Costa Rica Update 08 – Selva Bananito Lodge

Heute geht´s mal weniger um die Suche nach einem Wohnsitz, sondern eher um Natur im Allgemeinen und Ökotourismus im Besonderen. Da Ökotourismus einschließlich der Vogelbeobachtung eine der Haupteinnahmequellen des Landes ist, findet man zahlreiche Lodges, die sich auf Verrückte wie mich spezialisiert haben.

Eine davon ist die Selva Bananito Lodge, am Fuße des Talamanca-Gebirges auf der karibischen Seite von Costa Rica und an der Grenze zum riesigen Nationalpark La Amistad, den man sich mit Panama teilt. Zu erreichen ist die Lodge ab Bananito Sur nur über eine ca. 15 Kilometer lange Allradpiste inklusive Durchquerung eines breiten und mehrerer kleiner Bäche. Wieder darf ich mich fühlen wie auf der Camel Trophy – und schiefgehen kann ja eigentlich nichts, weil die Betreiber der Lodge zur Not noch ein paar ernsthafte Geländewagen haben, um einen abzuholen.

Gerne erzählt der deutschstämmige Besitzer Jürgen Stein die Geschichte des Anwesens mit seinen 850 Hektar (!) Land, die der Vater hier 1974 den Einheimischen abgekauft hat. Der in Kolumbien nach dem ersten Weltkrieg eingewanderte Papa war ein erfolgreicher Agarunternehmer hatte sich aber wegen drohender Entführung / Schutzgelderpressung entschlossen, mit seiner Familie das Land blitzartig zu verlassen. Erst wurde die neue Heimat landwirtschaftlich (zur Viehzucht und zum Bananenanbau) genutzt, außerdem wurde auch Holz gewonnen – was man damals halt so unter der Erschließung des Landes verstanden hat. Dies war damals so gewünscht und aus dieser Zeit stammt wohl auch noch eine interessante Klausel im Besitzrecht Costa Ricas: Wer sein Land 5 Jahre lang nicht nutzt / bewirtschaftet, kann den Anspruch darauf verlieren und hat dann angeblich auch keine Handhabe gegen Leute, die dieses Land besetzen.

Ich finde, das ist eine recht interessante Auslegung von „Eigentum verpflichtet“, und womöglich eine ganz gute Maßnahme gegen Grundstücksspekulationen. Außerdem ist beim Immobilienerwerb zu bedenken, dass auch ältere Verträge angefochten werden können, insbesondere in Regionen, die als traditionelles „Indianerland“ gelten, und wo die Grenzziehungen nicht eindeutig nachzuvollziehen sind – z.B. weil es noch kein GPS gab, Flüsse ihren Lauf verändert haben etc.). Getrieben wird dies offenbar weniger von den „Ureinwohnern“ (Indigenes), sondern von Anwälten, die sich eine ordentliche Provision aus der resultierenden Abfindung sichern wollen. 

Solche Dinge nebenbei zu lernen ist einer der Gründe, warum sich diese Reise jetzt schon gelohnt hat. Aber zurück zur Geschichte der Lodge – so wie sie vom Sohnemann gerne erzählt wird: Der hatte nämlich als Jugendlicher jede Menge Ökoflausen im Kopf: Bewahrung der Natur, nachhaltiges wirtschaften, Geld verdienen mit Umweltschutz usw., die dem Senior wohl zunächst als Hirngespinste erschienen (eine Kontroverse, die mich ein bisschen an meine eigene Jugend erinnert hat). Jedenfalls haben die beiden sich geeinigt, der Senior lies dem Junior freie Hand, und der Junior hat über die Jahre das Anwesen in ein privates Reservat umgewandelt, eine Stiftung gegründet, eine Cabina nach der anderen hineingestellt, und ein umfassendes „ökotouristisches“ Angebot entwickelt. Hier kann man reiten, lernen auf einen Baum zu klettern, wandern und im Dschungel übernachten, oder einfach „nur“ birden.

Jürgen Stein und seine Angestellten leiden natürlich ebenso unter der Corona-Krise wie das ganze Land. Nur 3 der 19 Hütten waren besetzt, eine US-Reisegesellschaft, die sonst im Alleingang alles belegt hatte, hat die Buchungen storniert. So kam ich mit zwei Schweizer Pärchen in den Genuss einer besonders intensiven Betreuung inklusiver zweier Vorträge. Der eine drehte sich um die letzten hier noch vorkommenden Großkatzen – sowohl Pumas als auch Jaguare, die mit zahlreichen Fotofallen dokumentiert wurden, aber teilweise der Wilderei zum Opfer fielen (oder genauer: Dem Aberglauben reicher, impotenter Chinesen). Jürgens Verbitterung darüber, dass einer der Wilderer unbehelligt von den Behörden im Nachbarort lebt, obwohl er auf Facebook mit einem abgetrenntem Jaguar-Kopf posiert hat, verstehe ich gut. Seine Reaktion – die Schulklassen aus der Umgebung auf die Lodge einzuladen und die Einzigartigkeit dieser Wildkatzen zu erklären – finde ich großartig.

Der 2. Vortrag ist Jürgens neuestem Hobby und Angebot gewidmet: Er bietet Flüge mit dem Gyrocopter an, einer Art Mini-Helikopter mit offener Kabine für 2 Personen. In geringer Höhe hat man ein tollen Blick auf den Regenwald, samt Wasserfällen oder checkt ´mal eben die Lage im 70 Kilometer entfernten Puerto Viejo. Merian, GEO und natürlich das deutsche Fernsehen waren auch schon da, und haben alles ganz toll gefunden. Ich verkneife mir die Frage, wie sich das Rumfliegen mit dem Umweltschutz verträgt. Der Schweizer Kollege pflanzt tags darauf einen Baum (für 20 Dollar), aber meine Skepsis zum Thema Ökotourismus wird damit nicht kleiner.

Jeder von uns 5 Gästen muss ca. 20000 Kilometer für die Hin- und Rückreise zurücklegen. Wir fahren mit Geländewagen von Lodge zu Lodge, übernachten in Hotels mit Klimaanlagen (die ich auch häufig brauche), gelegentlich auch mit Pool, selbst in Gegenden absoluter Dürre. Also für meine CO2-Bilanz ist das nicht so toll, und wer glaubt, er könne dies durch eine Zahlung an Plant for the Planet oder ähnliche Firmen wettmachen, dem sei der Artikel „Der Märchenwald“ aus der Zeit empfohlen. Andererseits: Welchen Anreiz hätten Länder wie Costa Rica, die letzten Wildnisse der Erde zu bewahren, wenn Typen wie ich sie nicht dafür bezahlen würden? 

Genug philosophiert für heute: Der freundliche Allen, der hier als Guide und Mädchen für Alles arbeitet, entdeckt im Dunkeln im Baum einen Wickelbär – der erste, den ich in freier Wildbahn sehe. Weniger süß, und lieb, und niedlich ist die Lanzettotter, die einer der Schweizer Kollegen kurz darauf auf dem Weg zu seiner Cabina sieht. Laut Wikipedia ist sie „leicht erregbar, bewegt sich sehr schnell und ist extrem giftig“.  Es ist meine 2. Begegnung mit dieser Schlange. Zwar gibt es hier an die 130 Arten, darunter Dutzende giftige. Die Lanzettotter ist aber für die meisten schwerwiegenden Vergiftungen und Todesfälle verantwortlich, weshalb ich abseits der angelegten Pfade hier nur in Stiefeln unterwegs bin. In meiner Cabina, die auf Holzpfeilern steht, fühle ich mich aber recht sicher und träume schön, mit offenen Verandatüren in Richtung Dschungel. 

Die Lodge ist einer der ganz wenigen Orte in Costa Rica, an dem ich weder Handy-Empfang noch W-LAN hatte – aber das ist Teil von Jürgens Plan. Schon um 5:30 treffe ich mich mit Allen zur Vogeltour auf einem kleinen Rundweg. Er hat ein gutes Auge und ein hervorragendes Spektiv von Swarowski. Am Ende habe ich ca. 35 Vogelarten auf der Liste und wir sind beide happy. Die Selva Bananito Lodge ist ein gelungenes Experiment in Sachen Umweltschutz. Meine Empfehlung hat sie und Jürgen Stein meinen Respekt für seine Weitsicht. Dass ich der Verlockung eines Gyrocopter-Fluges widerstanden habe, möge er mir verzeihen… 

Fortsetzung folgt – aber anders als ursprünglich geplant.
Statt Nachträge auf dem Bog möchte ich nämlich alles zusammenfassen in einem eBook zum Thema „Ab nach Costa Rica“.  Wenn´s fertig ist, werdet ihr hier zuerst davon erfahren.

Costa Rica Update 07 – Bananen und Baustellen

In Turrialba gibt´s ein Omelette zum Frühstück, dann einen Text für einen meiner Kunden – und los geht es mit frisch gewaschener Wäsche. Da ich mit kleiner Garderobe reise, ist das ca. 1 x / Woche nötig. Zum Glück wird dieser Service von praktisch jeder Unterkunft gerne übernommen – zu Preisen zwischen 4 und 10 Euro. Auch bei anderen Dienstleistungen kommt man in der Regel ganz gut weg. Der Stundenlohn liegt bei etwa 3 Euro, und wenn man sich auf den hiesigen Holperpisten einen Platten einfängt, repariert die nächste Werkstatt dies im Handumdrehen ebenfalls unter 10 Euro.

Schon nach ein paar Kilometern lege ich einen  Zwischenstopp in der Forschungseinrichtung CATIE ein, wo man Kulturpflanzen für Costa Rica und ganz Mittelamerika züchtet, verbessert und an Schädlinge und den Klimawandel anpasst. Das riesige Gelände schien aber ziemlich verwaist; und mir ist nicht ganz klar, ob dies die Folgen von Corona-Schutzmaßnahmen sind, Semesterferien, o.ä. Den angeschlossenen botanischen Garten spare ich mir und entdecke ganz alleine und ohne Eintritt zu zahlen ein Dutzend Vogelarten um einen größeren Teich auf dem Gelände.

Weiter geht es über recht ordentliche Straßen in Richtung Siquieres und dann auf die Hauptstraße nach Limon, die einige Kilometer landeinwärts an der Karibikküste nach Süden führt. Zum 4. Mal fahre hier nun entlang- und es ist immer noch der Horror! Dies ist das Eck, aus dem (zumindest der Großteil) unserer Bananen herkommt. Und das bedeutet, dass die Straße voll ist mit gewaltigen Lastern, die Container voller Bananen von den Plantagen beidseits der Straße zum Terminal bei Limon fahren. Das tun sie teilweise sehr gemächlich, und scheinbar stets darauf bedacht, sich nicht überholen zu lassen. Und damit die Geschwindigkeit nicht zu hoch wird, kriechen zwischendurch noch Tanklaster über das wellige Gelände, deren Motoren mit der Last offenbar überfordert sind – die dafür aber umso mehr Dieselruß ausstoßen. Links und rechts der Straße türmen sich fünf Stockwerke und höher die Container von Ciquita, Dole und anderen Firmen.

So quäle ich mich ca. 60 Kilometer durch den Dauerstau. Offenbar hatte man in Costa Rica kein Geld für den Ausbau der Straße – nun wird sie mit chinesischen Krediten zweispurig. Dies macht man aber nicht abschnittsweise, denn das wäre ja viel zu einfach! Vielmehr sehe ich heute und später bei der Fahrt nach Norden über eine Strecke von 150 Kilometern (!) zehntausende von Männern, die zwei neue Spuren legen, samt Brücken, Spreng- und Planierarbeiten, stets ordentlich mit gelben Helmen, langärmeligen Hemden und schwarzen Schutzmasken. Das hat natürlich zur Folge, dass auf der gesamten Strecke Baustellenverkehr herrscht, mit ein- und ausfahrenden Lastern, Baggern, Teermaschinen und dem kompletten Programm. Nennt mich vorwitzig – aber ich glaube, dies hätte man eventuell auch eleganter lösen können…

Kurz bevor mir der Kragen platzt sehe ich die ersten Wellen der Karibik, und es geht nach der Mündung des Rio Bananito rechts ab. Nach dem gleichnamigen Ort und 18 Kilometern auf einer ordentlichen Allradpiste inklusive Flußdurchquerung erreiche mein Ziel für heute: Die Selva Bananito Lodge.

Fortsetzung