Buchbesprechung: Bonk von Mary Roach

Oswald Kolle war gestern. Wer sich heutzutage mit den Details des menschlichen Sexualtriebs auseinandersetzen und dabei auch noch jede Menge Spaß haben will, dem sei mit Mary Roach die womöglich lustigste Wissenschaftsautorin unserer Tage ans Herz gelegt.

In „Bonk: Alles über Sex – von der Wissenschaft erforscht“ beschreibt Mary Roach mit leichter Hand und umwerfendem Humor die Arbeit, das Leben und die Erkenntnisse mehr und weniger berühmter Sexforscher und Sexforscherinnen. Ungeniert erkundet Roach, was uns alle bewegt. Dies gelingt ihr erstaunlicherweise, ohne den Deckmantel der Literatur bemühen zu müssen und ohne jemals ins Pornografische abzugleiten.

Sie sind neugierig? Hier sind die die ersten Sätze: „Ein Mann sitzt in einem Raum und spielt mit seinen Kniescheiben. Es ist 1983 auf dem Gelände der Universität von Kalifornien in Los Angeles. Der Mann ist eine Versuchsperson und man hat ihn angewiesen, sich vier Minuten lang zu stimulieren, anzuhalten und dann eine weitere Minute an sich zu arbeiten. Dann darf er seine Hosen wieder anziehen, bekommt eine Entschädigung und wird nach Hause entlassen mit einer unterhaltsamen Geschichte zum Abendessen.“

Diese Studie habe sie zufällig entdeckt, während sie sich in der Universitätsbibliothek vor der eigentlichen Arbeit drückte, so Roach. Da sei ihr klar geworden, dass Sex ebenso im Labor untersucht wird, wie Schlaf, Verdauung und andere Körperfunktionen des Menschen. Aber wie untersucht man Sex? Was sind das für Leute und wer bezahlt für so etwas? Welche Ergebnisse haben sie und werden die Ehepartner der ForscherInnen nicht misstrauisch?

Mit wenigen Ausnahmen sei das Studium der sexuellen Körperfunktionen erst in den 1970er Jahren ins Rollen gekommen, erinnert uns Roach. Noch vor einem halben Jahrhundert beschrieben die wohl berühmtesten Sexforscher, William Masters und Virginia Johnson ihre Arbeitsumstände folgendermassen: „Die Wissenschaft und die Wissenschaftler werden von Angst regiert – Angst vor der öffentlichen Meinung, Angst vor religiöser Intoleranz, vor politischem Druck und vor allem Angst vor Heuchelei und Vorurteilen.“ Dann sagten sie, in Roachs´ Worten: „Uns doch egal“ und sie bauten eine Penis-Kamera.

Roach nimmt uns mit auf die Suche nach dieser Original-Kamera und erklärt, wie der Geschlechtsakt damit aus einer bislang unbekannten Perspektive erforscht wurde. Wir erfahren, wie gut es den Schweinen Dänemarks geht, die von Männern wie Morten, Martin und Thomas vor der künstlichen Befruchtung mit größtmöglichem Einsatz stimuliert werden, weil nur glückliche Säue viele Ferkel machen. Gibt es eine unterhaltsamere Art, den Leser an all den Theorien teilhaben zu lassen, wozu Orgasmen nötig sind? Gerne folgen wir auch den vielen geschichtlichen Exkursen und spekulieren mit Roach, dass Frau Hippokrates vermutlich besseren Sex hatte als Frau Aristoteles.

Keine Rechtschreibprüfung kennt den Vaginocavernosus-Reflex, einer von Dutzenden, der in wunderbarer Weise das Zusammenspiel menschlicher Geschlechtsorgane regelt. Roach dagegen besucht den illustren Entdecker des Vaginocavernosus-Reflex Ahmed Shafik, in Kairo und fühlt dem selbst ernannten Nobelpreiskandidaten und Urologen Fidel Castros auf den Zahn. Shafik habe ihr Herz gewonnen mit einem Artikel in der Fachzeitschrift European Urology zur Auswirkung von Polyester-Hosen auf die Fruchtbarkeit. „Ahmed Shafik hat Laborratten Polyesterhöschen angezogen“, erklärt Roach und gibt eine Kostprobe ihres kritischen Verstandes, wenn sie anmerkt, dass diese Ratten vielleicht auch deshalb weniger Sex hatten, weil die Polyester-Höschen den Rattendamen nicht gefielen (Shafik dagegen glaubt, das Polyester würde zum Aufbau bedenklicher elektrostatischer Felder um die Genitalien beitragen).

So beunruhigend es auch für die männlichen Leser sein mag, von einer Epidemie zu erfahren, bei der in Thailand binnen kurzer Zeit mehr als 100 untreue Ehemänner von ihren Frauen kastriert wurden, lernen wie andererseits auch Helden kennen wie den Taiwanesen Dr. Geng-Long Hsu, einen der führenden Experten für die Reparatur und den Aufbau verletzter, missgestalteter und zu klein geratener Penise. Geradezu schmerzhaft detailliert berichtet Roach von einer dieser Prozeduren, der sie beiwohnen durfte. Und sie erkundet andere kreative Wege, der Impotenz beizukommen – bis hin zum Verzehr und der Transplantation tierischer Hoden.

Auf der anderen Seite widmet Roach fast ein ganzes Kapitel der unbefriedigten Prinzessin Marie von Griechenland. Deren Theorie, die zu große Distanz zwischen ihrer Klitoris und Vagina liefere eine wissenschaftliche Erklärung für den freudlosen Sex sowohl mit ihrem Ehemann George, als auch mit mindestens fünf anderen Männern erwies sich jedoch als fragwürdig: Zwei Versuche, die Entfernung mit Operationen zu verkürzen, brachten keinerlei Erfolg. Selbst Haustiere hätten besseren Sex als sie und ihre Geschlechtsgenossen, klagte die Prinzessin. Dass Orgasmen sich auch herbeidenken lassen, wusste die Prinzessin offensichtlich nicht. Bei Mary Roach hätte sie es aber erfahren.

Roach hat vor Bonk bereits ein erfolgreiches Sachbuch geschrieben, das inzwischen auch ins deutsche übersetzt wurde: In „Die fabelhafte Welt der Leichen“ geht es darum, was man mit menschlichen Kadavern so alles anstellen kann. Sie sei nicht von Sex und Tod besessen, glaubt Roach, sich gegenüber ihren Lesern rechtfertigen zu müssen. Aber dass sie bei ihren Recherchen häufig dem gleichen Misstrauen, den Ängsten, Verdächtigungen und Vorurteilen begegnete wie die Männer und Frauen, die den Sex erforschen, ist auch ein Teil der Geschichte, die dieses Buch erzählt und die „Bonk“ umso authentischer macht.

Mary Roachs Buch ist keine Gebrauchsanleitung, kein Nachschlagewerk, kein Porno und auch keine Literatur. Aber es ist ein brilliant geschriebenes, gründlich recherchiertes, sehr lustiges und zugleich lehrreiches Sachbuch mit dem Zeug zum Bestseller. Wie wichtig Größe ist, bleibt unbeantwortet. Aber falls es einen G-Punkt gibt, hat Mary Roach ihn mit „Bonk“ zu 100 Prozent getroffen.

Buchbesprechung: Unknorke von Lars Niedereichholz

Als „Der wahrscheinlichst lustigste Roman des Jahres“ wird das schmale Büchlein Unknorke beworben. Wer das gesagt hat, erfahren wir leider nicht und ich will hoffen, dass er unrecht hat. Amüsant? Ja sicher. Auch ist es nett zu lesen, wie der Komiker Lars Niedereichholz – bekannt als die eine Hälfte des Komiker-Duos Mundstuhl – sich hier einen Spaß daraus macht, alle (oftmals allzu wahren Klischees) über die Anhänger der Ökobewegung zu bedienen.  So kann man durchaus einen verregneten Sonntag-Nachmittag damit verbringen, Marc, dem Helden der Geschichte zu folgen, dessen Kindheit nach 16 Semestern VWL-Studium und der Schwangerschaft seiner Freundin Nadja ein plötzliches Ende nimmt. Weil die anderen 28 Kreditinstitute, Sparkassen und Versicherungen seine Bewerbung mit einem freundlichen Standardschreiben samt Unterlagen prompt zurück geschickt haben, landet Marc bei der Alternativen Multikulturellen Ökologie Bank, kurz AMÖB. Dort sagt er beim Vorstellungsgespräch den einzigen Satz, den die durchgeknallten Ökos hören wollen: „Ja, ich möchte die Welt ein kleines bisschen besser machen.“ Von da an gibt Marc sein bestes, um es allen recht zu machen: Allen voran die  GeschäftsführerInnen Almut („mit heruntergezogenen Mundwinkeln und den dazu passenden Schlupflidern“) und Arnulf („schütteres Haar zu einem erbärmlichen Zopf gebunden, mit übergroßer Brille aus knallgelbem Plastik“), aber auch die Kollegin Jacqueline, die barfuss geht und in den Mittagspausen chantet, „vergleichbar mit einem defekten Vesparoller ohne Schalldämpfer – `Remngnangaremnremnremngnagnagremn…´“ oder Jockel, der überaus cholerische, kleine und pedantische Chef des Marktbereichs bei der AMÖG, der zuvor Lehrer an einer Behindertenschule war aber behauptet, es habe sich um eine Waldorfschule mit integriertem Zweig gehandelt. So geht es weiter, bis die Geschichte nach 160 Seiten mit Marcs Entlassung eine nicht wirklich überraschende Wendung nimmt und einem Happy-End zustrebt, wie man es in ähnlicher Form schon allzu oft gelesen hat.  Weitere Details würden jenen potentiellen Lesern, die auf leichte Unterhaltung aus sind, den Spass nehmen und das kann ja keiner wollen. Außerdem ist das Buch Bon Scott, Jim Morrison, Jimi Hendrix, Mama und Papa gewidmet und wer so etwas tut, kann ja kein schlechter Mensch sein. Im Gegenteil. Ne Du? Also, wenn Du dann mal 12 Euro übrig hast und Dir partout nichts besseres einfällt für den verregneten Sonntag-Nachmittag, dann hol´s Dir doch, das Buch. Und zwar hier:

Buchbesprechung: Wer´s glaubt, wird selig von Dieter Nuhr

Eine ziemlich lustige Abrechnung mit Esos, Ökos, Ignoranten, Dumpfbacken, religösen und anderen Fanatikern, gepaart mit einem ordentlichen Schuss Philosophie, gewürzt mit einigen Anleihen aus der Hirnforschung. Kein Wunder, dass mir dieses Buch gefällt, bestätigt es doch im Wesentlichen mein eigenes Weltbild. Oder sind es nur meine Vorurteile? Und wo ist der Unterschied? Gar nicht so einfach, einfache Antworten zu finden, wenn man sich einmal entschlossen hat, die graue Masse zwischen seinen Ohren zu nutzen.

Worum es geht und was der Leser davon hat, dieses Buch zu lesen, beschreibt Autor Dieter Nuhr folgendermaßen: „Mit diesem Buch haben Sie endlich einen Überblick. Es stellt dar, woran der Mensch glaubt, und warum er so bekloppt ist, den ganzen Krempel nicht gleich als Humbug zu erkennen.“ Von dem vielfach preisgekrönten (aber was heißt das schon?) Komiker und Philosophen Nuhr stammt der Ausspruch: „Wenn man keine Ahnung hat – einfach mal die Fresse halten.“ Diese Botschaft transportiert auch dieses Buch und obwohl das ziemlich arrogant klingt, so darf sich ein Schlaumensch wie Nuhr diesen Ratschlag wohl erlauben, zumal er es wie kaum ein Anderer es versteht, seine Angriffe gegen die grassierende Dummheit ausgesprochen lustig zu verpacken.

Dass Nuhr ein schlauer Mensch ist, hat ihm übrigens gerade der Mensa e.V. bestätigt: Dieser Verband der Hochbegabten verlieh dem Wortkünstler gerade den IQ-Preis 2008. Ein weiteres Indiz dafür, dass es sich lohnt, über Nuhr nicht nur zu schmunzeln, sondern auch ´mal nachzudenken, findet sich auf dessen Webseite. Sein Gästebuch musste der Arme nämlich schließen, weil – Zitat – „Da versammeln sich Nazis und alte Sozialisten aus der Stalinschule mit Emanzipationsgeschädigten und Verteidigern von Steinigungen und Auspeitschungen.“ Viel Feind, viel Ehr, würde ich sagen, aber ich schweife ab.

Zurück zum Buch, das sich dem Grundproblem widmet, dass Menschen auch den größten Unsinn glauben, weil sie so wenig wissen. Und woher weiß Nuhr, dass er nicht nur glaubt, wenn er behauptet, dass das 3:2 gegen England in Mexiko in der Verlängerung durch Gerd Müller erzielt wurde? Antwort: „Es handelt sich um eine in meinem Gehirn gespeicherte Geschichte, die dadurch zur Wahrheit wird, dass sie sich mit der Erinnerung anderer deckt“. Vielleicht denkt er aber nur, dass er denkt, könnte man da einwenden oder sich anderer philosophischer Spitzfindigkeiten bedienen. Gut so! Zwar weiß ich nicht, ob Nuhr tatsächlich vorsätzlich seine Leser dazu verführt, über den Sinn des Lebens nachzudenken, aber intelligente Menschen werden sich diesen schön verpackten Denkanstößen wohl kaum verweigern wollen. Ein weiterer Pluspunkt des leicht und schnell zu lesenden Büchleins ist Nuhrs Sammlung von originellen Reisefotos. Sie belegen, dass der Mann nicht nur im stillen Kämmerlein vor sich hin gebrütet hat, sondern tatsächlich in die große weite Welt hinaus gezogen ist, um sich eine Meinung zu bilden. „Die beste Bildung findet ein gescheiter Mensch auf Reisen“, hat Goethe dazu gesagt. Mag sein, aber bei Nuhr klingt das einfach eine Prise lustiger: „Nichts bringt die Relativität der menschlichen Geisteskraft so zum Leuchten wie Reisen. Man kommt nach Hause und weiß: Ich bin nicht der einzige Verrückte! Es gibt Milliarden!“