Sardinien – La Maddalena

Die Insel La Maddalena und der gleichnamige Nationalpark bilden den Schwerpunkt dieses Beitrages. Bis ich dort ankomme, bitte ich noch um einige Zeilen Geduld, dafür gibt es dann auch ein oder zwei kleinere Zugaben.

Den letzten Abschnitt meiner Reise habe ich in San Teodoro begonnen, wo ich an der Pescheria einen zweiten Anlauf zur Vogelbeobachtung gemacht habe. Im Gegensatz zum gestrigen Feiertag ist der Ort heute verlassen und ich finde einen kurzen, aber sehr schönen Rundwanderweg, den ich gestern übersehen hatte. Er führt abwechselnd ans Wasser der Lagune und durch die Machia, und ist auch mit diversen Hinweisschildern versehen. Das auffällige Gepiepe in der Nähe kommt laut meiner Bestimmungs-App „Merlin“ von Bienenfressern, doch leider bekomme ich diese farbenprächtigen Vögel einfach nicht zu sehen.

Nun geht es – wiederum inspiriert von einem Tourenvorschlag aus Baedekers „Sardinien“ – an die Nordküste. Auch hier liegt auf dem Weg weitgehend schöne Landschaft, und hinter dem Industrieort Tempio Pausania wird es sogar sehr schön. Die Isola Rossa ist – anders als der Name nahelegt – keine Insel, sondern ein Küstenort, umgeben von ziemlich rotem Gestein. Von der oberhalb laufenden Küstenstraße sieht Isola Rossa ein bisschen schöner aus, als mitten drin. Geschätzt die Hälfte der Läden ist geschlossen und es wird viel gebaut – aber sei´s drum. Ich nehme ein „Touristenmenü“ mit Blick aufs Wasser und bekomme die Primi und Secundi auf dem gleichen Teller serviert. Ein weiterer hervorragender Weißwein versöhnt mich mit dieser Schludrigkeit, und nachdem ich mir das erste Schloz-Eis dieser Reise gegönnt habe, geht es weiter zum Capo Testa.

Auf dieser Halbinsel gibt es fantastische Formationen von Granitfelsen, die man auf einigen kurzen Wegen umwandern kann. Dazu kommt der Blick auf das blaue Meer und einige kleine Buchten, deren glasklares Wasser in allerlei Farbtönen schillert. Wirklich schön, aber schon zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison für meinen Geschmack zu viele Leute.

Die restlichen 45 Minuten Fahrt bringen mich zu der Feriensiedlung „Costa Serena Village“, die mich mit ihren günstigen Preisen (2 Tage in einem Appartement mit Küche und Balkon für € 89) gelockt hat, und eine gute Ausgangslage für meine morgen geplante Exkursion aus die Insel La Maddalena bietet. Die Anlage ist ziemlich verlassen, die Restaurants und der Shop sind geschlossen, aber ich finde Trost im funktionierenden W-LAN.

Am nächsten Morgen verschiebe ich das Frühstück bis zu dem netten Örtchen Palau, das ich in nur wenigen Autominuten mit schönen Aussichten erreiche.  Wegen der benachbarten Hauptattraktion des Archipels und Nationalparks La Maddalena steht Palau nicht ganz so sehr im Rampenlicht. Ich finde ein nettes Kaffee, spaziere über den Markt, probiere ein paar Hüte aus, löse schnell und problemlos ein Ticket und fahre dann mit meinem Fiat 500 auf die Fähre. Für die einfache Fahrt, die kaum eine Viertelstunde dauert, kassiert man 18,50 Euro. Ich denke daran, dass einer der ersten Milliardäre der Reeder Onassis war, und vermute, dass man mit einem Fährbetrieb immer noch reich werden kann, wenn man sich erst einmal eine Verbindung gesichert hat.

Den Abstecher in die Stadt La Maddalena verschiebe ich auf später am Tag und fahre gleich weiter auf die durch einen 600 Meter langen Damm verbundene Isola Caprera. Hier hatte sich der alte Haudegen und italienische „Kriegsheld“ Giuseppe Garibaldi seinen Alterssitz genommen. Dessen illustre Geschichte und zahlreiche Errungenschaften mag man der Wikipedia oder dem Reiseführer entnehmen. Ich habe Garibaldis Museum schlicht links liegen gelassen und bin soweit nach Norden gefahren, wie die Straße es zuließ. Hauptsächlich bin ich nämlich wegen der Natur hier, im zweiten der drei Nationalparks Sardiniens, die ich besuche.

Hier gibt es zahlreiche, relativ kurze Wanderwege, die zu kleinen Buchten führen oder auf die nahe liegenden Hügel, von wo man die fantastische Inselwelt inmitten des blauen Meeres bestaunen kann. Ich gebe zu, dass ich schon auf der ganzen Reise sehr angenehm überrascht bin, von den offenbar sehr sauberen Gewässern hier. Aber als ich die Cala Crucitta erreiche, bin ich von deren Schönheit wirklich begeistert.

Das kommt sofort auf Facebook.  Und da ich den Strand für mich habe, und mir einfach danach ist, mache ich mich nackig und steige ins kalte Wasser. Na ja. Ganz so kalt ist es auch wieder nicht, weil das Wasser an diesen kleinen flachen Buchten sich schneller erwärmt, als an den langen Sandstränden am offenen Meer . Jedenfalls war das eine tolle Erfrischung und ich wieder einmal froh, die richtige Jahreszeit gewählt zu haben. Beim Wiederaufstieg zum Auto hätte ich bei 30 Grad Hitze oder mehr sicher enorm gelitten. 

Vor der Rückfahrt mit der Fähre werfe ich dann noch ein kurzer Blick auf La Maddalena selbst – eine weitere von vielen schönen Städten auf Sardinien. In einer angesagten Bar („Vitello“) bestelle ich ein unfiltriertes Bier, bekomme aber ein Normales. Ich will nicht kleinlich sein, trinke ein paar Schlucke, und bekomme dann vom Wirt ohne weiteres Zutun die Flasche ausgetauscht. Grazie mille. Eine nette Geste, am Ende eines weiteren schönen Tages auf der Insel, mit Sonne, Wasser und tollen Aussichten. 

Auf der Heimfahrt kaufe ich in einem Supermarkt noch ein bisschen Proviant für den Abend, fahre zu meiner Ferienanlage und sehe dort zu meiner Freude ca. 60 Bienenfresser auf einer Stromleitung sitzen. Nun habe ich die also auch gesehen, und nicht nur gehört, wodurch ich auf 56 Arten in Sardinien komme. Eine ziemlich gute Bilanz für neun Tage, finde ich. 

Nach einer letzten Übernachtung verläuft die Rückfahrt zum Flughafen genauso reibungslos, wie die ganze Reise. Da ich den Tank nicht ganz leergefahren habe, und ermahnt wurde, entweder Voll oder Leer zurückzugeben, tanke ich nochmals für € 1,87 / Liter bleifreien Sprit. Der Preis ist also ähnlich hoch wie daheim. Die Rückgabe des Autos erfolgt ganz nah am Terminal und geht blitzschnell. Der Flug mit EasyJet zum Euro-Airport nach Basel hat zwar gut 20 Minuten Verspätung und ich zahle mit € 80 das Vierfache des Hinfluges.  Aber die Crew ist gut gelaunt und mit dem Sitzplatz habe ich auch wieder Glück, denn ich habe auf den Vorab-Kauf verzichtet, und trotzdem einen am Fenster gekriegt. Von oben sehe ich nochmals die ultramarin- und türkisblauen Farben des Wassers, und – schwupp sind wir über den Wolken. 

Trotz der Verspätung erreiche ich am Flughafen in Basel punktgenau den Verbindungsbus zum Bahnhof, alle anderen Reisenden hinter mir lassend. Möglich machen dies mein kleines Gepäck und mein hohes Tempo. Und wieder einmal frage ich mich, wie all diese Trödler und Im-Weg-Rumsteher es schaffen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dass ich schon fast wieder in Deutschland bin, merke ich am Schweizer Bahnhof in Basel. Dort zeigt die Anzeigetafel nämlich an, dass sämtliche Intercitys in Richtung Deutschland ausgefallen sind. Ich bin nicht überrascht.

Als Alternative wird ein Umweg mit der S-Bahn empfohlen, doch zum Glück gibt es da diesen freundlich-kompetenten Beamten der Schweizer Bundesbahn. Der verrät mir, dass ich auch den nebenan stehenden Regionalzug der Deutschen Bahn nach Basel Badischer Bahnhof nehmen könnte, und dann dort umsteigen, wodurch ich keine Extrakosten durch die Schweizer Straßenbahn hätte. Guter Mann. Wäre ich nicht so flott aus dem Flughafen gekommen, so hätte ich diesen Anschluss wohl verpasst. So hocke ich ´drin bis Freiburg, steige noch einmal um, und bin am Nachmittag zurück in Offenburg.

Kurzbilanz der Reise: Alles richtig gemacht, die Zeit optimal genutzt mit vergleichsweise wenig Geld. In der Vorsaison ist Sardinien eine absolute Empfehlung. Und wenn ich wieder einen Schnäppchenflug erwische, komme ich vielleicht sogar im Spätherbst wieder – wenn das Wasser noch warm ist und die meisten Touris wieder weg sind.

Sardinien – Nationalpark Gennargentu

Da ich seit gestern nicht mehr mit Bus und Bahn unterwegs bin, sondern einen Mietwagen habe, sind nun mehr Ziele in kürzerer Zeit zu erreichen. Und in Baedekers empfehlenswertem Sardinien-Reiseführer finde ich einen Tourenvorschlag südlich von San Teodoro, der mit 190 Kilometern Länge an einem Tag zu bewältigen sein sollte. Noch etwas weiter südlich liegen die  Traumstrände Cala Goloritze und Cala Mariolu, die bei den Most Travelled People weltweit unter den Top 150 rangieren. Das habe ich mir jedoch aus dem Kopf geschlagen. Der Grund dafür sind hauptsächlich die Besprechungen bei Google Maps, aus denen hervorgeht, dass beide Strände  zwar tatsächlich wunderschön sind, aber eben auch ziemlich überlaufen und nur mit länglich-schwierigen Wanderungen bzw. in der Saison auf einer Bootstour zu erreichen.

Ganz anders sieht es in Posada aus, ein schönes Bergdorf mit 3000 Einwohnern und mein erster Stopp für heute. Ich bin offenbar der einzige Tourist hier.  Obwohl  ich noch nicht gefrühstückt habe, lasse mich von den lärmenden Reggae-Klängen der einzigen offenen Trattoria im Dorfkern nicht einfangen. Stattdessen streife ich durch die Gassen am steilen Hang. Die sind tatsächlich an manchen Stellen so eng, dass keine zwei Leute nebeneinander laufen können. Der Aufstieg zur Burgruine ist verschlossen, was ich mit einer gewissen Erleichterung zur Kenntnis nehme. Sonst hätte ich ja auf leeren Magen da auch noch hinaufkraxeln müssen! Auf dem Rückweg bin ich der einzige Kunde in der feinen Konditorei Bacciu, wähle drei Kekse und ein mit Limonenpudding gefülltes Croissant aus, und fahre weiter die Küste entlang nach Süden.

In Orosei fahre ich direkt zur Marina, und sitze eine halbe Stunde an einem weiteren Traumstrand. Obwohl… Man ist ja nun das Besondere gewohnt. Und dieser hier hat im Vergleich zu San Teodoro einen fast schon grob gekörnten Sand. Der umschmeichelt die Füße längst nicht so wie der Vorgänger und kriegt daher Punktabzug. Nebenan stehen zwei deutsche Motorradfahrer, die sich ihrer Klamotten weitestgehend entledigt haben, und von denen der eine sogar recht ausgiebig schwimmen geht. Respekt, sage ich mir, und fahre gegen Mittag weiter.

Ein Blick auf die Uhr und ein weiterer auf die Karte bedeuten mir, dass ich mir ein wenig sputen muss, wenn ich meine geplante Wanderung heute noch in Angriff nehmen will. Unversehens finde ich mich auf dem Weg dorthin in dem „Banditendorf“ Orgosolo wieder, das der Legende nach aus den Nachkommen lauter Widerspenstiger und Gesetzloser besteht.

Berühmt ist das Dorf durch seine -zig Wandgemälde, auf denen die eigene Geschichte glorifiziert und alle anderen als dumme Aggressoren dargestellt werden. Das Ganze lässt sich natürlich prima an die zahlreichen Touristen verkaufen. Ich erinnere mich daran, dass es stets die Sieger sind, die Geschichte schreiben. Und heute vielleicht auch die, mit der besseren Pressearbeit. Würde ja gerne wissen, wie das wirklich gewesen ist. Vielleicht hat nur mal einer keinen Bock gehabt, seine Steuern zu zahlen. Dann ist es eskaliert, die Wutbürger von Orgosolo haben sich durchgesetzt, fleißig an ihrer Legende gestrickt und diese später auch noch erfolgreich „monetarisiert“.

Wie dem auch sei, flüchte ich vor den Klischees und der Hitze in einen sardischen Fast-Food-Laden, wo ich geduldig auf meine Panini mit Hackfleischfüllung warte, die ich mit einem Bier hinunter spüle. Dann geht es gleich weiter und so schaffe ich es auch noch in den Nationalpark Gennargentu, einen von drei auf der Insel. Mit vollem Namen heißt er „Parco Nazionale del Golfo di Orosei e del Gennargentu“, und dies weist schon darauf hin, dass der Park mit seinen 74000 Hektar von der Küste bis zu den höchsten Gipfeln der Insel reicht.

Nun habe ich die Gelegenheit, endlich mal wieder eine der tausenden von Wanderungen zu absolvieren, die in meinen diversen Büchlein empfohlen werden. Um genau zu sein, ist es die Wanderung Nr. 51 aus dem Jubiläumsband 100 Sonnenziele Mittelmeer und Atlantik des Rother Bergverlag. Es waren zwar nur knapp 10 Kilometer, aber die haben mir immerhin eine tolle Aussicht vom Novo Monte San Giovanni beschert, außerdem die Sichtung eines Steinadlers, und des hier angeblich endemischen Korsenzeisigs. Unterwegs habe ich auch ein freilaufendes Pferd und mehrere Esel gesehen, und knapp unterm Gipfel ein paar Felsbrocken, die mich an die sächsische Schweiz erinnert haben. Die Strecke selbst war bis kurz vorm Ziel aber eher langweilig, weil es sich doch überwiegend um breite Forststraßen handelte.
 
Die Heimfahrt war dann recht flott und zum Teil auf der Autobahn mit bis zu (erlaubten) 110 Sachen. Das übliche Dinner for One heute in der Trattoria Don Giovanni in San Teodore. Es gab einen hervorragenden Schwertfisch und ein Krüglein vorzüglichen, kalten Weißwein dazu. Ein verdammt guter Tag also, getrübt lediglich dadurch, dass ich zurück in meiner Unterkunft den zweiten Tag kein ordentliches W-LAN hatte, und meine Arbeit liegengeblieben ist.
 

Sardinien – San Teodoro

1 x Bus, 2 x Bahn, 1 x Bus, und dann der gestern gebuchte Mietwagen. So gedenke ich, heute von Alghero nach San Teodoro zu gelangen. Am 6. Tag meiner Reise hat erstmals ein Verkehrsmittel Verspätung. Ich bin in Sassari, und es sind eigentlich nur knapp zehn Minuten, aber zwischen Bus und Bahnhof liegt ein knapper Kilometer und die Umsteigezeit ist ohnehin schon knapp bemessen. Jetzt zeigt sich wieder einmal der Vorteil des Reisens mit kleinem Gepäck, denn drei andere Leute, die ebenfalls zum Bahnhof wollen, lasse ich locker hinter mir. Und wenn ich es recht gesehen habe, haben sie allesamt den Anschluss verpasst.

Ich dagegen genieße die Fahrt mit einer Art Interregio, die durch eine  grüne, hügelige Landschaft mit vielen Eichen- und Olivenbäumen führt. Hier ist es zwar nicht mehr ganz so blüten-bunt wie auf den vorherigen Reiseabschnitten, aber schön anzusehen ist Sardinien eigentlich überall. Beim kleinen Ort Ozieri gabelt sich die Bahnstrecke, und ich steige um in einen äußerlich ziemlich ramponierten, aber sauberen Lokalzug mit lediglich zwei Waggons, der mich nach Olbia bringt. Nach der Beschreibung im Reiseführer des Michael Müller-Verlags bekommt eine Besichtigung keine Priorität und ich steige in einen weiteren Bus, der mich gegen Mittag am Flughafen absetzt.

Hier habe ich gestern Abend für ca. 23 Euro / Tag einen Kleinstwagen gemietet. Es ist – mal wieder – ein Fiat 500. Und wie es beim Autoverleih so üblich ist, versucht die Dame bei der Firma Maggiore mir gleich noch diverse Zusatzversicherungen aufzuschwätzen, die erfahrungsgemäß mehr kosten würden als die Miete selbst, und die ich wie immer ablehne. Sonst läuft aber alles reibungslos, und im Nachhinein stelle ich fest, dass auch die hier angebotene Tankregelung sehr fair ist: Falls ich das Auto mit leerem Tank zurückgebe, müsste ich dafür 66 Euro mehr zahlen – und dieser Literpreis wäre tatsächlich nicht höher gewesen, als beim Selbertanken.

Noch vom Flughafen aus habe ich nach kurzer Überlegung eine Unterkunft in San Teodore gebucht, für zwei Nächte á 50 Euro. Viel billiger wird es hier nicht, und natürlich zahle ich wieder einmal drauf, weil ich als Single unterwegs bin. Es ist ein Luxus, den ich mir leiste. Zwar fühlt es sich manchmal blöd an, beim Essen alleine zu sitzen, aber das ist eben der Preis. Natürlich hatte ich auch schon sehr angenehme Reisegefährtinnen. Aber jederzeit tun und lassen was man will, die Richtung ändern, länger bleiben oder früher abreisen – all diese Privilegien hat man in der Gemeinschaft eben nicht. Und manchmal, wenn ich alleine durch die Landschaft laufe, tun mir jene Pärchen und Grüppchen wirklich leid, die im Dauergespräch vertieft den Moment verpassen und/oder auf Gedeih und Verderb für die Dauer der Reise aneinander gebunden sind.

Das wäre doch wirklich ein Jammer. Stellt Euch vor, ihr findet einen derart schönen Strand, wie ich heute in San Teodore: Die Spiaggia La Cinta liegt auf einer ca. drei Kilometer langen Landzunge, ist breit, weiß und feinsandig und hat um diese Jahreszeit nur wenige Dutzend Besucher. Im Hintergrund liegt ein spektakulärer Felsklotz.  Aber das größte Spektakel bietet das Wasser, das in Dutzenden Farbtönen von dunkelblau über leuchtendes Türkis bis zu glasklarer Transparenz unter der Sonne changiert. Darüber ein blauer Himmel mit Weißtüpfelwolken, und mit ein paar Möwen und ein paar Seeschwalben ist die Szenerie perfekt.

Ja, und nun stellt Euch vor, ihr könntet das nicht auskosten. Dürftet nicht so lange bleiben, wie ihr wollt, und müsstet wegen irgendwelcher Befindlichkeiten der Begleitperson(en) gleich wieder weg – das wäre doch furchtbar. Derweil beobachte ich zwei menschliche Eistaucher die sich ins seichte Wasser wagen. Für Normalos wie mich war es jetzt (Ende April) am offenen Meer noch viel zu kalt zum Baden. Vielleicht sollte ich Ende Oktober nochmals herkommen, wenn die Sonne diese Badewanne namens Mittelmeer aufgeheizt hat, und die Touri-Saison sich zu Ende neigt? Schauen wir mal. Jetzt wird – s.o. – erst der Moment genossen. Die Füße bedanken sich für den langen Strandspaziergang, und als Zugabe kriegt die Haut ein Peeling  von den Sandkörnern, die der kräftige Wind von den Dünen nebenan herbeifegt. Schließlich noch das Bier in der Strandbar, und da war er: Der perfekte Tag am Meer.

Kaum zu glauben, doch scheint es auf Sardinien mindestens drei weitere Strände zu geben, die selbst die schöne Spiaggia La Cinta noch toppen. Das sagen zumindest die „Most Travelled People“ auf ihrer Webseite, wo sie unter anderem ihre weltweit 150 Top-Strände gelistet haben. In Sardinien gehören dazu La Pelosa am End des Nordwestlichen Zipfels, sowie die gut 140 Kilometer südlich meines Standortes gelegenen Cala Goloritze und Cala Mariolu. Ich gebe es zu: Es reizt mich ziemlich, den weiten Weg morgen zu fahren und zu schauen, ob die tatsächlich besser sind als La Cinta.

Für heute habe ich jedoch genug gesehen. Beim Versuch, abends noch ein bisschen zu arbeiten, scheitere ich an der miserablen Internet-Verbindung in meinem Domizil „Quaddrifoglio“, gebe schließlich auf, und lege mich ins Bett.

Sardinien – Alghero

Von Oristano geht es heute mit zwei Bussen nach Alghero. Der erste fährt bis nach Bosa, und da die Busse hier nicht so eindeutig gekennzeichnet sind (oder andere Nummern haben, als in der App), halte ich der Reihe nach drei von ihnen an, um nach dem Weg zu fragen. Schließlich habe ich den Richtigen, und genieße die Fahrt, die teils wunderschön am Meer entlang führt, und dann wieder in Bergdörfer, über denen große Kirchen thronen. Besonders an der Küste sind jede Menge Motorradfahrer unterwegs, deren Überholmanöver darauf hindeuten, dass sie lebensmüde sind. Hier und da sehe ich interessante Wandmalereien. Mehrfach zeigen sie kostümierte Gestalten mit Fell, Kuhglocken und Büffelmasken, die auch ganz gut auf unsere Fasent passen könnten.

Dann steigt ein Rudel Jugendlicher ein, und wiederum erscheinen sie mir relativ wohlerzogen im Vergleich zu jenen daheim. Alle Mädchen tragen ihre Haare lang, alle Jungs die Frisuren kurz. Ansonsten daddeln sie natürlich an den Handys oder schauen in die Schminkspiegel.

Umsteigestation ist ein Ort namens Bosa, der aus der Ferne mit einer Burg imponiert, unter der sich jede Menge kleine bunte Häuser drängen. Die knappe halbe Stunde nutze ich für ein Eis und einen Cappuccino, dann wundere ich mich, wo denn der Bus bleibt.

Laut Google ist er vor 3 Minuten abgefahren, und der nächste geht morgen früh um Fünf. Ich habe ein Deja-Vu. Und da die verbleibenden 50 Kilometer zu Fuß doch ein bisschen weit sind, sehe ich mich schon gezwungen, mein Glück als Anhalter zu versuchen. Da fahren, erkenntlich an ihren Uniformen, drei Angestellte der Busgesellschaft ARST vorbei, und rufen mir irgendetwas zu. Ich verstehe zwar nichts, antworte jedoch mit „Si“ und erhalte die erfreuliche Nachricht, dass der Bus gleich hinter ihnen kommen wird. Was er auch tut. Ich verarbeite die Schreckminute, und obwohl ich in dem ziemlich vollen Bus nur einen Platz hinter der schmutzigsten aller Scheiben kriege, genieße ich doch die tolle Aussicht auf die Küste.

Am frühen Abend erreichen wir mit Alghero eine der 12 Zwei-Sterne-Sehenswürdigkeiten in meinem Baedeker-Reiseführer (3-Sterne hat kein einziger Inselort geschafft, und das ist wohl auch ziemlich ehrlich). Das spanische Erbe Sardiniens sei hier am besten zu sehen, erfahre ich. Als Laie kann ich das nicht erkennen, aber es gibt eine schöne Altstadt mit hohen Gassen, vielen Läden und Restaurants und noch mehr Eisdielen für die zahlreichen Touristen. Zum Meer hin bietet Alghero eine ebenso hohe wie breite Stadtmauer, auf der man schön promenieren kann. Der Sonnenuntergang macht natürlich ein tolles Licht, und die alten Kanonen und nachgebauten Katapulte, die hier oben stehen, tragen zu der Atmosphäre bei.

Mein Zimmer liegt mitten in der Altstadt und das Palau de Rosa hat zwar nur ein Fenster auf die Gasse, durch das der Fischgeruch vom Restaurant darunter dringt, ist aber sonst geschmackvoll eingerichtet und hat – immer ein Pluspunkt für mich – eine Kaffeemaschine. Nachdem offenbar jede angesagte, preiswerte Pizzeria aus meinen beiden Reiseführern voll belegt ist, suche ich mir eine Alternative, gehe früh heim und buche von dort den Rückflug.

Am morgigen Feiertag („Tag der Befreiung“) wollte ich eigentlich zum Strand von Pelosa zu fahren. Der liegt am Ende des nordwestlichen Landzipfels. Laut einem Ranking der „Most Travelled People“ zählt La Pelosa zusammen mit zwei weiteren auf der Ostseite der Insel zu den 150 schönsten Stränden der Welt. Natürlich hätte es mich gejuckt, alle drei auf dieser Reise mitzunehmen und abzuhaken. Doch ich entscheide mich gegen die Hetze, zeige Mut zur Lücke und muss auch noch ein wenig arbeiten.  In dem guten Gefühl, hier in Alghero alles „Wichtige“ gesehen zu haben, beschließe ich, am nächsten Tag nach Olbia zu fahren. Dort werde ich auf einen Mietwagen umsteigen, um für die letzten vier Tage flexibel zu sein, und noch ein paar Eindrücke zu sammeln.

Sardinien – Oristano

Das Frühstück in der Central Bar in Barumini fällt italienisch-spärlich aus: Ein Cappuccino und dazu ein mit Marmelade gefülltes Croissant. Dann wird gepackt und ausgecheckt und ich hocke mich auf eine Steinbank auf der Piazza gegenüber.

Zum Glück reicht das W-LAN vom Hotel bis hier rüber, sodass ich nicht nur die Aufzeichnung des gestrigen Tages vollenden kann, sondern auch meine Mails am Laptop checken. Das Ganze dauert gut 2,5 Stunden, und da mein Abholservice erst um 13:30 kommt, entschließe ich mich zu einem Mittagsmahl in der Pizzeria Su Pasiu, in der ich gestern wegen Überfüllung abgeblitzt bin.

Heute sieht das Ganze viel freundlicher aus: Ich bin der erste Gast und bekomme einen schönen Platz im Garten plus die volle Aufmerksamkeit des Chefs. Zwar steht draußen ein Menu von 10 Euro angeschrieben, aber ganz so günstig wird es dann doch nicht. Das „Touristenmenü“ kostet 20, bietet aber eine Auswahl zwischen je vier Primi und Hauptspeisen. Ich bestelle einen Krug Weißwein, und irgendwas mit Muscheln, die in einem nicht identifizierbaren Gemüse (?) schwimmen, das in der Konsistenz zwischen Mais und Kichererbsen liegt. Schmeckt aber nicht schlecht. Der Hauptgang ist ein Schwertfisch, der wunderbar ergänzt wird durch Rucola und Tomatenwürfel, sowie eine feine Pestosauce. Als Beilagen gibt es ebenfalls sehr feine Rosmarinkartoffeln.

Obwohl ich mich ein wenig beeilen muss, habe ich noch das Vergnügen, den beleibten und freundlichen Patrone bei der Arbeit zu beobachten. Er sieht, dass es mir schmeckt, und das scheint ihn zu freuen. So soll es sein.

Gerade rechtzeitig bin ich wieder an der Central Bar, um meinen Fahrer Giuliano zu treffen. Der macht irgendwie einen abgebrannten Eindruck und signalisiert mir gleich, dass er kein Geld hat bzw. ´rausgeben kann. Ich drücke ihm die verabredeten 40 Euro in die Hand, was ihn gleichermaßen fröhlich wie gesprächig stimmt. Schade, dass er nur Italienisch spricht, und ich mit meinem Englisch, Französisch, und bisschen Spanisch nur Bruchteile verstehe. Wieder einmal verfluche ich all die Zeit, die ich in der Schule mit Lateinstunden absitzen musste, wo ich statt einer lebendigen Sprache eine tote lernen musste. Ich hatte zwar kurz darüber nachgedacht, Italienisch mit einer App wie Duolingo oder Babbel wenigstens in Grundzügen zu lernen, dann aber eine Vermischung mit meinem Spanisch befürchtet, das mir wichtiger ist.

Um von Barumini zum 30 Kilometer entfernten Bahnhof von Samassi zu kommen, hat es aber doch gereicht. Der kaputte Tacho in Giulianos 26 Jahre altem Auto stand dabei dauerhaft auf Null. Ich darf Euch aber versichern, dass der Gute wesentlich schneller unterwegs war – wie sich überhaupt die Einheimischen um Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht sonderlich kümmern.

Der Lohn der Raserei waren weitere 40 Minuten Wartezeit am Bahnhof von Samassi, der mich mit seiner Lage am Stadtrand, und den leeren Straßen irgendwie an den Western „High Noon“ erinnert hat. Nun also mein erster Zug auf Sardinien. Der Zug war genauso pünktlich wie die Busse davor und brachte mich durch eine grüne Landschaft ohne spektakuläre Aussichten in das gemütliche Städtchen Oristano. Vom Bahnhof hatte ich noch einen guten Kilometer zu laufen und konnte dann mein Zimmer im Via del Centro Guesthouse an der zentralen Piazza Eleonora beziehen. Es ist meine dritte Unterkunft, und erneut bekomme ich den Zugang zu meinen Schlüsseln per WhatsApp beschrieben.

Busse fuhren auch hier nicht, und so musste ich den Ausflug zur benachbarten Lagune di Mistras auf morgen legen, und mich mit einem kleinen Stadtrundgang begnügen. Schöne Kirche, schöne Häuser, schöne Cafés, und ein kleiner Park, in dem sich Familien mit ihren Kindern tummeln. „Parco de la Resistenza“ heißt die Grünanlage. Und angesichts des morgigen „Tag der Befreiung“ kann ich mir den Gedanken nicht verkneifen, dass im Rückblick in erstaunlich vielen Ländern erstaunlich viele Menschen „im Widerstand“ waren.

Wieder zurück an meiner Unterkunft setze ich mich zu den Einheimischen, die draußen im Cafe la Piazza Fußball schauen, dazu Warsteiner Bier für 3 Euro trinken, und dazu noch einen gar nicht kleinen Teller mit Käse, Wurst und anderen Leckereien spendiert bekommen.

Am Morgen darauf schiebe ich ein paar Stunden Arbeit ein, komme aber immerhin noch vor 10 Uhr los, und nehme mein Frühstück unterwegs auf dem Weg zum Fahrradladen „Bike Or“. Der liegt ein wenig außerhalb, und ich zahle dem Eigentümer Roberto satte 18 Euro Tagesmiete, obwohl ich das Rad geschätzt nur 3 Stunden brauche. Es ist ein Trekking-Rad, und auf meine Frage, ob ich den See (Stagno) de Mistras auf den bei Google dünn eingezeichneten Wegen wohl überqueren könne, sagt Roberto „nein“, und ich solle entlang der Straße fahren.

Ich probiere es natürlich trotzdem und werde für meinen Entdeckergeist mal wieder reichlich belohnt. Schon auf der Hinfahrt blüht es in allen Farben prächtig am Wegesrand, und nun kommt noch das Wasser, die Macchia und der Himmel dazu, sodass ich jede Menge schöne Fotomotive bekomme. Außerdem gibt es ca. 120 Flamingos und ein paar weitere Vögel, die ich meiner sardischen Artenliste hinzufügen kann – einschließlich eines riesigen Greifvogels, den ich als Gänsegeier identifiziere.

Dann kommt auch noch ein Hauch Abenteuer dazu, denn die Verbindung zu Sinis-Halbinsel besteht aus einem halben Dutzend Holzstege, die relativ ungesichert übers Wasser laufen. Ob sie immer offen sind, kann ich nicht garantieren. Ich aber habe heute Glück, die Temperatur ist noch angenehm warm und im Ort San Giovanni die Sinis komme ich gerade rechtzeitig an, um schnell in einer Trattoria meine Tortellini samt eisgekühltem Rosé und Blick auf´s Meer zu genießen. Für die archäologischen Stätten von Tharros reicht die Zeit nicht mehr – im Gegenteil muss ich kräftig in die Pedale treten, um (nach telefonischer Anmeldung meiner Rückkehr) wieder rechtzeitig zum Fahrradladen zu gelangen. Von dort sind es dann nur noch ein paar Hundert Meter zur Bushaltestelle mit der Verbindung zum nächsten Stopp: Alghero.

Sardinien – Su Nuraxi

Von Cagliari bin ich mit dem Bus nach Barumini gefahren – eine Strecke von 67 Kilometern, die mich inklusive Umsteigen € 4,90 und  2:40 Stunden  gekostet hat. Knapp die Hälfte dieser Zeit saß ich als einziger alter Sack unter lauter Schuljungen und -Mädchen, was sich irgendwie komisch angefühlt hat. Aber ich wollte ja „volksnah“ reisen, und die sardische Jugend hat sich anständig benommen – wenn man von den beiden Teenies neben mir absieht, die sich einen Sitz geteilt und die Freuden der lesbischen Liebe für meinen Geschmack ein bisschen zu aufdringlich vorexerziert haben 😉
 
Jedenfalls war der Bus pünktlich, und wie schon in der letzten Unterkunft bin ich auch heute wieder per Zahlencode in mein Hotel und Zimmer gekommen, der mir per WhatsApp zugeschickt wurde. Bei all dem Personalmangel, der in unserem Gastgewerbe beklagt wird, frage ich mich, warum man sich hier kein Vorbild nimmt.
 
Mein Hotel in Barumini war das „Diecizero„, ein umgebautes ehemaliges Kino. Das war zwar ganz originell, hatte aber eine eher unterdurchschnittliche Ausstattung und fühlte sich durch die schummrige Beleuchtung auch irgendwie puffig an. Egal. Der Preis war ok, und die Lage könnte zentraler nicht sein, mit Bar, Tabakladen und Bäckerei im gleichen Gebäude und der empfehlenswerten Pizzeria Su Pasiu nur 100 Meter entfernt. Es ist 14:15 und ich bin startklar um mein Hauptziel auf dieser Reise nach Sardinien zu erobern:
 
Zu Fuß geht es zum knapp einen Kilometer entfernten Weltkulturerbe der UNESCO, Su Nuraxi. Diese Wehranlage aus der Bronzezeit ist sowohl die größte als auch die berühmteste ihrer Art auf ganz Sardinien. Und da hier immerhin mehr als 7000 Wehrtürme (Nuraghen) in der Landschaft stehen, hat das schon etwas zu bedeuten. Entdeckt wurde Su Nuraxi erst 1949, als starke Regenfälle Teile der Anlage freisetzten. Es folgte eine 7-jährige Ausgrabungszeit, und die Rekonstruktion der Geschichte dieser Anlage. Entstanden etwa ab 1500 v. Ch. wurde hier über kaum vorstellbare 1000 weitere Jahre hinweg immer wieder nachgebessert, vergrößert und umgebaut.
 
„Aus Sicherheitsgründen“ ist Su Nuraxi nur im Rahmen einer ca. 40-minütigen Führung zugänglich, und dafür verlangt man 15 Euro. Die haben sich aber gelohnt für diesen lehrreichen Ausflug in die Prähistorie. Der Turm in der Mitte war einst 20 Meter hoch, hat jedoch sein drittes und oberstes Stockwerk verloren, sodass heute „nur noch“ 15 Meter übrig sind. Um den zentralen Turm liegen 4 weitere, und in einem äußeren Ring hatte man später nochmals 7 Türme erstellt, von denen aber nicht mehr viel übrig ist. All das wirkt vor Ort auch dank der (englischsprachigen) Führung noch weitaus eindrucksvoller, als in der Beschreibung. Für mich ist es weniger die Aussicht auf die Ebene, die beeindruckt, sondern die Konstruktion der Anlage aus Steinklötzen, die in einem nahe gelegenen Basaltvorkommen gebrochen und hierher geschafft wurden – vermutlich gezogen von Ochsen und menschlicher Muskelkraft.
 
Selbst mit Hilfe einiger Freunde hätte ich wohl keinen einzigen dieser Brocken bewegen können, schießt es mir durch den Kopf. Doch diese prähstorischen Menschen haben Reihe um Reihe emporgezogen, die Steine teilweise auch noch behauen und ohne Mörtel so stabil aufeinander getürmt, dass das Zentrum der Anlage 3500 Jahre relativ gut überdauert hat. Vor der Anlage liegen die Reste etlicher Steinhäuser, in denen einst nach Schätzungen ein paar Hundert bis zu 1000 Menschen lebten. Die durften wohl bei Gefahr ins Innere der Burgmauern flüchten, von wo man sich mit Pfeil und Bogen durch Schießscharten verteidigen konnte.
 
Der Zugang lag auf 7 Meter Höhe und erfolgte damals vermutlich über Strickleiter, die sich bei Angriffen einfach hochziehen ließen. Heute hat man ein paar Treppen davor gestellt und startet die Führung ins Innere von dem Loch in der Mauer. Damals wie heute ging man nicht über Leitern, sondern durch einen schmalen Gang mit steilen Steinstufen im Inneren der Burgmauer, bis man schließlich in den Hof kommt. Dort hatten die Nuraghen einen tiefen Brunnen ausgehoben und offenbar auch einen Wasserkult betrieben. Nichts Genaues weiß man nicht, denn die Bewohner waren zwar tolle Baumeister und haben auch einige schöne Bronzeskulpturen hinterlassen (die stehen in Cagliari im Archäologischen Nationalmuseum) – schreiben konnten sie aber nicht. Aber die Vorstellung, dass diese Menschen vor so langer Zeit durch die gleichen Gänge gekrabbelt sind und sich womöglich auf den gleichen Steinen abgestützt haben, wie unsere 5-köpfige Touri-Gruppe, ist schon prickelnd.
 
Wer mehr über den Steinhaufen wissen will, findet den offiziellen Eintrag (auf englisch) hier. Für mich hat sich der Besuch auf jeden Fall gelohnt – und zwar nicht nur, weil ich bei den „Most Traveled People“ auf meinen Listen ein weiteres Häkchen setzen durfte und nunmehr 69 Stätten des UNESCO-Welterbes gesehen habe.
 
Auf die Begeisterung folgt Ernüchterung, als ich für den morgigen Tag meine Fahrt nach Oristano planen will. Eigentlich kommt man mit dem Bus in 90 Minuten dort hin. Dumm nur, dass morgen Sonntag ist, und dass am Sonntag eben kein Bus geht. Das steht zwar auch in Google Maps klein und in Klammern dabei, doch habe ich diese Info blöderweise übersehen. Ich denke kurz darüber nach, mit meinem Rucksäckchen zum nächsten Bahnhof zu laufen – doch das wären entlang der Straße 29 Kilometer, und auf einem Wanderweg, den Komoot mir vorschlägt 35 – zu bewältigen in ca. 9 Stunden. Uber gibt´s hier auch nicht, und wenn ich die Taxikosten von vorgestern extrapoliere, würde mich das einen dreistelligen Betrag kosten. Auch die Möglichkeit, meine Megawanderung mit gelegentlichem Trampen abzukürzen, wird erwogen. Aber auch gleich wieder verworfen, denn ich will nicht abhängig sein von der Güte fremder Menschen und außerdem ist so etwas nicht planbar und viel zu unsicher.
 
Schließlich überwinde ich meinen Stolz und schicke eine WhatsApp an meine Vermieterin mit der Bitte um Rat. Und siehe da: Sie kennt jemanden aus dem Dorf, der mich für 40 Euro zum Bahnhof bringt. „Die Automiete für einen Tag wäre billiger gewesen“, grummle ich in einen Bart, nehme das Angebot dann aber doch dankbar an.
 
Der Tag geht ziemlich unbefriedigend zu Ende, denn ich finde zwar mit Su Pasiu eine offensichtlich gute Trattoria. Die ist an diesem Samstag aber so voll, dass ich keinen Platz mehr kriege, weil ohne Reservierung So verbringe ich die letzten drei Stunden des Tages mit Schreiben, buche noch ein Hotel in Oristano und finde mich damit ab, dass ich morgen den kompletten Vormittag verliere, weil ich zu dämlich war, einen Busfahrplan zu lesen…

Sardinien – Cagliari

Am Morgen nach der Anreise mit dem Billigflieger ziehen ich den Vorhang zur Seite und erblicke einen strahlend blauen Himmel, an dem Möwen und Mauersegler kreisen. Etwa 36 Stunden habe ich eingeplant, um Cagliari zu erkunden, die Hauptstadt Sardiniens. Von Google Maps lasse ich mich zu einem Café und Frühstücksrestaurant hinter dem Häuserblock meines coolen Appartements („Spacebility„) lotsen. Das Caffé dell´Arte erweis sich als Volltreffer, mit einem freundlichen Kellner/Barista, der einen hervorragenden Cappuchino serviert, dazu ein frisch gepresster Orangensaft und ein paar pochierte Eier auf Toast – natürlich mit Speck.

Die Einrichtung ist originell, mit verspielten Lampen, alten Kaffeeautomaten und einer Ecke, in der Hunderte von Schallplatten in den Regalen stehen, und die als „Music Hall“ ausgeschildert ist. Mit nur leichtem Gepäck suche ich mir einen Bus – wieder mithilfe von Google Maps – und lasse mich in die Nähe des Naturparks Molentargius chauffieren. Dazu müsst Ihr wissen, dass eine meiner Leidenschaften die Vogelbeobachtung („Birding“) ist, und daher dieser Hotspot für mich vor allen anderen Sehenswürdigkeiten Cagliaris kam. Laut eBird, der besten Quelle für Birder, sind die Salinen der beste Hotspot unter den 131 der Insel. Von den 257 Arten, die man bislang auf Sardinien insgesamt gesehen hat, wurden 155 hier beobachtet. 

Derart motiviert entschließe ich mich an einer Übersichtstafel vor dem Naturschutzzentrum, die ca. 12 Kilometer einer zusammengesetzten großen Runde in Angriff zu nehmen. Dabei komme ich zwar vom Weg ab, sodass es am Schluss nur 6 Kilometer werden, jedoch sehe ich trotzdem 25 Arten, darunter mehr als 100 Rosa Flamingos und erstmals in meinem Leben Mönchssittiche, die ebenso wie die Halsbandsittiche ursprünglich aus Südamerika kommen und sich nun fern der Heimat ausbreiten.

Obwohl die Temperatur wohl kaum 25 Grad hat, knallt die Sonne ganz schön kräftig herunter. Cagliari soll ohnehin der wärmste Ort der Insel sein, und ich bin froh, dass ich nicht im Hochsommer da bin. Den Heimweg lasse ich mir wieder von Google Maps zeigen, und genehmige mir unterwegs am schönen, langen, breiten und sauberen Stadtstrand Spiaggia del Poetto ein Bier in einer Strandbar.

Am Abend suche ich ein Restaurant mit typisch sardischer Küche und finde auch mit dem „Ammentos“ unweit eine Wirtschaft, die dafür noch halbswegs günstige Preise aufruft. Als erster Gast des Abends kann ich zusehen, wie der Laden sich bis zum letzten Tisch füllt, und obwohl ich mal wieder der einzige Single bin, macht mir das fast nichts aus. Mit meiner Menuwahl bin ich nicht ganz glücklich, das Lamm hatte ich mir irgendwie weniger zerhackt und knochig vorgestellt, aber wahrscheinlich gehörte das so. 

Tags darauf mache mich auf, um am Vormittag noch ein wenig Cagliari zu erkunden. Weil mir die Gepäckaufbewahrung mit 10 Euro zu teuer ist, gehe ich mit Rucksack am Hafen entlang unter den schönen Arkaden prächtiger Häuser, dann bergauf zur Altstadt in der ehemaligen Zitadelle. Hier durften die Einheimischen unter der spanischen Herrschaft bei Todesstrafe nicht ´rein und wurden für den Versuch mit einem Wurf von den hohen Mauern bestraft. Ich bin zum Glück nur durch meinen Rucksack bestraft, mit dem ich mich ungezählte Stufen zur Bastione de San Remy hocharbeite, einem der wenigen Eingänge zur Zitadelle.

Den Blick von hier oben muss man nicht unbedingt schön nennen, aber immerhin liegt der Großraum Cagliari mit dem Hafen und der angrenzenden Bucht mir zu Füßen. Etwas flacher, ab immer noch bergauf, geht es zur Kathedrale Santa Maria. Deren Anfänge gehen bis ins 13 Jahrhundert zurück, aber natürlich wurde sie seitdem -zig Mal umgestaltet. Als typischer Mitteleuropäer hat man in meinem Alter vermutlich schon genug Kirchen gesehen – mir fällt es jedenfalls immer schwerer, mich für die künstlerischen Ausdrücke religiöser Gefühle und Machtansprüche zu begeistern. Bemerkenswert finde ich aber doch die Krypta unter dem Altar, in deren Nischen die Überreste von 200 sardinischen Märtyrern aufbewahrt werden.

Ich habe mich mehr für das Archäologische Nationalmuseum interessiert, das nur wenige Hundert Meter entfernt liegt. Dort werden nämlich u.a. jede Menge Relikte der bronzezeitlichen Nuraghenkultur ausgestellt, und ich finde es faszinierend, welche Kunstwerke diese Menschen vor 3500 Jahren geschaffen haben. Neben der fast schon üblichen Sammlung von Pfeil- und Speerspitzen, Schalen, Töpfen und anderer Keramik sind es die kleinen Bronzefiguren, die es mir angetan haben. Irgendwie haben diese Männekens (Frauen sind auch dabei) zwar stets die gleichen Gesichtszüge, sie scheinen aber unterschiedlichen Klassen bzw. Berufen anzugehören und machen die Ausstellung dadurch für mich sehr lebendig. Außerdem habe ich mir für diese Reise ja auch vorgenommen, das einzige Weltkulturerbe Sardiniens zu besuchen, und dies ist nun einmal eine exemplarische Ansammlung von Wehrtürmen und Hütten aus der Nuraghenkultur bei Barumini.

Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass ich mich auf den Weg machen sollte. Und da ich ausnahmsweise für diesen Trip (noch) kein Mietauto genommen habe, verlasse ich mich auf das Netz von Regionalbussen, um mit ein Mal umsteigen nach Barumini zu kommen.

Fast hätte ich den Bus verpasst, weil ich in einem Feinkostladen als Proviant noch schnell ein Panini bestellt habe, ohne damit zu rechnen, dass die Lady hinterm Tresen daraus ein enorm zeitaufwändiges Kunstwerk machen wollte. Nachdem wir uns über den Belag verständigt hatten, galt es zuerst die Art des Brötchens auszuwählen. Dann wurde der Schinken beschnüffelt und für „bene“ befunden, in hauchdünne Scheiben geschnitten, gewogen, als zu leicht beurteilt, erneut geschnitten und schließlich die 70 Gramm zur Seite gelegt. Dazwischen verschwindet die Verkäuferin in einem Hinterraum, kommt wieder ´raus, bedient „geschwind“ eine andere Kundin, und kehrt zu mir zurück. Das gleiche, was sie mit dem Schinken getan hat, muss nun auch für den Mozarella erfolgen: Beschnüffeln, „bene“ finden, ein paar Scheiben schneiden, wiegen, noch ein paar Scheiben schneiden – und zur Seite legen. (Noch 10 Minuten, bis der Bus fährt). Jetzt erhält das aufgeschnittene Brot ein paar Spritzer Olivenöl – „bene“. Zwei kleine Tomaten müssen noch drauf, aber erst noch schneiden, und davor noch die Butzen entfernen. Soooo. Jetzt. (NOCH 6 MINUTEN). Es wird belegt, das Werk geht seiner Vollendung zu zu. Papierservietten müssen noch außenrum, aber die heften aneinander und sind nur mühsam, sorgfältig, immer mit der Ruhe, auseinander zu kriegen. Puh. Geschafft. (NOCH 4 MINUTEN). Und jetzt der Spoiler: In den letzten 3 Minuten hat Madame es tatsächlich hingekriegt, mein Panini in eine Papiertüte zu tun, zuzukleben, 6,37 Euro zu berechnen, und auf 20 Euro rauszugeben.

… und so habe ich den Bus doch noch erreicht – und bin nun endlich auf dem Weg nach Barumini, zum Su Nuraxi.

Sardinien im April – dem Sommer entgegen

Fandet ihr den Winter in Deutschland auch so kalt? Und habt ihr es satt, im nass-trüben zu sitzen und auf den Sommer zu warten? Dann habe ich möglicherweise einen Tipp für Euch. Möglicherweise, weil es mein erster Besuch auf Sardinien ist, der zweitgrößten Insel im Mittelmeer. Bin also noch ziemlich ahnungslos, wenn man davon absieht, dass ich in diverse Lexika geschaut und mir nach gründlichem Vergleich zwei Reiseführer gekauft habe. Beide heißen logischerweise „Sardinien“, doch der Reiseführer aus dem Michael Müller-Verlag gefällt mir noch ein bisschen besser als der Baedeker Sardinien. Beide kosten um die 25 Euro und sind damit teurer als der Flug, den ich bei Ryanair mit Minimalgepäck in einem günstigen Moment geschnappt habe. Wenn meine Statistik nicht lügt, bin ich zum 19. Mal in Italien. 
 
Ist mir übrigens egal, ob irgendwelche „Aktivisten“ mich deshalb für ein Umweltschwein halten, solange die Heuchler statt zu frieren ihre Öfen mit Kohle befeuern und ihr Badewasser wahlreise mit russischem Erdgas oder amerikanischem Frackinggas aufheizen. Und im Gegensatz zu einer Luisa Neubauer und anderen Moralaposteln sehe ich auch keinen Grund, meine früheren Reisen zu vertuschen. Dies ist Nr. 298, und ich bin sehr zuversichtlich, dass es für die Generationen nach mir genauso viel zu reisen und zu entdecken geben wird, wie für uns.  
 
Wo war ich? Ach ja – die Anreise mit dem Billigflieger. Der ist nur zu etwa 2/3 ausgebucht und ich habe eine komplette Sitzreihe für mich. Gut, dass ich auf die Sitzplatzreservierung zu 10 Euro verzichtet habe, denn auch so sitze ich nun auf meinem Lieblingsplatz am Fenster. Fünf Minuten vor der geplanten Abflugzeit sind wir bereits in der Luft und 15 Minuten vor der geplanten Ankunftzeit am Boden.
 
Trotz der mitternächtlichen Stunde ist die Luft in Cagliari spürbar wärmer als bei uns daheim am Tag. Der Flughafen ist klein, aber aufgeräumt und modern. Theoretisch gibt´s auch eine Zuganbindung, die ich gerne genommen hätte. Leider ist es dafür aber zu spät – laut Google fährt der nächste um Viertel vor Sechs. Also nehme ich nach langer Zeit mal wieder ein Taxi, das  – wahrscheinlich schneller als die Polizei erlaubt – zur Stadtmitte braust und mich binnen 7 Minuten an meinem Appartement absetzt, dass nur ein paar Meter vom Bahnhof entfernt liegt. Ich bin gut gelaunt, gebe ein bisschen Trinkgeld und nehme achselzuckend zur Kenntnis, dass die letzten 6 Kilometer mich mehr gekostet haben, als die (laut flightstats.com) 1062 davor.
 
Die nächste positive Überraschung ist meine Unterkunft „Spacebility„. Die hatte ich über Booking.com gefunden und auch wegen der vielen positiven Bewertungen ausgewählt. Die Betreiberin Chiara hatte mir bereits kurz nach der Buchung alle Infos per Whatsapp geschickt (samt Video für die Doofen), und so konnte ich den Nummerncode an der Tür eingeben, mein Zimmerkärtchen am genannten Ort finden und das schön gestylte, große Appartement mit kleinem Balkon und großem Gemeinschaftsraum beziehen. „Coliving for Digital Nomads“ steht auf einem Kärtchen, und das regt mich zum Nachdenken an, warum ich derart coole Orte nicht öfter und länger nutze, statt übellaunig in Deutschland zu überwintern.
Müde bin ich, geh zur Ruh´ und freue mich auf den morgigen Tag mit Besuch des Naturparks Molentargius.

Zagreb – mehr als ein Sprungbrett

Zagreb ist der erste Stopp auf meiner Balkan-Reise 2022 und erst mein zweiter Aufenthalt im schönen Kroatien. Zwar war ich bereits 1979 hier, aber das zählt nicht. Denn erstens bin ich damals mit einem Interrailticket nach Griechenland gefahren und habe nur ein paar hässliche Wohnblocks aus dem Fenster fotografiert. Und zweitens war Zagreb damals noch ein Teil des Vielvölkerstaates Jugoslawien, der mittlerweile wieder in ein halbes Dutzend Nationen zerfallen ist.

Nicht schön: Hochhaussiedlung in Zagreb im Jahr 1979

Eigentlich sollte mir die Hauptstadt Kroatiens mit ihren 820000 Einwohnern nur als Sprungbrett dienen für die Tour, auf der ich erstmals Slowenien, Montenegro und Albanien bereisen will. Die gute Erreichbarkeit und ein billiges Ticket von Ryanair haben den Ausschlag gegeben – vom Baden Airpark waren es mit kleinem Gepäck kaum 30 Euro und der Flug über die Schweizer, Österreichischen und Slowenischen Alpen dauerte keine 90 Minuten.

Obwohl ich innerhalb der EU reise, dauert die Passkontrolle 30 Minuten und ist keinen Deut schneller als bei den Briten, die zeitgleich aus London gelandet sind. In der Ankunftshalle dann die übliche Abzocke an den Geldautomaten. Statt dem aktuellen Wechselkurs von 105 Euro für 800 Kuna verlangt man 124 Euro. Aber nicht mit mir! Zum Glück nimmt der Fahrer des Flughafenbusses auch Euro und zwar 7 Stück statt 45 Kuna. Das ist zwar ein Aufschlag von einem Euro, aber immer noch besser, als am Geldautomaten 20 Euro mehr zu zahlen als nötig.

An der Bustür hängt zwar ein Hinweis auf die Maskenpflicht – aber der ist entweder veraltet oder wird ignoriert. Maskenfrei geht also auf die ca. halbstündige Fahrt in die Stadt. Die Straße ist breit, neu und wird schon weit draußen von einem Radweg und vielen Grünstreifen begleitet.

Wir überqueren die Sava, einen Fluss, der dem Abstand der Deiche nach zu urteilen gerne Mal über die Ufer tritt. Einzige Haltestelle und zugleich Endstation ist der Busbahnhof, wo auch noch andere Unternehmen wie z.B. Flixbus angesiedelt sind.

Auf dem Weg zum Hotel probiere ich den nächsten Geldautomaten, und der zahlt mir exakt das, was der Wechselkurs anzeigt, nämlich 1000 Kuna für 132 Euro. Mittagessen im „GoodFood“, wo ich einen ordentlichen Burger plus einheimischem Bier für 64 Kuna kriege, also etwa 8 Euro. Nun ist es Zeit, einzuchecken im Manda Heritage Hotel, das ich für € 69 über Hotels.com gebucht habe und damit deutlich günstiger als die € 105 Euro der offiziellen Preisliste, die in meinem Zimmer ausliegt.

Das Hotel ist modern eingerichtet, sauber und relativ groß, inklusive Schreibtisch, Kaffeemaschine, Sofa, und einem Fernseher, der größer ist als daheim, und auf dem z.B. Netflix und Amazon Prime bereits eingerichtet sind, sodass man sich gegebenenfalls mit dem eigenen Konto einloggen kann. Die Bedienungsanweisungen und touristischen Hinweise für die Gäste sind sorgfältig zusammengestellt und zweisprachig (kroatisch/englisch) abgefasst, außerdem gibt es ein (für mich nicht enthaltenes) Frühstücksbuffet, Wäscheservice und – wer´s braucht – einen benachbarten Schönheitssalon, wo Frau sich mit Massagen und Gedöns zwischen € 40 und 60 verwöhnen lassen kann. Wie ich dem Hotelverzeichnis entnehmen kann, gibt es im näheren Umkreis bzw. werden empfohlen ein halbes Dutzend Museen, einschließlich dem Museum der zerbrochenen Beziehungen, dem Dolac-Markt, 20 Restaurants, einem Dutzend Kneipen und Nachtbars, sowie 7 Bäckereien/Konditoreien und ein paar Geldautomaten.

Das „Alcatraz“ war eine der vom Hotel empfohlenen Kneipen und scheint auch sehr beliebt zu sein. Man trinkt meist ausländische Biere und die feinen einheimischen Weine, beides zu günstigen Preisen (Mein Weißer hat 20 Kuna für 0,1 gekostet). Die Nichtraucher sind in der Minderzahl und haben ihren eigenen kleinen Raum. Nur habe ich leider einen dieser unaufmerksamen Kellner erwischt, die mich ärgern. Insgesamt nicht besonders genug für eine Empfehlung. Dann laufe ich die Tkalciceva- Straße runter und finde unter all den Kneipen eine, die das Frankfurt-Spiel überträgt. History heißt sie, und spielt belanglose Disco-Dudel-Musik. Aber der Service stimmt und 28 Kuna (35 mit Trinkgeld) für einen halben Liter IPA sind ok.

Den zweiten Tag beginne ich mit einem Frühstück bei Verde brunch & caffe. Der Laden steht auf der Google-Liste weit oben, enttäuscht mich aber ein bisschen mit einer wenig freundlichen (weil gehetzten) Kellnerin und statt Auswahl lediglich Croissant, O-Saft, und (guter) Cappuccino. Für 28 Kuna (35 mit Trinkgeld) trotzdem ok, aber dennoch muss ich auf dem Rückweg meine Fleischeslust mit einem Börek stillen. Das Blätterteiggebäck gibt es auf dem ganzen Balkan in verschiedenen Varianten – mit Käse, Spinat, oder so wie meiner mit Hackfleisch. Für 15 Kuna (knapp zwei Euro) werde ich satt und mache mich auf einen ausgedehnten Stadtspaziergang.

Gleich zu Beginn lasse ich mich in die Ausstellung „Parasiten“ im Hdlu Mestrovicev Pavviljon locken. Auch wenn ich wieder einmal schmunzeln muss über die Wichtigtuerei, mit der so mancher hier sein Projekt erklärt (z.B. Ein Schaf vom Kosova nach Albanien zu bringen, und die Reise zwischen den einst verfeindeten Staaten aus der Sicht des Schafs zu betrachten). Trotzdem eine „nette“ Ausstellung in einem der wenigen Museen, die wegen der Schäden des Erdbebens vom 22.März überhaupt auf haben.

Sehr schön, und auch günstig: Zagreb hat sich ´rausgeputzt und steckt voller Überraschungen.

Durch mehrere Parks, in denen überall Tulpen blühen, laufe ich bis zum geschäftigen Bahnhof, wo ich Informationen in Kroatisch, englisch und deutsch finde. Auf dem Platz davor gibt es eine Infosäule in 6 Sprachen, außerdem Leihfahrräder von Nextbike und darunter ein unterirdisches Einkaufszentrum. Dann geht es am Botanischen Garten vorbei wieder zurück in den von Touristen besonders frequentierten Teil der (Alt)stadt, und hoch zur Kathedrale, und später vorbei an vielen lebhaften Kneipen, vielversprechenden Restaurants und Weinstuben.

Tags darauf fahre ich weiter nach Maribor in Slowenien. Aber weil Zagreb mich so positiv überrascht hat, weil es eine sympathische und recht preiswerte Stadt ist, und weil es hier noch Einiges zu entdecken gibt, habe ich meinen Reiseplan angepasst und einen dritten Tag eingeplant, mit dem ich diesen Eintrag aktualisieren werde.

Hagia Sophia

Wie kann das sein? Wie konnten die Menschen im 6. Jahrhundert binnen 5 Jahren solch ein Bauwerk erstellen? Mir ging es wie den meisten Besuchern der Hagia Sophia in Istanbul: Schon beim Eintritt überfiel mich eine Mischung aus ungläubigem Stauen und Demut. Und genau so sollte das wohl sein. Die Hagia Sophia ist ein Monument, das den Glauben an Größeres fördert. Ganz egal, ob man zum Beten hingeht, oder mit der Volkshochschule. Das Gotteshaus zählt noch heute zu den imposantesten Gebäuden der Menschheitsgeschichte. Ich frage mich, wie es wohl auf die ersten Besucher gewirkt hat, die es betraten, als hier Kaiser Justinian regierte und Istanbul (damals noch „Konstantinopel“) das kulturelle Zentrum der Welt war?

Hagia Sophia Außenansicht

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In 55 Metern Höhe schwebt eine riesige Kuppel über dem Boden. Sie hat einen Durchmesser von 31 Metern, zieht den Blick immer wieder nach oben, und sorgt mit ihren 40 Fenstern für ein magisches, sich stetig wandelndes Licht im Inneren. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die zahlreichen, goldglänzenden Mosaiken. Während man sonst meist nur den Kaiser kennt, „unter dem“ ein Bauwerk errichtet wurde, haben bei der Hagia Sophia auch die Architekten ewigen Ruhm erlangt. Es sind Anthemios von Tralleis und Isidor von Milet, die sich offensichtlich mit Mathematik, Mechanik und Statik besser auskannten, als sämtliche Baumeister vor ihnen. Fünf Jahre haben sie gebraucht, von 532 – 537.

Seitdem sind nahezu 1500 Jahre vergangenen. Endlose Umwälzungen, Umstürze, Kriege und Naturkatastrophen hat das Gebäude seitdem überstanden, und natürlich auch zahlreiche Reparaturen und bauliche Veränderungen. So stürzte 558 bei einem Erdbeben ein Teil des Doms herab, die Kirche wurde 1206 durch die Kreuzfahrer (!) ausgeplündert, und nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453 in eine Moschee verwandelt. Außenrum wurden vier Minarette hochgezogen und der Großteil der christlichen Mosaiken mit Wandputz überdeckt. Auf Erlass von Kemal Atatürk, dem Gründer der modernen Türkei, wurde die Hagia Sophia dann 1935 in ein Museum verwandelt. Sie ist seit 1985 Teil des Weltkulturerbes, und für die meisten Menschen war das wohl eine gute Lösung.

Nicht aber für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Der gab im Juli 2020 die jüngste „Statusänderung“ bekannt und öffnete die ehemalige Kirche wieder für Muslime zum Gebet. Der Status als Museum wurde vom Obersten Verwaltungsgericht der Türkei aberkannt, und unmittelbar danach begannen – unter Protesten vor allem aus Griechenland und Russland – die Arbeiten zur „Umwidmung“.