Monat: April 2023
Sardinien – Cagliari
Am Morgen nach der Anreise mit dem Billigflieger ziehen ich den Vorhang zur Seite und erblicke einen strahlend blauen Himmel, an dem Möwen und Mauersegler kreisen. Etwa 36 Stunden habe ich eingeplant, um Cagliari zu erkunden, die Hauptstadt Sardiniens. Von Google Maps lasse ich mich zu einem Café und Frühstücksrestaurant hinter dem Häuserblock meines coolen Appartements („Spacebility„) lotsen. Das Caffé dell´Arte erweis sich als Volltreffer, mit einem freundlichen Kellner/Barista, der einen hervorragenden Cappuchino serviert, dazu ein frisch gepresster Orangensaft und ein paar pochierte Eier auf Toast – natürlich mit Speck.
Die Einrichtung ist originell, mit verspielten Lampen, alten Kaffeeautomaten und einer Ecke, in der Hunderte von Schallplatten in den Regalen stehen, und die als „Music Hall“ ausgeschildert ist. Mit nur leichtem Gepäck suche ich mir einen Bus – wieder mithilfe von Google Maps – und lasse mich in die Nähe des Naturparks Molentargius chauffieren. Dazu müsst Ihr wissen, dass eine meiner Leidenschaften die Vogelbeobachtung („Birding“) ist, und daher dieser Hotspot für mich vor allen anderen Sehenswürdigkeiten Cagliaris kam. Laut eBird, der besten Quelle für Birder, sind die Salinen der beste Hotspot unter den 131 der Insel. Von den 257 Arten, die man bislang auf Sardinien insgesamt gesehen hat, wurden 155 hier beobachtet.
Derart motiviert entschließe ich mich an einer Übersichtstafel vor dem Naturschutzzentrum, die ca. 12 Kilometer einer zusammengesetzten großen Runde in Angriff zu nehmen. Dabei komme ich zwar vom Weg ab, sodass es am Schluss nur 6 Kilometer werden, jedoch sehe ich trotzdem 25 Arten, darunter mehr als 100 Rosa Flamingos und erstmals in meinem Leben Mönchssittiche, die ebenso wie die Halsbandsittiche ursprünglich aus Südamerika kommen und sich nun fern der Heimat ausbreiten.
Obwohl die Temperatur wohl kaum 25 Grad hat, knallt die Sonne ganz schön kräftig herunter. Cagliari soll ohnehin der wärmste Ort der Insel sein, und ich bin froh, dass ich nicht im Hochsommer da bin. Den Heimweg lasse ich mir wieder von Google Maps zeigen, und genehmige mir unterwegs am schönen, langen, breiten und sauberen Stadtstrand Spiaggia del Poetto ein Bier in einer Strandbar.
Am Abend suche ich ein Restaurant mit typisch sardischer Küche und finde auch mit dem „Ammentos“ unweit eine Wirtschaft, die dafür noch halbswegs günstige Preise aufruft. Als erster Gast des Abends kann ich zusehen, wie der Laden sich bis zum letzten Tisch füllt, und obwohl ich mal wieder der einzige Single bin, macht mir das fast nichts aus. Mit meiner Menuwahl bin ich nicht ganz glücklich, das Lamm hatte ich mir irgendwie weniger zerhackt und knochig vorgestellt, aber wahrscheinlich gehörte das so.
Tags darauf mache mich auf, um am Vormittag noch ein wenig Cagliari zu erkunden. Weil mir die Gepäckaufbewahrung mit 10 Euro zu teuer ist, gehe ich mit Rucksack am Hafen entlang unter den schönen Arkaden prächtiger Häuser, dann bergauf zur Altstadt in der ehemaligen Zitadelle. Hier durften die Einheimischen unter der spanischen Herrschaft bei Todesstrafe nicht ´rein und wurden für den Versuch mit einem Wurf von den hohen Mauern bestraft. Ich bin zum Glück nur durch meinen Rucksack bestraft, mit dem ich mich ungezählte Stufen zur Bastione de San Remy hocharbeite, einem der wenigen Eingänge zur Zitadelle.
Den Blick von hier oben muss man nicht unbedingt schön nennen, aber immerhin liegt der Großraum Cagliari mit dem Hafen und der angrenzenden Bucht mir zu Füßen. Etwas flacher, ab immer noch bergauf, geht es zur Kathedrale Santa Maria. Deren Anfänge gehen bis ins 13 Jahrhundert zurück, aber natürlich wurde sie seitdem -zig Mal umgestaltet. Als typischer Mitteleuropäer hat man in meinem Alter vermutlich schon genug Kirchen gesehen – mir fällt es jedenfalls immer schwerer, mich für die künstlerischen Ausdrücke religiöser Gefühle und Machtansprüche zu begeistern. Bemerkenswert finde ich aber doch die Krypta unter dem Altar, in deren Nischen die Überreste von 200 sardinischen Märtyrern aufbewahrt werden.
Ich habe mich mehr für das Archäologische Nationalmuseum interessiert, das nur wenige Hundert Meter entfernt liegt. Dort werden nämlich u.a. jede Menge Relikte der bronzezeitlichen Nuraghenkultur ausgestellt, und ich finde es faszinierend, welche Kunstwerke diese Menschen vor 3500 Jahren geschaffen haben. Neben der fast schon üblichen Sammlung von Pfeil- und Speerspitzen, Schalen, Töpfen und anderer Keramik sind es die kleinen Bronzefiguren, die es mir angetan haben. Irgendwie haben diese Männekens (Frauen sind auch dabei) zwar stets die gleichen Gesichtszüge, sie scheinen aber unterschiedlichen Klassen bzw. Berufen anzugehören und machen die Ausstellung dadurch für mich sehr lebendig. Außerdem habe ich mir für diese Reise ja auch vorgenommen, das einzige Weltkulturerbe Sardiniens zu besuchen, und dies ist nun einmal eine exemplarische Ansammlung von Wehrtürmen und Hütten aus der Nuraghenkultur bei Barumini.
Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass ich mich auf den Weg machen sollte. Und da ich ausnahmsweise für diesen Trip (noch) kein Mietauto genommen habe, verlasse ich mich auf das Netz von Regionalbussen, um mit ein Mal umsteigen nach Barumini zu kommen.
Fast hätte ich den Bus verpasst, weil ich in einem Feinkostladen als Proviant noch schnell ein Panini bestellt habe, ohne damit zu rechnen, dass die Lady hinterm Tresen daraus ein enorm zeitaufwändiges Kunstwerk machen wollte. Nachdem wir uns über den Belag verständigt hatten, galt es zuerst die Art des Brötchens auszuwählen. Dann wurde der Schinken beschnüffelt und für „bene“ befunden, in hauchdünne Scheiben geschnitten, gewogen, als zu leicht beurteilt, erneut geschnitten und schließlich die 70 Gramm zur Seite gelegt. Dazwischen verschwindet die Verkäuferin in einem Hinterraum, kommt wieder ´raus, bedient „geschwind“ eine andere Kundin, und kehrt zu mir zurück. Das gleiche, was sie mit dem Schinken getan hat, muss nun auch für den Mozarella erfolgen: Beschnüffeln, „bene“ finden, ein paar Scheiben schneiden, wiegen, noch ein paar Scheiben schneiden – und zur Seite legen. (Noch 10 Minuten, bis der Bus fährt). Jetzt erhält das aufgeschnittene Brot ein paar Spritzer Olivenöl – „bene“. Zwei kleine Tomaten müssen noch drauf, aber erst noch schneiden, und davor noch die Butzen entfernen. Soooo. Jetzt. (NOCH 6 MINUTEN). Es wird belegt, das Werk geht seiner Vollendung zu zu. Papierservietten müssen noch außenrum, aber die heften aneinander und sind nur mühsam, sorgfältig, immer mit der Ruhe, auseinander zu kriegen. Puh. Geschafft. (NOCH 4 MINUTEN). Und jetzt der Spoiler: In den letzten 3 Minuten hat Madame es tatsächlich hingekriegt, mein Panini in eine Papiertüte zu tun, zuzukleben, 6,37 Euro zu berechnen, und auf 20 Euro rauszugeben.
… und so habe ich den Bus doch noch erreicht – und bin nun endlich auf dem Weg nach Barumini, zum Su Nuraxi.
Sardinien im April – dem Sommer entgegen
Ärgernis Deutschlandticket
Heute sind es 16 Tage, dass ich bei der Deutschen Bahn ein Abo für 588 Euro abgeschlossen und eine Einzugsermächtigung erteilt habe. Meine Hoffnung war, dass mir als einer der Ersten die Gnade eines Deutschlandtickets zuteil würde. Offenbar ist man jedoch bei der Bahn wieder einmal überfordert. Aber hey – wie hätte man beim „Unternehmen Zukunft“ denn auch ahnen können, dass auf das 9-Euro-Ticket ein Nachfolger kommen würde? Es wird ja schließlich erst seit 9 Monaten von Politikern aller Parteien lautstark gefordert. Und es ist gerade einmal zwei Monate her, dass der Bundestag das Deutschlandticket beschlossen hat ,und es angeblich nur noch einige Details bei der Verrechnung zu klären gab.
Zugegeben: Ich bin kein Experte, aber wenn ich das recht sehe, wäre die Prozedur der Buchung und die Programmierung für die App DB Navigator doch wohl weitgehend identisch mit dem 9-Euro-Ticket gewesen. Übrigens bewirbt die Bahn diese App mit
Der DB Navigator ist dein perfekter Begleiter im Nah- und Fernverkehr sowie für U-Bahn, Straßenbahn und Bus.
Blöd nur, dass dieses Viech sich bei mir konstant weigert, nach Angabe von Abo- und/oder Auftragsnummer plus Nachnamen das Ticket aufs Handy zu laden. Ich erhalte zwar eine Auftragsbestätigung per E-Mail. Der folgt jedoch eine halbe Stunde später eine Nachricht mit dem Betreff „Die Aktivierung ihres Abonnements verzögert sich.“
Geduldig warte ich eine Woche und schreibe dann an abo@bahn.de mit meiner Reklamation. Die Antwort kommt prompt – nur leider in Form eines automatischen Schreibens in dem steht, wie zum Hohn:
dies ist eine Eingangsbestätigung Ihrer E-Mail. Ihre Anfrage haben wir unter der Bearbeitungsnummer: 2592426 aufgenommen.
Ab dem 3. April können Sie unkompliziert ins neue Deutschland-Ticket wechseln. Als Nahverkehrs- und Verbundabonnent:in besuchen Sie dafür das Aboportal unter www.bahn.de/aboportal.
Auch als Neukund:in können Sie ab 3. April unter www.bahn.de/abo Ihr Deutschland-Ticket bestellen.Sie haben Fragen zum Deutschland-Ticket? Auf https://www.bahn.de/deutschland-ticket haben wir die häufigsten Fragen für Sie beantwortet.
Das war vor acht Tagen, und seitdem ist nichts passiert. Heute habe ich dann die Servicenummer angerufen, wo zwar kein Mensch ´rangegangen ist, eine Ansage vom Band mir aber geraten hat, das Handy neu zu starten, und es dann noch einmal zu versuchen. Hat nicht geklappt. App deinstalliert, Handy neu gestartet, App wieder installiert – gleicher Kack wie zuvor. Ich bin ja, trotz allem, Optimist. Und habe deshalb gleich noch den Next DB Navigator ausprobiert, der laut Eigenwerbung die modernere Version darstellt und mindestens so toll ist wie der Vorläufer, denn:
Alles Wichtige für deine Reise mit dem Next DB Navigator: – Schneller Zugriff auf die Bereiche Buchen, Reisen und Profil – Immer schnell informiert
Und stellt Euch vor: Ich habe es doch tatsächlich geschafft, dieses Teil zu installieren, und mich mit meinen Kundendaten einzuloggen. Jedoch: Zu früh gefreut. Auch der Next DB Navigator will mein Deutschlandticket nicht laden, und die Begründung lautet, dass dies nur für Tickets möglich ist, die ich aus dieser App heraus gekauft habe!
So. Und jetzt bin ich ziemlich sauer. Fliege erst mal nach Sardinien und bin schon ziemlich sicher, dass selbst im einstmals sprichwörtlich unzuverlässigen Italien die Sache mit dem Bahn- und Busverkehr besser flutschen wird als mit dem Sanierungsfall Deutsche Bahn.
Nachtrag: Mit Sardinien hatte ich recht, und nachdem ich unterwegs noch eine weitere nutzlose „bitte-haben-Sie-Geduld“-Nachricht der Bahn bekommen hatte, fand ich dann zwei Tage vor dem offiziellen Start (am 29.4.) eine weitere Mail in meinem Postfach, mit der Ansage:
Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie Ihr digitales Abo Ticket ab sofort im DB Navigator hinzufügen können
Halleluja. Es hat geklappt und damit steht meinem großen Deutschlandtrip eigentlich nichts mehr im Weg. Mehr dazu demnächst auf Michels Universum.