Top-Thema Nr. 4 – Kohlekraft schlimmer als Kernkraft?

Pro Jahr sterben annähernd 3100 Menschen an dem Feinstaub und den giftigen Abgasen, die deutsche Kohlekraftwerke in die Luft blasen. Mit dieser Schlussfolgerung aus einer selbst beauftragten Studie (Download als pdf-Datei hier) untermauerte Greenpeace die Forderung, ab dem Jahr 2040 keinen Strom mehr aus Kohle zu gewinnen. Weil Braunkohle besonders schmutzig ist, soll deren Nutzung spätestens im Jahr 2030 enden, obwohl Deutschland von diesem Rohstoff mehr fördert als jedes andere Land der Welt.

Energiemix in Deutschland - Kohle hat den größten Anteil (Tkarcher/Wikipedia CC-Lizenz)
Energiemix in Deutschland – Kohle hat nach wie vor den größten Anteil (Tkarcher/Wikipedia CC-Lizenz)

Diesem Vorschlag widersprachen unmittelbar Betroffene wie der Energiekonzern und Kraftwerksbetreiber Vattenfall, der die Studie als „grob irreführend“ bezeichnete, sowie der Interessenverband VGB Power Tech, der darauf hinwies, dass das Gesundheitsrisiko durch Feinstaub vornehmlich durch Abgase aus dem Verkehr und die Heizungen von Wohnhäusern verursacht würde.

Das Thema war nur kurz in den Schlagzeilen und taucht meines Erachtens zu Unrecht in keiner anderen Rangliste auf. Für meinen Kunden Medscape Deutschland habe ich diese Geschichte recherchiert (sie steht hier) und konnte dabei auch mit dem Studienleiter Professor Rainer Friedrich sprechen. Der stellte klar, dass er die politischen Forderungen  seines Auftraggebers Greenpeace nicht teilt – aber das ist für mich nur ein Teil der Story.

Die Zahlen selbst sind offenbar ziemlich solide, und Feinstaub ist in der Tat ein gefährliches Umweltgift. Friedrich bestätigte aber auch, dass sowohl unsere Autos, als auch unsere Wohnungen und Häuser ebenso wie die Landwirtschaft größere Mengen Feinstaub freisetzen, als die gescholtenen Kohlekraftwerke. Greenpeace lässt dies außen vor, denn die Forderung nach Verzicht auf´s Auto will keiner hören. Vergleicht man verschiedene Arten der Energieerzeugung und verweist auf die bessere Bilanz von Gaskraftwerken, Wind- und Solarkraft, so sollte man ehrlicherweise auch die Kernkraft erwähnen, die überhaupt keinen Feinstaub produziert. Dies aber wird von Greenpeace unterschlagen.

Ich erlaube mir die provokante Frage, wie viele Tote weniger wir in Deutschland hätten, wenn wir – so wie Frankreich – konsequent auf Atomkraft setzen würden. Wie viele Menschen sind bisher nachweislich durch französische oder deutsche Kernreaktoren gestorben? Meines Wissens niemand.

Selbst in Fukushima, wo die Japaner in seltener Dämlichkeit ihre Reaktoren in einem bekannten Erdbebengebiet errichtet hatten, wird es außerhalb des betroffenen Distrikts keinen merklichen Anstieg der Krebsraten geben, wie die WHO in einem Bericht festgestellt hat, den ich ebenso bei Medscape Deutschland referiert habe wie die Gegenposition des Verbandes atomkritischer Ärzte IPPNW. Die Antwort von Greenpeace ließ nicht lange auf sich warten: „Der WHO-Bericht spielt in schamloser Weise die Auswirkungen der frühen radioaktiven Emissionen auf die Menschen in der 20-Kilometer-Zone herunter, die die Gegend nicht schnell genug verlassen konnten“, sagte deren Atomkraftexpertin Rianne Teule. Das kann man glauben. Muss man aber nicht.

Alle Top-Themen der Wissenschaft 2013:

  1. Gene im Rampenlicht
  2. Gefährlicher Streifschuss
  3. Der stärkste Sturm?
  4. Kohlekraft schlimmer als Atomkraft?
  5. Immuntherapie gegen Krebs
  6. Erbgut vom Frühmenschen
  7. Der Preis des Frackings
  8. Hirnchen, Nierchen, Leberlein…
  9. Drohnen im Anflug
  10. Blick unter die Schädeldecke
  11. Spüli im Gehirn
  12. Ernie und Bert am Südpol gefangen

Top-Thema Nr. 7 – Die Kehrseite des Frackings

Energie zum Billigtarif bescherte die Methode des Fracking vor allem den Bewohnern der USA. Binnen weniger Jahre sanken die Preise für Öl und Gas rapide, die Nation wurde vom Netto-Importeur zum Exporteur fossiler Rohstoffe. So erfreulich diese Entwicklung für die Wirtschaft des Landes auch ist, ohne Nebenwirkungen ist das Fracking offenbar nicht zu haben: Erst nachdem Öl- und Gas-führende Schichten mit einem Wasser-Chemikaliengemisch erschlossen wurden, machte man sich Gedanken über die Entsorgung der Bohrflüssigkeit.

Beim Fracking werden Gas und Öl mit Chemikalien freigesetzt, die man in den Boden pumpt (Foto: Joshua Dubek, Wikipedia CC-Lizenz)
Beim Fracking werden Gas und Öl mit Chemikalien freigesetzt, die man in den Boden pumpt (Foto: Joshua Dubek, Wikipedia CC-Lizenz)

Etwa neun Milliarden Liter täglich fallen beim Fracking an. Sie einfach in den Boden zurück zu pumpen kann offenbar Erdbeben hervor rufen, außerdem besteht die Gefahr, dass Grundwasser verseucht wird. Der Bundesstaat New York, aber auch Frankreich und Südafrika haben deshalb bereits ein Moratorium gegen das Fracking verhängt; in Deutschland hat die Debatte gerade erst begonnen. Lesen Sie mehr dazu in diesem Zeit-Artikel der Kollegen Christian Tenbrock und Fritz Vorholz.

 

 

Alle Top-Themen der Wissenschaft 2013:

  1. Gene im Rampenlicht
  2. Gefährlicher Streifschuss
  3. Der stärkste Sturm?
  4. Kohlekraft schlimmer als Atomkraft?
  5. Immuntherapie gegen Krebs
  6. Erbgut vom Frühmenschen
  7. Der Preis des Frackings
  8. Hirnchen, Nierchen, Leberlein…
  9. Drohnen im Anflug
  10. Blick unter die Schädeldecke
  11. Spüli im Gehirn
  12. Ernie und Bert am Südpol gefangen

Vogelgesang für Fortgeschrittene

Habe gerade ein unglaubliches Video entdeckt, das der britische Tierfilmer Sir Richard Attenborough im Auftrag der BBC erstellt hat. Es zeigt einen Graurücken-Leierschwanz (Menura novaehollandiae), einen Singvogel der im östlichen Australien und auf Tasmanien vorkommt und der wie kein anderer Stimmen und Geräusche imitieren kann. Dabei gibt der Piepmatz nicht nur den Gesang Dutzender anderer Vogelarten wieder, sondern auch das Klicken von Kameras oder auch mal das Heulen einer Motorsäge – eben einfach alles, was er in seiner Umgebung so aufschnappt.

Und da ich erstens ein großer Attenborough-Fan bin, zweitens ein Vogelfreund und drittens denke, dass dies auch Euch faszinieren wird, habe ich das Video aus YouTube eingebunden:

Sorry wegen der Werbung im Video – da habe ich keinen Einfluss ´drauf und schlage vor, dass ihr sie einfach wegklickt.  Mehr über Attenborough und dessen Werke habe ich übrigens in einem Beitrag über einen anderen abgefahrenen Vogel geschrieben, den Glatzkopf- Bülbül.

Neue Vogelart entdeckt: Der glatzköpfige Bülbül

Erst wusste ich nicht so recht, ob ich diese Meldung auf meinem Blog aufgreifen sollte. Andererseits gibt es eine Entdeckung zu vermelden (siehe Untertitel), ich bin ein Vogelfreund, freue mich immer wieder an der Vielfalt der Natur im Allgemeinen und an neu entdeckten Arten im Besonderen. Und dann sieht dieser Piepmatz auch noch ziemlich lustig aus und hat ebenso wie ich kaum noch Haare auf dem Kopf. Dass der Glatzkopf zur Familie der Bülbüls gehört, die auch Haarvögel genannt werden, passt wie die Faust auf´s Auge, also gebe ich hier wieder, was die englischsprachige Pressemitteilung der Wildlife Conservation Society hergibt:

Entdeckt wurde die neue Vogelart von Forschern eben dieser Wildlife Conservation Society (WCS) und der Universität Melbourne in einer selten besuchten, kargen Waldregion in Laos.  Es sei der einzige kahle Singvogel auf dem gesamten asiatischen Kontinent, so die WCS. „Diese Entdeckung macht wieder einmal deutlich, wie viel es noch auf der ganzen Welt zu lernen gibt“, freute sich der WCS-Direktor für Asien,  Colin Poole. Der etwa Amsel-große Vogel hat ein grünlich-olives Gefieder und eine hell gefärbte Brust, ein charakteristisches federloses pinkfarbenes Gesicht, und um die Augen eine blau gefärbte Haut, sowie auf dem Scheitel eine schmale Linie haarähnlicher Federn. „Trotz seiner auffälligen Verhaltensweise und Rufe ist dieser Vogel unbemerkt geblieben, weil er in einer für Menschen wenig reizvollen Umgebung lebt“, vermutet Mitentdecker Iain Woxvold von der Universität Melbourne.

Noch hat das Tier keinen offiziellen wissenschaftlichen Namen, doch die vorläufige englische Bezeichnung könnte man mit „Kahlgesichtiger Bülbül“ übersetzen. Ich fände Glatzkopf-Bülbül aber viel passender. Also wenn dies einer jener deutschen Ornithologen lesen sollte, die bei der Namensgebung mit entscheiden dürfen, bitte ich hiermit um Beachtung meines Vorschlages.

Achtung Werbung! Wenn Sie bis zu dieser Stelle gelesen haben, gehe ich davon aus, dass auch Sie sich für Vögel interessieren und möchte Ihnen deshalb die folgenden Bücher und Filme empfehlen:

Unter vielen der Beste: Der Kosmos Vogelführer ist das einzige Buch, das Sie brauchen, um sämtliche bei uns vorkommenden Piepmätze zu bestimmen und außerdem alle Arten, die beim Urlaub in Europa, Nordafrika und Vorderasien an Ihnen vorbeifliegen, -wackeln oder -schwimmen könnten. 758 Arten auf 400 Seiten, mit mehreren Tausend Zeichnungen plus Verbreitungskarten ist dieser Schmöker die „Bibel aller Birder“, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu Recht urteilte.

Wo fliegen sie denn? Wer sich nicht damit begnügen mag, Vögel am winterlichen Futterhäuschen, am Ententeich im Park oder hinter Draht im Zoo zu beobachten, wird begeistert sein von der Kosmos Naturführer-Reihe „Vögel beobachten in…“. Ich habe mich von Christoph Moning und Christian Wagner mit „Vögel beobachten in Süddeutschland“ dazu verführen lassen, einige der „besten Beobachtungsgebiete zwischen Mosel und Watzmann“ aufzusuchen. In übersichtlichen Karten sind nicht nur Anfahrtswege und Parkmöglichkeiten dargestellt, sondern auch Rundgänge und Wanderungen mit exakten Markierung für jene Stellen, an denen es beispielsweise Eisvögel oder Neuntöter, Blaukelchen oder Beutelmeisen zu sehen gibt. Wer das Pech hat, nicht in Süddeutschland zu wohnen, braucht nicht traurig zu sein: Das Konzept war offensichtlich so erfolgreich, dass in kurzer Folge auch Bücher für den Rest von Deutschland vorgelegt wurden, nämlich „Vögel beobachten in Nordeutschland: Die besten Beobachtungsgebiete zwischen Sylt und Niederrhein“ und  „Vögel beobachten in Ostdeutschland: Die besten Beobachtungsgebiete zwischen Rügen und Thüringer Wald

Geadelt für seine Naturfilme: Sir David Attenborough (Foto: www.wildscreen.org, (c) 2003)
Geadelt für seine Naturfilme: Sir David Attenborough (Foto: www.wildscreen.org, (c) 2003)

Eigentlich wollte ich hier ja nur über den Glatzköpfigen Bülbül erzählen. Aber nachdem Sie mir nun schon so weit gefolgt sind, schreibe ich einfach weiter und lobe noch einen Menschen über den grünen Klee, der die für mich eindrucksvollste Doku-Serie über die Vogelwelt produziert hat: Was für die Deutschen Bernhard Grzimek ist der geadelte Tierfilmer Sir David Attenborough für Großbritannien und darüber hinaus.

Mit seinen unnachahmlichen, gleichermaßen liebenswerten wie lehrreichen Moderationen zu Filmaufnahmen auf höchstem technischen Niveau hat der mittlerweile 90-jährige sich eine riesige Fangemeinde erobert. Die schlechte Nachricht ist, dass Attenboroughs Werke in Deutschland (und auf deutsch) nur zum Teil erhältlich sind und dann oft nur zu überhöhten Preisen. So kostet das deutsche DVD-Set zur BBC-Reihe „Das geheime Leben der Vögel“ stolze 116 Euro. Nicht viel besser sieht es mit den Büchern zur Serie aus. „Das geheime Leben der Vögel“ wird wohl nicht mehr gedruckt und muss ebenso wie das englische Original „The Life of Birds“ z.B. bei Amazon indirekt über Zweitanbieter erworben werden.

Mein Tipp lautet daher 1. Abwarten und die TV-Zeitschrift studieren, bis einer unserer Staatssender sich bequemt, neben den Unmengen von Gebühren-finanziertem Müll auch Attenboroughs Vogel-Serie zu wiederholen. Dann mitschneiden und aufheben für einen schönen, lehrreichen und unterhaltsamen Familienabend. Und der zweite Tipp: Da es noch jede Menge andere Bücher und Filme (als DVDs) von David Attenborough gibt, suchen Sie sich diejenigen aus, die zu fairen Preisen angeboten werden. Meine Favoriten sind die DVD-Box „Verborgene Welten – Das geheime Leben der Insekten“ und das Buch „Das geheime Leben der Pflanzen„. Der dritte Tipp lautet: Lernen Sie englisch und genießen Sie Attenborough im Original. Oder umgekehrt: Genießen Sie Attenborough im Original und lernen Sie dabei englisch. Am besten und – im Vergleich zu den obigen Angeboten – auch noch äußerst preiswert geht das mit: „David Attenborough: The Life Collection„. Die von der BBC veröffentlichte Sammlung von Meilensteinen des Naturfilms umfasst auf 24 DVDs acht von neun „Life“-Serien Attenboroughs, nämlich Life on Earth (1979), The Living Planet (1984), The Trials of Life (1990), Life in the Freezer (1993), The Private Life of Plants (1995), The Life of Birds (1998), The Life of Mammals (2002) und Life in the Undergrowth (2005). Es fehlt lediglich die jüngste Produktion „Live In Cold Blood“ über Amphibien und Reptilien und die ist – sorry Sir David – zwar ebenfalls gut, aber für mich längst nicht so toll wie die Vögel-, Pflanzen- und Insektenserie.