Buchbesprechung: Die Welt ist flach von Thomas Friedman

Wenn ein dreifacher Pulitzerpreis-Träger sich anschickt, seinen Lesern die Globalisierung zu erklären, dann darf man die Meßlatte ruhig etwas höher legen. Die Rede ist von dem Buch: „Die Welt ist flach“ (gelesen habe ich die englische Ausgabe, „Version 3.0“). Hier präsentiert der New York Times Auslands-Kolummnist Thomas L. Friedman in gewohnt flüssiger Schreibe seine These, dass die Welt „flach“ geworden sei. Aus vielen verschiedenen Ländern mit unterschiedlichen Wirtschaftssystemen, die sich mehr oder weniger stark voneinander unterscheiden und abgrenzen, wird ein globales Spielfeld.

Dass dieses Spielfeld „flach“ ist, dient als Metapher für den fast gleichberechtigten Zugang zu einigen der wichtigsten Ressourcen und Produktionsmittel unserer Zeit. Standardisierte, erschwingliche Software und ein praktisch kostenloses System zum weltweiten Austausch von Informationen versetzen immer mehr Menschen in die Lage, ihre Dienste anzubieten, zu wachsen und schließlich den ehemals dominierenden und abgeschotteten Unternehmen Konkurrenz zu machen. Zehn Kräfte listet Friedman, die die Welt geplättet haben sollen, darunter die Terroranschläge des 11. September und den Fall der Berliner Mauer, der Aufbau des Internet als weltumspannende Datenautobahn und effizienz-steigernde Trends wie Outsourcing, Offshoring oder Supply-Chaining. Sie alle werden mit anscheinend zwingender Logik und zahlreichen faszinierenden Anekdoten belegt. Friedman ist viel gereist und sichtlich beeindruckt von all den Arbeitsessen mit den Wirtschaftsführern dieser Welt zurück gekommen, um uns zu erklären, warum zum Beispiel Walmart und UPS über lange Zeit so erfolgreich waren. Dieses erste Drittel ist für mich der stärkste Teil des Buches und liefert starke Argumente für die Globalisierung, die auch Kritiker zur Kenntnis nehmen sollten.

Enttäuschend allerdings und eines Pulitzerpreis-Trägers unwürdig scheint es mir, sich von den Profiteueren der Globalisierung hofieren zu lassen, und deren dunkle Seiten mit erschreckender Naivität einfach auszublenden. Hätte Friedman nicht auch einen Abstecher in die Slums von Bombay machen können? Warum sprach er nicht mit jenen zwangsenteigneten und vertriebenen chinesischen Bauern, auf deren Land nun milliardenweise billige Socken für den Export gefertigt werden? Und wird Friedman eigentlich eine Version 4.0 dieses Buches schreiben, wo er uns erklärt, dass die „Bankenkrise“ eigentlich nur ein kleiner Betriebsunfall war?

Bezeichnend scheint mir, dass die Originalversion des Buches in den USA von den Hobbykritikern bei Amazon im Durchschnitt vier von fünf möglichen Sternen erhielt. Dagegen vergaben die Rezensenten der deutschen Version auf amazon.de durchschnittlich nur drei Sterne. Kritisches Denken, so scheint mir, ist zumindest auf dieser Seite des Atlantiks noch nicht völlig aus der Mode gekommen. Und Friedman? Der haut weiter in die Tasten. „Hot, Flat and Crowded“ heißt sein jüngster Erguss in dem der „Guru der Globalisierung“ doch tatsächlich die These vertritt, die – us-amerikanische – Marktwirtschaft sei das effektivste und fruchtbarste System, um uns in eine bessere, grünere Zukunft zu katapultieren. Der deutsche Titel „Was zu tun ist“ setzt noch einen ´drauf.

Wieder ist Friedman mehrmals um den Globus geflogen, um sich von seinen Gesprächpartnern beeindrucken zu lassen. Er entdeckt, dass die Erde sich erwärmt und die Bevölkerung wächst und er merkt, dass dies ein Problem werden könnte für das ausgerechnet die USA die Lösung berät halten. Eine Kostprobe: „Es gibt nur eine Sache, die größer ist als Mutter Natur – und das ist Vater Profit“. Wer so etwas heute immer noch behauptet, glaubt wahrscheinlich auch, die Welt sei eine Scheibe.

Abwrackprämie: 39 für Einen

Jetzt ist es also beschlossen: Nicht nur 1,5 Milliarden Euro sondern mehr als die dreifache Summe müssen wir Steuerzahler in den nächsten Jahren, vielleicht Jahrzehnten bezahlen, damit andere sich neue Autos kaufen dürfen. 5 000 000 000, weil Lobbyisten wieder einmal erfolgreich waren und weil die regierenden Parteien beschlossen haben, lieber Wahlkampfgeschenke zu verteilen, als mit unserem Geld sorgfältig zu wirtschaften. Zugute kommt dies immer noch nur einer kleinen Minderheit, auch wenn die Zahl von zwei Millionen Autos zunächst beeindruckend erscheint. Eine einfache Überschlagsrechnung zeigt nämlich, dass damit nur etwa jeder vierzigste Einwohner in den Genuss dieser Subvention kommt. Anders gesagt: 39 Menschen zahlen, einer macht Gewinn. Geht man von etwa 50 Millionen Steuerzahlern aus, so berappen diese pro Kopf 100 Euro für die Abwrackprämie – Zinsen nicht eingerechnet.

Genau so ungerecht geht es in der Wirtschaft zu: Heute profitieren Gebrauchtwagenhändler und die vorwiegend ausländischen Hersteller kleiner Wagen – alle anderen Branchen gehen leer aus. Selbst die Subventionsempfänger jammern schon ´mal vorsorglich, weil natürlich die Nachfrage ab dem 1. Januar 2010 zusammenbrechen wird, denn schließlich ist der Markt dann auf Jahre gesättigt. Wie kurzsichtig darf Politik eigentlich sein? Ist es nicht offensichtlich, dass die allermeisten derjenigen, die sich von der Abwrackprämie zum Autokauf verlocken lassen, dann eben kein Geld mehr haben, um beispielsweise ihr Dach zu renovieren, ihre Garderobe zu erneuern, in die Wirtschaft zu gehen oder einen neuen Computer zu kaufen? Subventionen – und um nichts anderes handelt es sich hier – sind das Gegenteil von Solidarität.

„Dies ist nun einmal der Preis, den wir zahlen müssen, damit es uns bald allen wieder besser geht“, höre ich Sie sagen. Mir wäre es wohler, ich hätte dieses Geld behalten dürfen. Aber wenn diese Regierung es sich schon anmaßt, die Steuereinnahmen und Steuererhöhungen der Zukunft in „Konjunkturprogramme“ zu stecken, dann bitte so, dass alle davon profitieren. Ein Vorschlag, der bereits auf dem Tisch lag und zugunsten erfolgreicher Lobbyisten beiseite gefegt wurde lautet: Zumindest die Hälfte aller Gelder zu Rettung der Konjunktur sollte in Form von Konsumgutscheinen verteilt werden, über deren Verwendung die Empfänger frei entscheiden können.

Ich würde damit zuerst ins Eiscafé gehen und mit dem Rest in den Biergarten 😉

Und wie sieht Ihr Traum von einem gerechten Konjunkturpaket aus?

P.S.: Am besten bringt es Winand von Petersdorf heute in einem Kommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Online auf den Punkt: „Einige Menschen in diesem Land zahlen fleißig Steuern, haben kein Auto zum Abwracken, sind nicht systemrelevant und darüber hinaus nicht mit der Macht und Chuzpe gesegnet, die Politiker zu erpressen. Sie beziehen keine Sozialhilfe. Sie arbeiten und wappnen sich gegen schlechte Zeiten durch Sparsamkeit. Sie gehören in diesem Land zu den ärmsten Hunden.“