerpaare, ein kurzes und ein langes. Am äußersten Ende der großen Fühler stehen zwei winzige schwarze Grubenaugen, die bei Gefahr sofort eingezogen werden.

Die Ernährung besteht überwiegend aus Blättern, an denen die Schnecke herumraspelt.

Die Weinbergschnecke gehört zu den im mittleren Europa am meisten verbreiteten Arten, und jedermann kennt sie an dem großen, kugeligen, gelblichen oder bräunlichem Gehäuse. Im Frühjahr frisst sie besonders gerne die Knospen der Weinreben. Im Herbst gräbt sie sich ein und verschließt die Öffnung mit einem porösen Deckel aus Kalk.

Diese Zeit der inneren Beschaulichkeit dauert wenigstens sechs Monate. Im April und Mai erwacht sie wieder, etwa einen Monat danach ist Paarungszeit. Als Zwitter tragen die Tiere sowohl männliche als auch weibliche Organe. Auf der rechten Halsseite bildet sich ein dickwandiges, sackförmiges Organ – der Pfeilsack.

Im inneren des Pfeilsacks bildet sich eine Art Dolch aus Kalk, und die Pärchen schießen damit von Zeit zu Zeit aufeinander. Nach diesem „Vorspiel“ vollführen die Schnecken einen Rundtanz mit immer enger werdenden Kreisen. Bei Kontakt legen sie die Fußsohlen platt aufeinander und stemmen sich in die Höhe. Nun dringen die Dolche aus dem Pfeilsack in die Geschlechtsöffnung des Partners.

Drei Weinbergschnecken beim Liebesspiel
Drei Weinbergschnecken beim Liebesspiel (Von Iota in der Wikipedia auf Deutsch, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8551177)

 

Nach erfolgreicher Befruchtung geht es zur Eiablage. Ca. ein bis zwei Tage dauert es, bis die 60 – 80 Eier abgelegt sind. Die jungen Schnecken schlüpfen nach etwa 26 Tagen.

Die Weinbergschnecke ist seit alten Zeiten im mittleren Deutschland – besonders zu Fasching- und Fastenzeit – eine beliebte Speise gewesen. In der Schweiz und den Donaugegenden züchtete und mästete man die Tiere in eigenen Gärten. Doch ist die gute Zeit vorüber, wo in der Gegend von Ulm die Weinbergschnecke durch eigene Schneckenbauern in diesen Gärten gehegt wurde. Jährlich über vier Millionen Schnecken in Fässern zu je 10000 Stück wurden damals im Winter auf der Donau hinunter bis jenseits Wien exportiert.

mehr über die WEINBERGSCHNECKE (Quellenangaben mit Links)

Abschluss der Welterbe-Tour

Hintergrund: Im Mai 2023 habe ich mir ein Deutschlandticket gekauft, und war damit unterwegs, um auf meiner großen Tour sämtliche einheimischen Welterbe-Stätten zu besuchen.

Inzwischen ist mehr als ein Jahr vergangen, und ich habe mein Ziel zu 98 % erreicht. Die einzige deutsche Welterbe-Stätte, die noch fehlt, ist die Weissenhofsiedlung in Stuttgart, die als Teil der „Architektur der Moderne“ seit 2016 zum UNESCO-Welterbe gehört.

Da ich aber zusätzlich noch in Schwerin war, und das dortige Residenzensemble just (am 27. Juli 2024) als UNESCO-Welterbe ausgezeichnet wurde, habe ich 52 von 53 besucht. Damit bin ich sehr zufrieden, und Stuttgart werde ich bestimmt bald nachholen.

Mein neustes Projekt ist eine spezielle Art der Pilgerreise, und in diesem Rahmen folgt gleich der nächste Beitrag mit Wissenswertem über die Weinbergschnecke.

Welterbe 02 – Kloster Maulbronn

Hintergrund: Im Mai habe ich mir ein Deutschlandticket gekauft, und bin nun unterwegs, um in diesem Sommer auf meiner großen Tour sämtliche einheimischen Welterbe-Stätten zu besuchen.

Die Distanz zwischen den beiden Welterbe-Stätten Baden-Baden und Kloster Maulbronn beträgt mit dem Auto etwa 72 Kilometer. Mit dem Deutschlandticket kommt man über Karlsruhe und Pforzheim ans Ziel und sollte dafür ca. 2 Stunden einplanen. Dabei ist mir aufgefallen, dass es keine (einfache) Möglichkeit gibt, die Entfernungen zu ermitteln, die man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt. Sie stehen weder direkt bei der Routenplanung mit Google Maps, noch sind sie der Reiseauskunft der Deutschen Bahn zu entnehmen.

Wer es trotzdem wissen will, muss seine Befindlichkeiten wegen Datenschutz und Privatsphäre über Bord werfen, sich bei Google ein Konto anschaffen und auf dem Handy die Standortermittlung dauerhaft aktivieren. Ab diesem Zeitpunkt kann man über die Google Maps Zeitachse nachschauen, wo man war, wie lange unterwegs, mit welchem Verkehrsmittel – und eben auch die Distanz zwischen diesen Punkten. Zwar haben auch diese Routen gelegentlich Lücken und Ausreißer, aber das ist meines Wissens das Beste, was man kriegen kann. Sogar eine monatliche Zusammenfassung der besuchten Städte und Länder bekommt man auf Wunsch per Mail geschickt, was für Datenfreaks und Statistikfans wie mich eine feine Sache ist. Aber eigentlich wollte ich Euch ja vom UNESCO Welterbe Kloster Maulbronn erzählen:

Gegründet im Jahr 1147 vom Orden der Zisterzienser-Mönche ist Maulbronn heute „die am vollständigsten erhaltene Klosteranlage des Mittelalters nördlich der Alpen“.  In zeitlicher Reihenfolge gibt es hier Elemente der oberrheinischen Spätromanik, der frühgotischen Baukunst und der Spätgotik zu bewundern. Klingt vielleicht ein bisschen arg nach Volkshochschule, aber tatsächlich meint man in dieser ziemlich großen Anlage den Hauch der Geschichte spüren. Die Glanzstücke sind der womöglich aufwendigste noch erhaltene Speisesaal des 13. Jahrhunderts, das Brunnenhaus mit schönen Steinmetzarbeiten und die vielen erhaltenen (bzw. rekonstruierten) Deckengemälde.

Lange nach der Reformation wurde Maulbronn in eine evangelische Klosterschule umgewandelt, die noch heute besteht. Der sicherlich berühmteste Schüler war Hermann Hesse, der 1891 aufgenommen wurde, jedoch schon ein Jahr später die Flucht ergriff. Der Junge hatte offensichtlich psychische Probleme, wie man hier sehr schön nachlesen kann. Später verarbeitete er seine Eindrücke mit der Erzählung „Unterm Rad„, schrieb mit „Siddhartha„, dem „Steppenwolf„, „Glasperlenspiel“ sowie „Narziß und Goldmund“ einige der bekanntesten deutschsprachigen Bücher, und bekam 1946 den Literatur-Nobelpreis. All dies und viele weitere Fakten, Mythen, Spekulationen und Anekdoten rund ums Kloster erfährt man für 12 € bei einer Führung – ein Zuschlag, der gegenüber den 9 € für den einfachen Eintritt gut angelegt ist.

Welterbe 01 – Baden-Baden

Hintergrund: Sechs Wochen bin ich jetzt schon unterwegs auf meiner großen Deutschland-Tour mit der Mission, sämtliche Welterbe-Stätten in Deutschland zu besuchen. Die Regel ist einfach: Ich reise so oft es geht mit dem Deutschlandticket und/oder dem Fahrrad und suche die kürzeste Verbindung zwischen den 51 Orten, die sich mit dem Titel „Welterbe“ schmücken dürfen (aktuelle Liste hier). Dieser „Ehrentitel“ wird von der UNESCO vergeben, einer Abteilung der Vereinten Nationen, die unter anderem für Wissenschaft und Kultur zuständig ist. Er ist an strenge Voraussetzungen geknüpft, sodass eine Art Bestenliste dessen entstanden ist, was die Menschheit bisher an Kultur hervorgebracht hat (plus mehreren einzigartigen Naturlandschaften). Viele berühmte und überlaufene Touristenattraktionen sucht man auf der Liste vergebens, dafür gibt es aber reihenweise unterschätzte Besonderheiten zu entdecken. Nun aber los – ich muss mich ´ranhalten, wenn ich die Liste in diesem Sommer schaffen will.

Start und Ziel meiner Tour ist meine Wahlheimat Offenburg, wo nicht nur Intercitys halten, sondern auch Regionalbahnen in alle Richtungen fahren. Die nächstgelegene Welterbe-Stätte ist keine 20 Kilometer entfernt: Straßburg mit seiner Alt- und Neustadt. Sehr schön, kenne ich schon, und liegt außerdem in Frankreich. So lasse ich die Nachbarn heute buchstäblich links liegen, obwohl ich mit dem Deutschlandticket auch dorthin fahren dürfte. Stattdessen geht es mit der Regionalbahn 2 in 30 Minuten zum Bahnhof, und mit einem Expressbus in weiteren 10 Minuten ins Zentrum des 38 Kilometer entfernten Baden-Baden. Die Stadt ist Teil des Welterbes „Bedeutende Kurstädte Europas“, zu denen in Deutschland noch Bad Ems und Bad Kissingen zählen, sowie 8 weitere Städte in 6 Ländern. 

Die Blütezeit dieser Städte lag zwischen 1700 und 1930. Hier – und in Baden-Baden ganz besonders – traf sich in den Sommermonaten die damalige Schickeria zum sehen und gesehen werden. Zu den Kuren, Bädern und Quellen, die schon die alten Römer nutzten, kamen Trinkhallen Promenaden und Gärten hinzu, auch ein Spielkasino und ein Theater, Villen, Hotels und Kliniken. Noch immer ist ein Spaziergang entlang der Lichtentaler Allee mit den gepflegten Anlagen und alten Bäumen Balsam für die Seele. Und wer mag kann im Museum Frieder Burda nebenan auch geistige Erbauung finden.

Eine ebenso schöne wie einfühlsame Gebrauchsanweisung für Baden-Baden gibt der Reiseautor Wolfgang Abel in Kapitel 19 seines Büchleins „Ortenau – Streifzüge zwischen Ried, Rebland und Schwarzwald„. Er rät, das Ganze mit einem Tee in Brenners Park Hotel zu starten, dem ersten Haus am Platz. Viel mehr werden die meisten sich dort auch nicht leisten können, aber die Atmosphäre ist halt doch kaum zu toppen. Andererseits: Die Törtchen im Café König sind auch nicht schlecht!

Wer gerne wandert hat ganz in der Nähe zwei Optionen, die beide mit dem Bus der Linie 214 gut erreichbar sind, und die jeweils an der Haltestelle „Wolfsschlucht“ beginnen. Route 1 führt an den Kletterfelsen des Battert vorbei zum Alten Schloss, der ehemaligen Burg Hohenbaden. Sie ist 7 Kilometer lang und dauert gut 2 Stunden. Route 2 beginnt auf der anderen Straßenseite und führt auf den Hausberg, den Merkur. Auch dieser Rundweg ist mit 2 Stunden und 6 Kilometern eher kurz, und wem selbst das noch zu viel ist, der kann zum Aufstieg auch die Merkurbahn am Stadtrand benutzen. Beide Tipps habe ich übrigens aus dem sehr empfehlenswerten Wanderführer Schwarzwald Mitte/Nord des Michael Müller Verlags.

Der perfekte Ausklang, ohne den ein Besuch in Baden-Baden nicht komplett wäre, ist das Friedrichsbad. Hier wird das Baden auf 16 Stationen im römisch-irischen Stil zwischen Marmor, Fayence-Kacheln und Jugendstil regelrecht zelebriert. Mitbringen braucht man: Nichts. Denn erstens ist das Bad textilfrei, und zweitens sind Badeschuhe, Tücher und der ganze Rest im Preis von 35 Euro enthalten. Mann und Frau genießen das strömende Wasser samt Ruhezonen und optionalen Massagen gemeinsam, geöffnet ist von 9:00 bis 22:00. Wellness und Genuss im Weltkulturerbe – das ist wirklich einen Besuch wert!

Bahn frei zur Großen Deutschland-Tour

So Freunde. Es ist soweit. Nach diversen Ärgernissen habe ich rechtzeitig zu Beginn des Monats mein Deutschlandticket erhalten. Die ersten 10 Fahrten mit Bus und Bahn nahe meiner Wahlheimat Offenburg haben allesamt geklappt, zwei Mal auch mit Fahrradmitnahme. Und die einzige Verspätung (von 13 Minuten) kam mir gerade recht, weil ich dadurch einen Zug noch erreicht habe, der sonst buchstäblich abgefahren wäre.

Und jetzt? Natürlich ärgere ich mich über den Streik der Bahn-Gewerkschaft. Nicht nur wegen Zugausfällen, sondern auch, weil ich deren Forderungen absolut überzogen und unsolidarisch finde. Wie immer wird man am Ende der Erpressung nachgeben. Und dann dürfen die Steuerzahler die Zeche übernehmen (und natürlich die Kunden, mit höheren Ticketpreisen).

Zum Glück habe ich kürzlich die Selbstbetrachtungen des Marc Aurelius gelesen. Der alte Römerkaiser hat schon vor fast 2000 Jahren erkannt, dass die ganze Aufregung ja ´eh nichts bringt, und er lehrt, dem Leben mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Und das heißt für mich: Bahn-Ärger hin oder her – ich werde mein Deutschlandticket ausreizen und genießen.

Natürlich kann der Michel nicht einfach so losfahren und sich überraschen lassen. Nein, er muss einen möglichst grandiosen Plan machen und seiner Liebe zum Enzyklopädischen frönen. Das Ergebnis ist der Entschluss, mit dem Deutschlandticket meine Heimat „komplett“ zu bereisen, und möglichst alles „Wichtige“ zu sehen.

Bei der Zusammenstellung habe ich mich an Leuten orientiert, die Ahnung haben. Also in meinen nicht wenigen Reiseführern und Lexika geschmökert, mein Textarchiv konsultiert und natürlich auch die Wikipedia und Google befragt. Und um dem Ganzen auch noch ein sportliches Element zu verleihen, habe ich versucht, eine Rundreise zu  entwerfen, die mit möglichst wenigen Kilometern alles abdeckt.

Für Insider: es geht hier um das „Problem des Handelsreisenden„. Start und Ziel sind gleich, alle anderen Orte werden nur einmal besucht, und die gesamte Reisestrecke soll so kurz wie möglich sein. Auf Papier bin ich mit meiner Lösung schon ziemlich weit, und eine Landkarte habe ich ebenfalls gebastelt. Hier sind allerdings in einem ersten Schritt nur die ersten 15 Top-Sehenswürdigkeiten (UNESCO-Welterbe) verzeichnet. Ich habe nämlich beschlossen, einfach mal loszufahren, statt immer nur zu planen. Den Rest ergänze ich dann von unterwegs, anhand meiner Recherchen vor Ort und gerne auch mit Euren Vorschlägen:

 

Sardinien – La Maddalena

Die Insel La Maddalena und der gleichnamige Nationalpark bilden den Schwerpunkt dieses Beitrages. Bis ich dort ankomme, bitte ich noch um einige Zeilen Geduld, dafür gibt es dann auch ein oder zwei kleinere Zugaben.

Den letzten Abschnitt meiner Reise habe ich in San Teodoro begonnen, wo ich an der Pescheria einen zweiten Anlauf zur Vogelbeobachtung gemacht habe. Im Gegensatz zum gestrigen Feiertag ist der Ort heute verlassen und ich finde einen kurzen, aber sehr schönen Rundwanderweg, den ich gestern übersehen hatte. Er führt abwechselnd ans Wasser der Lagune und durch die Machia, und ist auch mit diversen Hinweisschildern versehen. Das auffällige Gepiepe in der Nähe kommt laut meiner Bestimmungs-App „Merlin“ von Bienenfressern, doch leider bekomme ich diese farbenprächtigen Vögel einfach nicht zu sehen.

Nun geht es – wiederum inspiriert von einem Tourenvorschlag aus Baedekers „Sardinien“ – an die Nordküste. Auch hier liegt auf dem Weg weitgehend schöne Landschaft, und hinter dem Industrieort Tempio Pausania wird es sogar sehr schön. Die Isola Rossa ist – anders als der Name nahelegt – keine Insel, sondern ein Küstenort, umgeben von ziemlich rotem Gestein. Von der oberhalb laufenden Küstenstraße sieht Isola Rossa ein bisschen schöner aus, als mitten drin. Geschätzt die Hälfte der Läden ist geschlossen und es wird viel gebaut – aber sei´s drum. Ich nehme ein „Touristenmenü“ mit Blick aufs Wasser und bekomme die Primi und Secundi auf dem gleichen Teller serviert. Ein weiterer hervorragender Weißwein versöhnt mich mit dieser Schludrigkeit, und nachdem ich mir das erste Schloz-Eis dieser Reise gegönnt habe, geht es weiter zum Capo Testa.

Auf dieser Halbinsel gibt es fantastische Formationen von Granitfelsen, die man auf einigen kurzen Wegen umwandern kann. Dazu kommt der Blick auf das blaue Meer und einige kleine Buchten, deren glasklares Wasser in allerlei Farbtönen schillert. Wirklich schön, aber schon zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison für meinen Geschmack zu viele Leute.

Die restlichen 45 Minuten Fahrt bringen mich zu der Feriensiedlung „Costa Serena Village“, die mich mit ihren günstigen Preisen (2 Tage in einem Appartement mit Küche und Balkon für € 89) gelockt hat, und eine gute Ausgangslage für meine morgen geplante Exkursion aus die Insel La Maddalena bietet. Die Anlage ist ziemlich verlassen, die Restaurants und der Shop sind geschlossen, aber ich finde Trost im funktionierenden W-LAN.

Am nächsten Morgen verschiebe ich das Frühstück bis zu dem netten Örtchen Palau, das ich in nur wenigen Autominuten mit schönen Aussichten erreiche.  Wegen der benachbarten Hauptattraktion des Archipels und Nationalparks La Maddalena steht Palau nicht ganz so sehr im Rampenlicht. Ich finde ein nettes Kaffee, spaziere über den Markt, probiere ein paar Hüte aus, löse schnell und problemlos ein Ticket und fahre dann mit meinem Fiat 500 auf die Fähre. Für die einfache Fahrt, die kaum eine Viertelstunde dauert, kassiert man 18,50 Euro. Ich denke daran, dass einer der ersten Milliardäre der Reeder Onassis war, und vermute, dass man mit einem Fährbetrieb immer noch reich werden kann, wenn man sich erst einmal eine Verbindung gesichert hat.

Den Abstecher in die Stadt La Maddalena verschiebe ich auf später am Tag und fahre gleich weiter auf die durch einen 600 Meter langen Damm verbundene Isola Caprera. Hier hatte sich der alte Haudegen und italienische „Kriegsheld“ Giuseppe Garibaldi seinen Alterssitz genommen. Dessen illustre Geschichte und zahlreiche Errungenschaften mag man der Wikipedia oder dem Reiseführer entnehmen. Ich habe Garibaldis Museum schlicht links liegen gelassen und bin soweit nach Norden gefahren, wie die Straße es zuließ. Hauptsächlich bin ich nämlich wegen der Natur hier, im zweiten der drei Nationalparks Sardiniens, die ich besuche.

Hier gibt es zahlreiche, relativ kurze Wanderwege, die zu kleinen Buchten führen oder auf die nahe liegenden Hügel, von wo man die fantastische Inselwelt inmitten des blauen Meeres bestaunen kann. Ich gebe zu, dass ich schon auf der ganzen Reise sehr angenehm überrascht bin, von den offenbar sehr sauberen Gewässern hier. Aber als ich die Cala Crucitta erreiche, bin ich von deren Schönheit wirklich begeistert.

Das kommt sofort auf Facebook.  Und da ich den Strand für mich habe, und mir einfach danach ist, mache ich mich nackig und steige ins kalte Wasser. Na ja. Ganz so kalt ist es auch wieder nicht, weil das Wasser an diesen kleinen flachen Buchten sich schneller erwärmt, als an den langen Sandstränden am offenen Meer . Jedenfalls war das eine tolle Erfrischung und ich wieder einmal froh, die richtige Jahreszeit gewählt zu haben. Beim Wiederaufstieg zum Auto hätte ich bei 30 Grad Hitze oder mehr sicher enorm gelitten. 

Vor der Rückfahrt mit der Fähre werfe ich dann noch ein kurzer Blick auf La Maddalena selbst – eine weitere von vielen schönen Städten auf Sardinien. In einer angesagten Bar („Vitello“) bestelle ich ein unfiltriertes Bier, bekomme aber ein Normales. Ich will nicht kleinlich sein, trinke ein paar Schlucke, und bekomme dann vom Wirt ohne weiteres Zutun die Flasche ausgetauscht. Grazie mille. Eine nette Geste, am Ende eines weiteren schönen Tages auf der Insel, mit Sonne, Wasser und tollen Aussichten. 

Auf der Heimfahrt kaufe ich in einem Supermarkt noch ein bisschen Proviant für den Abend, fahre zu meiner Ferienanlage und sehe dort zu meiner Freude ca. 60 Bienenfresser auf einer Stromleitung sitzen. Nun habe ich die also auch gesehen, und nicht nur gehört, wodurch ich auf 56 Arten in Sardinien komme. Eine ziemlich gute Bilanz für neun Tage, finde ich. 

Nach einer letzten Übernachtung verläuft die Rückfahrt zum Flughafen genauso reibungslos, wie die ganze Reise. Da ich den Tank nicht ganz leergefahren habe, und ermahnt wurde, entweder Voll oder Leer zurückzugeben, tanke ich nochmals für € 1,87 / Liter bleifreien Sprit. Der Preis ist also ähnlich hoch wie daheim. Die Rückgabe des Autos erfolgt ganz nah am Terminal und geht blitzschnell. Der Flug mit EasyJet zum Euro-Airport nach Basel hat zwar gut 20 Minuten Verspätung und ich zahle mit € 80 das Vierfache des Hinfluges.  Aber die Crew ist gut gelaunt und mit dem Sitzplatz habe ich auch wieder Glück, denn ich habe auf den Vorab-Kauf verzichtet, und trotzdem einen am Fenster gekriegt. Von oben sehe ich nochmals die ultramarin- und türkisblauen Farben des Wassers, und – schwupp sind wir über den Wolken. 

Trotz der Verspätung erreiche ich am Flughafen in Basel punktgenau den Verbindungsbus zum Bahnhof, alle anderen Reisenden hinter mir lassend. Möglich machen dies mein kleines Gepäck und mein hohes Tempo. Und wieder einmal frage ich mich, wie all diese Trödler und Im-Weg-Rumsteher es schaffen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dass ich schon fast wieder in Deutschland bin, merke ich am Schweizer Bahnhof in Basel. Dort zeigt die Anzeigetafel nämlich an, dass sämtliche Intercitys in Richtung Deutschland ausgefallen sind. Ich bin nicht überrascht.

Als Alternative wird ein Umweg mit der S-Bahn empfohlen, doch zum Glück gibt es da diesen freundlich-kompetenten Beamten der Schweizer Bundesbahn. Der verrät mir, dass ich auch den nebenan stehenden Regionalzug der Deutschen Bahn nach Basel Badischer Bahnhof nehmen könnte, und dann dort umsteigen, wodurch ich keine Extrakosten durch die Schweizer Straßenbahn hätte. Guter Mann. Wäre ich nicht so flott aus dem Flughafen gekommen, so hätte ich diesen Anschluss wohl verpasst. So hocke ich ´drin bis Freiburg, steige noch einmal um, und bin am Nachmittag zurück in Offenburg.

Kurzbilanz der Reise: Alles richtig gemacht, die Zeit optimal genutzt mit vergleichsweise wenig Geld. In der Vorsaison ist Sardinien eine absolute Empfehlung. Und wenn ich wieder einen Schnäppchenflug erwische, komme ich vielleicht sogar im Spätherbst wieder – wenn das Wasser noch warm ist und die meisten Touris wieder weg sind.

Sardinien – Nationalpark Gennargentu

Da ich seit gestern nicht mehr mit Bus und Bahn unterwegs bin, sondern einen Mietwagen habe, sind nun mehr Ziele in kürzerer Zeit zu erreichen. Und in Baedekers empfehlenswertem Sardinien-Reiseführer finde ich einen Tourenvorschlag südlich von San Teodoro, der mit 190 Kilometern Länge an einem Tag zu bewältigen sein sollte. Noch etwas weiter südlich liegen die  Traumstrände Cala Goloritze und Cala Mariolu, die bei den Most Travelled People weltweit unter den Top 150 rangieren. Das habe ich mir jedoch aus dem Kopf geschlagen. Der Grund dafür sind hauptsächlich die Besprechungen bei Google Maps, aus denen hervorgeht, dass beide Strände  zwar tatsächlich wunderschön sind, aber eben auch ziemlich überlaufen und nur mit länglich-schwierigen Wanderungen bzw. in der Saison auf einer Bootstour zu erreichen.

Ganz anders sieht es in Posada aus, ein schönes Bergdorf mit 3000 Einwohnern und mein erster Stopp für heute. Ich bin offenbar der einzige Tourist hier.  Obwohl  ich noch nicht gefrühstückt habe, lasse mich von den lärmenden Reggae-Klängen der einzigen offenen Trattoria im Dorfkern nicht einfangen. Stattdessen streife ich durch die Gassen am steilen Hang. Die sind tatsächlich an manchen Stellen so eng, dass keine zwei Leute nebeneinander laufen können. Der Aufstieg zur Burgruine ist verschlossen, was ich mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis nehme. Sonst hätte ich ja auf leeren Magen da auch noch hinaufkraxeln müssen! Auf dem Rückweg bin ich der einzige Kunde in der feinen Konditorei Bacciu, wähle drei Kekse und ein mit Limonenpudding gefülltes Croissant aus, und fahre weiter die Küste entlang nach Süden.

In Orosei fahre ich direkt zur Marina, und sitze eine halbe Stunde an einem weiteren Traumstrand. Obwohl… Man ist ja nun das Besondere gewohnt. Und dieser hier hat im Vergleich zu San Teodoro einen fast schon grob gekörnten Sand. Der umschmeichelt die Füße längst nicht so wie der Vorgänger und kriegt daher Punktabzug. Nebenan stehen zwei deutsche Motorradfahrer, die sich ihrer Klamotten weitestgehend entledigt haben, und von denen der eine sogar recht ausgiebig schwimmen geht. Respekt, sage ich mir, und fahre gegen Mittag weiter.

Ein Blick auf die Uhr und ein weiterer auf die Karte bedeuten mir, dass ich mir ein wenig sputen muss, wenn ich meine geplante Wanderung heute noch in Angriff nehmen will. Unversehens finde ich mich auf dem Weg dorthin in dem „Banditendorf“ Orgosolo wieder, das der Legende nach aus den Nachkommen lauter Widerspenstiger und Gesetzloser besteht.

Berühmt ist das Dorf durch seine -zig Wandgemälde, auf denen die eigene Geschichte glorifiziert und alle anderen als dumme Aggressoren dargestellt werden. Das Ganze lässt sich natürlich prima an die zahlreichen Touristen verkaufen. Ich erinnere mich daran, dass es stets die Sieger sind, die Geschichte schreiben. Und heute vielleicht auch die, mit der besseren Pressearbeit. Würde ja gerne wissen, wie das wirklich gewesen ist. Vielleicht hat nur mal einer keinen Bock gehabt, seine Steuern zu zahlen. Dann ist es eskaliert, die Wutbürger von Orgosolo haben sich durchgesetzt, fleißig an ihrer Legende gestrickt und diese später auch noch erfolgreich „monetarisiert“.

Wie dem auch sei, flüchte ich vor den Klischees und der Hitze in einen sardischen Fast-Food-Laden, wo ich geduldig auf meine Panini mit Hackfleischfüllung warte, die ich mit einem Bier hinunter spüle. Dann geht es gleich weiter und so schaffe ich es auch noch in den Nationalpark Gennargentu, einen von drei auf der Insel. Mit vollem Namen heißt er „Parco Nazionale del Golfo di Orosei e del Gennargentu“, und dies weist schon darauf hin, dass der Park mit seinen 74000 Hektar von der Küste bis zu den höchsten Gipfeln der Insel reicht.

Nun habe ich die Gelegenheit, endlich mal wieder eine der tausenden von Wanderungen zu absolvieren, die in meinen diversen Büchlein empfohlen werden. Um genau zu sein, ist es die Wanderung Nr. 51 aus dem Jubiläumsband 100 Sonnenziele Mittelmeer und Atlantik des Rother Bergverlag. Es waren zwar nur knapp 10 Kilometer, aber die haben mir immerhin eine tolle Aussicht vom Novo Monte San Giovanni beschert, außerdem die Sichtung eines Steinadlers, und des hier angeblich endemischen Korsenzeisigs. Unterwegs habe ich auch ein freilaufendes Pferd und mehrere Esel gesehen, und knapp unterm Gipfel ein paar Felsbrocken, die mich an die sächsische Schweiz erinnert haben. Die Strecke selbst war bis kurz vorm Ziel aber eher langweilig, weil es sich doch überwiegend um breite Forststraßen handelte.
 
Die Heimfahrt war dann recht flott und zum Teil auf der Autobahn mit bis zu (erlaubten) 110 Sachen. Das übliche Dinner for One heute in der Trattoria Don Giovanni in San Teodore. Es gab einen hervorragenden Schwertfisch und ein Krüglein vorzüglichen, kalten Weißwein dazu. Ein verdammt guter Tag also, getrübt lediglich dadurch, dass ich zurück in meiner Unterkunft den zweiten Tag kein ordentliches W-LAN hatte, und meine Arbeit liegengeblieben ist.