GR 221 – 03. Der Plan

Ja ja. Ich weiß schon. Pläne sind für Bürokraten. Pläne töten die Kreativität. „Nur ein Idiot hält Ordnung – ein Genie beherrscht das Chaos“, und natürlich der Klassiker

Der Mensch plant und das Schicksal lacht darüber!

Klopft Ihr nur Eure Sprüche, ich mache lieber einen Plan, als einen Haufen Zeit und Geld zu verschwenden für eine Reise, bei der ich wie Inspektor Clouseau von einem Fettnäpfchen ins nächste springe, wo ich ständig vor verschlossenen Türen stehe, das Beste verpasse oder ausgenommen werde wie eine Weihnachtsgans. Und erst Recht nicht brauche ich den Chor der Klugscheisser, der mir nach der Rückkehr triumphierend erklärt: „Das hätte ich Dir gleich sagen können“.

Nicht mit mir! Auf den vorherigen Seiten konntet Ihr bereits lesen, warum ich den GR 221 wandern will, und wie ich geplant habe. Auf einer weiteren Seite habe ich meine Ausrüstung gelistet (alles passt in einen Tagesrucksack!), und hier findet Ihr nun den Tourplan als Ergebnis meiner geistigen Klimmzüge, verlinkt zu den Berichten über jede einzelne Etappe.

Tag Strecke km HM Zeit
01 (Anreise)* 1450    9:00
02 Port d´Andratx – Sant Elm  7,7 400 2:44
03 (Parc Natural de sa Dragonera)**  11,0 420 3:20
04 Sant Elm – Sa Trapa – Ses Fontahelles  11,3 656 4:20
05 Ses Fontahelles – Estellenchs  12,0 761 5:15
06 Estellenchs – Banyalbufar  6,4 328 2:12
07 Banyalbufar – Esporles  7,3 436 2:13
08 Esporles – Valldemossa  8,9 658 3:36
09 Valldemossa -Deià  11,7 670 5:17
10 Deia – Refugi Muleta – Port de Soller  12,1 420 4:49
11 (Soller – Sa Font de Noguer)***   11,9 990 5:30
12 Sa Font de Noguer – Lluc  14,3 739 5:43
13 Luc – Pollenca  16,2 250 4:48
  Summe  119,8 6308 46:17

Anmerkung: In der Summe nicht enthalten sind -natürlich – die Anreise (*) und der Tag auf Sa Dragonera (**). Die Angaben für die ausgefallene Etappe Soller – Sa Font Noguer (***) stammen aus dem Mallorca-Wanderführer von Dietrich Höllhuber, wobei die Wegzeit auf 5 Stunden aufgerundet wurde. Alle sonstigen Entfernungen und Zeiten wurden gemessen mit der App Runtastic Pro. Aufzeichnungen mit meiner Smartwatch Vivoactive HR ergaben ungefähr 10 % längere Entfernungen, wurden hier aber nicht berücksichtigt.

GR 221 – 02. Die Planung

Eigentlich bin ich voll der Info-Hamster: Je mehr ich weiß, umso besser fühle ich mich. Diesmal aber scheint alles anders. Vor meiner Durchquerung des Tramuntana-Gebirges auf dem Fernwanderweg GR 221 habe ich mich sogar besonders gut informiert: Mit Google einmal quer durch´s Internet, wie immer bei Wikipedia nachgeschaut, eine Fernsehsendung gesehen, aktuelle Reiseführer gewälzt, Wanderführer und das neueste Kartenmaterial geprüft.

Nur leider fand ich oftmals widersprüchliche Angaben zum Trockenmauerweg. Und die lösen sich auch nicht auf, wenn man die vielen Berichte und Kommentare von Wanderern liest, die den Weg vor mir gegangen sind. Das beginnt schon mit der Länge des Weges:

Die offizielle Seite spricht von 83,7 Kilometern, die zur Hauptroute gehören, wobei die erste Etappe Port d’Andratx – Coma d’en Vidal und der dritte Abschnitt Esporles – Can Boi ohne nähere Erläuterung noch mit einem Warnschild versehen sind. „Die restlichen 72,5 Kilometer gehören zu Varianten“, heißt es. Die Angabe von 150 Kilometern aus der Fernsehinfo zu „Wanderlust“ bezieht sich demnach auf das gesamte Wegenetz und ist ziemlich irreführend.

Bei einer der zuverlässigsten und umfangreichsten Webseiten auf diesem Bereich, Outdooractive, ist die „eigentliche“ Route 115 Kilometer lang und in 44 Stunden zu bewältigen. Für die Hardcore-Wanderer von Alpenquerung.info sind es 140 Kilometer, und die schaffen das in 8 Etappen. Je mehr ich plane, umso größer wird die Verwirrung. Also mache ich das, was ich schon immer tue: Ich gehe meinen eigenen Weg, in meinem Tempo, und ich lasse mich überraschen, was es dabei alles zu entdecken gibt.

Als Eckdaten hatte ich meinen Hin- und Rückflug von Baseler Euro-Airport nach Palma de Mallorca, gebucht bei EasyJet zum Schnäppchenpreis von 50 Euro – allerdings nur mit Handgepäck. Wenn man den Hin- und Rückreisetag nicht rechnet ergibt das einen Zeitrahmen von 14 Tagen – lange genug, um sich zwischendurch auch ´mal bei einer kürzeren Etappe zu erholen oder eine Pause einzulegen, falls nötig.

Da war ich wohl zu langsam: Die Wanderherberge (Refugi) Tossals Verds war bereits sechs Wochen vor meiner Abreise ausgebucht, was mich zwingt, über einen Plan B nachzudenken. (Foto: Wikipedia CC BY-SA 3.0)

Weiter ging es mit den Unterkünften, die ich ca. 6 Wochen vor der Abreise gebucht habe. Wichtig, weil früh ausgebucht, sind die Wanderherbergen (Refugi), zu denen man sich von der offiziellen Seite durchklicken kann (Tatsächlich habe ich eine nicht mehr gekriegt: die mitten in den Bergen gelegene Tossals Verds, was mich dann zum Umplanen gezwungen hat). 

Sehr wertvoll für die Planung waren für mich zwei Bücher aus dem Michael Müller-Verlag, der sich auf Reiseführer spezialisiert hat und den ich wegen seiner detaillierten Informationen sehr schätze. In „Mallorca: Reiseführer mit vielen praktischen Tipps“ erfährt man allerhand über die Orte am Ausgang und Ende der Etappen, inklusive Hinweisen auf besondere Hotels und Restaurants. Und in „Mallorca MM-Wandern: Wanderführer mit GPS-kartierten Wanderungen“ finden sich detaillierte Beschreibungen zu 39 Wanderungen auf der ganzen Insel,von denen jedoch ein guter Teil Etappen und Abschnitte entlang des GR 221 beschreibt. Beide Bücher sind von 2016 und waren somit auch die aktuellsten im überaus großen Angebot der Malle-Reiseliteratur.

Obwohl ich eine großer Fan von GPS-Geräten bin würde ich mich bei einer „ernsthaften“ Wanderung in unbekanntem Gelände nicht alleine auf diese Spielzeuge verlassen wollen. Es genügt ein Defekt oder ein leerer Akku, und schon steckt man in Schwierigkeiten. Meine Ehre als Mann lässt es nicht zu, jemanden nach dem Weg zu fragen. Außerdem ist sowieso keiner da, wenn man einen braucht 😉

Nein, lieber sichere ich mich mit klassischen Karten ab. Die besten, die ich finden konnte, sind erst kurz vor meiner Wanderung in einer neuen Ausgabe erschienen: „Mallorca – Wanderkarte 1:35.000 (Kartenset mit Nord + Süd-Blatt): Alle Wege in der Serra Tramuntana“ heißt das wasser- und reißfeste Werk, das zumindest am heimischen Küchentisch einen sehr guten Eindruck macht. Es gibt zwar höher auflösende Karten im Maßstab 1:25000, aber meine wirken durchdachter und übersichtlicher zugleich, ohne dass ich Details vermissen würde.

Wie das dann im Gelände aussieht wird man sehen. Jedenfalls kennt ihr nun im Wesentlichen mein Planungsmaterial. Erwähnen sollte ich aber noch, dass ich mir vorgenommen habe, die kompletten 16 Tage nur zu Fuß und mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs zu sein.  Wie die -auch auf deutsch verfügbaren – Busfahrpläne für die Insel zeigen, ist das Netz sehr gut ausgebaut. Das ermöglicht es, auch einmal ein paar Tage im gleichen Hotel zu bleiben, wenn man von dort zum Startpunkt einer Etappe und vom Ziel wieder zurück pendelt.

Mit diesen Rahmenbedingungen setzte ich mich schließlich an den Computer, breitete die Karten und Bücher neben mir aus, und buchte systematisch alles durch. Drei Tage netto hat das gedauert, und den Plan, der dabei herausgekommen ist, präsentiere ich im folgenden Abschnitt. Dann folgt noch eine Seite zu meiner Ausrüstung, und schließlich der ausführliche Reisebericht für die gesamten 14 Tage inklusive meiner 12 Etappen, den Unterkünften und sonstigen interessanten Beobachtungen (-> Übersicht).

GR 221 – 01. Die Idee

Schon klar: Die Idee, im Frühjahr nach Malle zu fliegen ist nicht sonderlich originell, dort zu wandern auch nicht. Ist mir aber egal, ich mache das jetzt trotzdem zu meinem Projekt: In den nächsten 14 Tagen will ich den Fernwanderweg GR 221 -auch bekannt als Trockenmauerweg- alleine und komplett durchwandern.

Die Betonung liegt auf „komplett“, denn was auf den ersten Blick nach einer überschaubaren Aufgabe ausschaut, erweist sich bei näherem Hinsehen als logistische und sportliche Herausforderung. Der Weg durch die im Norden der Insel gelegene Bergregion Serra de Tramuntana ist nämlich noch nicht fertig. Manche Abschnitte sind angeblich gesperrt, nicht beschildert oder nur zu bestimmten Zeiten / Wochentagen zugänglich. Die Unterkünfte sind teils dünn gesät, die Preise oft gesalzen. Auf manchen Abschnitten gibt es nur spartanisch eingerichtete Berghütten (Refugi) – und die sind dann auch noch schnell ausgebucht.

So sieht´s aus: Übersichtskarte zum Trockenmauerweg „Ruta de Pedra en Sec“, der im Norden Mallorcas von Port d´Andraxt bis nach Pollenca verläuft (Foto von Sarang, bearbeitet von Oltau via Wikipedia)

Dabei hatte alles so einfach ausgesehen: Inspiriert von einer Folge der Fernsehserie „Wanderlust“ wollte ich es dem britischen „Profi-Traveller“ Bradley Mayhew gleich tun, der frohen Mutes und scheinbar ohne Probleme die Serra de Tramutana durchquert hatte. Angeblich hat er sechs Etappen gebraucht für die 150 Kilometer. Angeblich.

Bei Wikipedia sind es aber neun Etappen, die offizielle Seite listet fünf offene Abschnitte plus sechs Varianten und nach meiner eigenen Planung werde ich elf Tage netto unterwegs sein, wobei ich an einem dieser Tage mangels Unterkunft wohl zwei Etappen bewältigen muss. Doch dazu später mehr.

Freunde, die schon mit mir unterwegs waren, bescheinigen mir, ein guter Planer & Reiseführer zu sein. Und da ich gerne schreibe und viele Freunde habe, wollte ich möglichst zeitnah auf Michels Universum darüber berichten. Gewünschter Nebeneffekt: Mehr Motivation, um dieses Projekt auch durchzuziehen, denn wer will schon als Looser nach drei Tagen abbrechen? Und dann gibt es ja noch den Plan, das Ganze als eBook zu veröffentlichen, wenn ich die Tour tatsächlich durchstehe…

Deshalb habe ich auch noch schnell aufgeschrieben, wie ich das ganze geplant habe, welche Tagesetappen dabei heraus gekommen sind, und mit welcher Ausrüstung ich unterwegs bin.

Morgen, am 27. März geht´s dann endlich los. Und wenn der Michel und seine Akkus durchhalten findet ihr hier bis zum 8. April jeden Tag einen neuen Bericht – Handyempfang bzw. W-LAN vorausgesetzt.

Costa Rica für Vogelfreunde

Schon ein Vierteljahr ist es her, jetzt bin ich endlich soweit, dass ich hier einen ersten Bericht über Costa Rica präsentieren kann, das Traumziel im Herzen Mittelamerikas für alle Vogelfreunde im Speziellen und für Naturliebhaber im Allgemeinen. Lasst mich mit den Vögeln beginnen, denn das Birding ist eines meiner vielen Hobbys und regelmäßige Besucher meiner Seiten wissen ja, dass 2012 mein „Big Year“ werden soll, in dem ich einen persönlichen Rekord aufstellen und möglichst viele verschiedene Arten beobachten will.

Es ist jetzt Mitte April und ich bin aktuell bei 162 Arten, von denen ich annähernd die Hälfte auf einer 25-tägigen Reise in Costa Rica gesehen habe. Die komplette Liste habe ich – illustriert mit den Bildern anderer Leute – bei der Encyclopedia of Life eingestellt, wo man zu jeder Art auch (auf englisch) ein ausführliches Datenblatt nachlesen kann. Mit mehr als 820 Vogelarten bietet Costa Rica eine größere Vielfalt als ganz Europa – und das auf einer Fläche, die kaum größer ist als die Slowakei! Vom Kolibri bis zum Geier gibt es in Costa Rica Dutzende spektakulärer Arten, denen fast jeder begegnet.

Wer besonders seltene Arten wie den „Göttervogel“ Quetzal oder den wunderschönen Hellroten Ara sehen mag, muss gezielt bestimmte Regionen des Landes aufsuchen, sich einem der zahlreicher Führer anvertrauen und dazu auch eine gehörige Portion Glück haben. Zur Vorbereitung empfehle ich deshalb den m.E. besten deutschsprachigen Reiseführer „Costa Rica: Handbuch für individuelles entdecken„, auch wenn einige Angaben darin bereits veraltet sind. Wer ein paar Sätze spanisch spricht ist klar im Vorteil. Fast noch wichtiger aber ist englisch, denn in dieser Sprache finden – von wenigen Ausnahmen abgesehen – auch die vielen Touren statt, die von Hotels in Nationalparks und privaten Schutzgebieten angeboten werden.

Die Auswahl an Vogel-Büchern ist vergleichsweise groß und das zur Bestimmung wohl am besten geeignete Werk „The Birds of Costa Rica: A Field Guide„, gibt es auch im deutschen Amazon-Laden zu bestellen. Ich bin mit diesem Buch gut zurecht gekommen, lediglich zwei Arten, die ich klar gesehen hatte, konnte ich damit nicht identifizieren. Eine wesentlich größere Auswahl bietet die US-amerikanische Amazon-Seite, wegen der Lieferzeiten sollte man seine Bestellung aber rechtzeitig aufgeben und muss evt. mit hohen Versandkosten rechnen. Natürlich kann man auch in Costa Rica nach diesen Büchern suchen, allerdings habe ich in der Hauptstadt San José nur bei 7th Street Books (an der Ecke von Calle 7 und Avenida Central -1) eine gute Auswahl gefunden. Und wer sich darauf verlässt, gute Bestimmungsbücher in den Besucherzentren der größeren Nationalparks zu kaufen, an dem sind womöglich vorher schon jede Menge Vögel vorbei geflogen.

Es gibt verdammt viel zu sehen und zu erleben in Costa Rica und zu den Highlights unserer Tour werde ich hier (hoffentlich noch vor der nächsten Reise) noch mehr schreiben, zunächst aber beschränke ich mich auf die besten Tipps für Vogelfreunde, aufgelistet in der Reihenfolge unserer Besuche:

Nur etwa 40 Kilometer von der Hauptstadt San José entfernt liegt der Vulkan Poas und nur wenige Kilometer vor Eingang des Nationalparks betreiben die beiden Südafrikaner Mark & Oliver die Poas Lodge. Die beiden sind nicht nur superfreundlich, hilfsbereit und auskunftsfreudig. Sie bieten auch mehrere geschmackvoll eingerichtete Zimmer mit tollem Blick auf San José und das Valle Central, es gibt hervorragendes Essen und jede Menge Kolibris, die man dort mit Futterstellen anlockt. Eine Übernachtung lohnt sich also auf jeden Fall, auch wenn es Mitte Januar dort auf fast 3000 Meter Höhe schon mal etwas frischer werden kann.

Heiß, aber verhältnismäßig trocken war es dagegen am Golf von Nicoya. Dort liegt, umgeben von Mangrovensümpfen und inmitten einer großen Farm, die von Einheimischen betriebene Ensenada Lodge, komplett mit Restaurant, Pool und urigen Hütten mit Meeresblick. Schon beim Morgenspaziergang wurden wir dort von Papageien und einem guten Dutzend weiterer Arten umschwirrt. Es gibt Pelikane, Ibisse, Holzstörche, einen ganzen Steg voller Seeschwalben und ein sehr beeindruckendes „Sortiment“ von Reiher-Arten, die man sich bei einer Bootstour aus der Nähe anschauen kann:
Viel gelernt und gesehen haben wir auch bei einer Führung durch den Mangrovenwald der Lagarta Lodge, die auf einer Anhöhe bei Nosara (Nicoya-Halbinsel) liegt und von der aus man einen tollen Blick auf den Pazifik genießt: Die ersten Brüllaffen, Fregattvögel und Pelikane, im Wald dann balzende Langschwanzpipras und Manakins sowie die überraschende Erkenntnis – vermittelt von unserer deutschen Führerin Gabriele, dass man (manche) Termiten nicht nur essen kann, sondern dass sie sogar fein-würzig nach Pfeffer schmecken. Laut einer Liste von Max Roth, die sich auf der Webseite der Lodge befindet, sind hier schon 270 verschiedene Vogelarten beobachtet worden!

Das beeindruckendste Vogelparadies Costa Ricas aber ist für mich der Palo Verde Nationalpark: Auf seinen 17000 Hektar findet sich die größte Konzentration von Wasservögeln in ganz Zentralamerika, einschließlich Tausender Zugvögel aus Nordamerika, die hier zwischen September und März überwintern. Die Übernachtungsmöglichkeiten sind sehr begrenzt: Wir hatten die Wahl zwischen der Rangerstation mit ihren sechs Schlafräumen á sechs Betten, und der Forschungsstation der Organisation for Tropical Studies (OTS), für die wir uns entschieden. Dort herrscht die Atmosphäre einer Jugendherberge, komplett mit großer Kantine und Stockbetten, und in der Buchung sind sowohl drei Mahlzeiten enthalten, als auch eine mehrstündige Führung – in unserem Fall durch Guide Raphael, mit dem wir gleich an vier verschiedenen Stellen im Park unterwegs waren. Nasenbären (Coatis) und Kappuzineraffen waren inklusive, ebenso Leguane und eine fette Tarantel direkt vor der Hütte.

Sieht bös aus, tut aber nichts: Ein Iguana im Palo Verde Nationalpark

Wer den Komfort eines Wellness-Hotels sucht, ist hier Fehl am Platz und besonders Abends sollte man sich im Überflutungsgebiet des Rio Tempisque gegen Mosquitos wappnen. Auch eine Bootstour haben wir uns gegönnt, die aber trotz Krokodilen, Affen und natürlich jeder Menge Wasservögel den Preis von fast 90 Dollar nicht wert war. Vom Flußdelta ging es dann wieder bergauf in den Nebelwald:

Auf 1400 bis 1700 Meter Höhe liegt das private Naturreservat Monteverde. Es gilt als eine der größten Sehenswürdigkeiten des Landes und wurde deshalb insbesondere von US-amerikanischen Besuchern regelrecht überrant. Dieser Rummel hat jedoch zum Glück etwas nachgelassen, vielleicht auch weil es inzwischen zahlreiche neue Parks gibt, die weniger schwer zu erreichen sind. Keine der drei Zufahrtstraßen ist nämlich asphaltiert, sodass man mit bis zu zwei Stunden Holperpiste rechnen muss. Wir nutzten als Ausgangspunkt die sehr angenehme Arco Iris Lodge, günstig gelegen im Ort Santa Elena, deutschsprachig und mit sachkundigem Personal, wo man mir auch mit Ricardo Guindon einen hervorragenden Führer vermittelte. Der kassierte von jedem in unserer achtköpfigen Gruppe 20 Dollar, und dazu kam auch noch der Eintritt in das Reservat selbst, der im Januar 2012 bei 18 Dollar lag. Einerseits habe ich mich über die generell sehr hohen Eintrittspreise für die Naturparks Costa Ricas ziemlich geärgert, andererseits leistet man damit auch eine Art Solidarbeitrag zur Erhaltung der Natur. Und wer weiß, wie lange es Monteverde mit seinen 2500 Pflanzen- und mehr als 400 Vogelarten noch gibt?

Viele befürchten, das Reservat könnte schon bald der globalen Erwärmung zum Opfer fallen. Laut Ricardo haben die Niederschläge in den vergangenen Jahrzehnten ständig nachgelassen und die Vegetation beginnt sich zu verändern. Das Überleben vieler Tiere – auch des Quetzals – hängt jedoch von bestimmten Nahrungspflanzen ab und sie haben keine Möglichkeit auszuweichen, da Monteverde von Weideland eingeschlossen ist und es keinen Korridor zu vergleichbaren Lebensräumen in Mittelamerika mehr gibt.

Seinen Preis hat Ricardo nicht nur mit solchen Hintergrundinformationen gerechtfertigt, sondern auch mit seinen Vogelkenntnissen und einem hervorragenden Spektiv, durch das wir abwechselnd hindurchschauen durften. Ohne diese Zutaten hätten wir im dichten Nebelwald wohl nur einen winzigen Bruchteil der dort umherschwirrenden Arten bestimmen können. Als ich nämlich nach der Tour mit meinem Ticket (das für den ganzen Tag gültig war) zurück in den Park ging und ca. fünf Kilometer entlang zweier Rundwege lief, konnte ich keine einzige Vogelart identifizieren!

Weiter südlich, wieder an der Pazifikküste, hatten wir ein weiteres lohnendes Ziel für Birder ausgemacht: Die Cerro Lodge, die in unmittelbarer Nähe des Nationalparks Carara liegt und die 40 Dollar teure Vogeltouren anbietet. Dieses Geld allerdings haben wir uns gespart, denn die Lodge war ausgebucht und wir haben die in dieser Gegend recht häufigen Hellroten Aras auch ohne fremde Hilfe gefunden: Unüberhörbar krächzten sie vor unserem Zimmer im recht günstigen Hotel Carara, das noch dazu unmittelbar am Strand gelegen war.

Am Weg lag auch der Nationalpark Manuel Antonio, von dem ich allerdings abraten möchte: Er ist einfach zu überlaufen und scheint mehr lärmende Familien und Strandgänger anzuziehen, als Naturfreunde. Ansonsten fiel der Park auch dadurch unangenehm auf, dass viele Affen und andere Tiere einen verdächtig zahmen Eindruck machten, was sich offenbar dadurch erklärt, dass sie hier trotz Verbotes von allzu vielen Idioten gefüttert werden. Natürlich gibt es auch in dieser Ecke des Landes unglaublich viel zu sehen, doch werde ich davon in einem anderen Artikel berichten und statt dessen die Vogelschau beenden mit einem Hinweis auf die zwei weitere tolle Lodges, die wir auf unserer Reise besucht haben:

Bosque de Tolomuco lautet der erste gar nicht so geheime Tipp, ein freundliches Gasthaus auf 1600 Metern Höhe, mit Pool und vielen Wanderwegen. Auf dem 40 Hektar großen Areal sind bereits mehr als 200 Vogelarten gesichtet worden und wer aus dem Süden kommend auf seiner Reise durch Costa Rica die spektakuläre Fahrt über den 3300 Meter hohen „Todespass“ Cerro de la Muerte absolviert, sollte dort unbedingt einen Stopp einplanen. Die eigene Webseite – bis vor kurzem noch erreichbar unter „http://bosquedeltolomuco.com“ hat offenbar dichtgemacht, doch die euphorischen Besprechungen beim TripAdviser sprechen für sich. Rolf und Lise Zersch waren auch für uns perfekte Gastgeber und das einzige Manko haben wir uns selbst zuzuschreiben: Es blieb – wieder einmal – zu wenig Zeit für meine gefiederten Freunde.

Wer uns bis hierher gefolgt ist, und noch immer keinen Quetzal gesehen hat, bekommt noch eine weitere gute Chance jenseits des Passes am Mirador de Quetzales / Finca Edie Serrano. Uns ist er entgangen, der „Göttervogel“, doch dafür hat der YouTube-Benutzer lionelrr das folgende Video zusammengeschnitten. Die Flötenmusik müsst Ihr ertragen, den Ton abdrehen oder – mein Vorschlag – nach Costa Rica reisen und den Quetzal mit eigenen Augen sehen. Live und ohne Wimmerhölzchen…

Zugabe für Åland

Eigene Flagge, eigene Briefmarken und auch sonst sehr eigen: Die Aland-Inseln gehören zwar seit 1921 als entmilitarisierten Zone „offiziell“ zu Finnland, doch spricht und fühlt man sich eher schwedisch.

Der Himmel so blau, die Luft so klar, die Leute so freundlich und das Glück auf unserer Seite. Kurzum haben wir deshalb heute unseren Aufenthalt auf Åland um zwei Tage verlängert. Eine Stornierung im Gasthaus Christiansund machts möglich und selbst auf der Fähre war am Sonntag-Abend noch einer der letzten Plätze frei – also haben wir nicht lange gefackelt. Klar bin ich neugierig auf Uppsala und Sigtuna, das Skolkloster und den Tiveden-Nationalpark – aber hier auf Åland nach nur zwei Tagen wieder abzureisen, erschien uns wie ein Frevel – zumal es offenbar noch jede Menge zu entdecken gibt.

So wie gestern, als ich mir ein Dreigang-Fahrrad mit Körchen vor dem Lenker geliehen habe, um unseren Zipfel der Insel Eckerö zu erkunden. Gewünschter Nebeneffekt: Ich bleibe im Training für die Renchtalrunde (aber das ist eine andere Geschichte). Na jedenfalls war die Insel dann doch nicht ganz so flach, wie sie von der Fähre ausgesehen hat. Und meine mountainbikenden Freunde hätten bestimmt ihren Spass daran gehabt zu sehen, wie ich immer wieder aus dem Sattel gehen musste, um die achterbahnmäßige Schotterstrecke nach Långöjen (auch „Långön“ geschrieben) zu bewältigen, wo ich nicht nur das Ende der Straße erreichte, sondern auch den laut Karte nordöstlichsten Punkt von Eckerö.

Schon kurz nach der Abzweigung von der Hauptstraße 1 der Insel stieß ich dabei auf das Eckerö Hotel und dessen bunte Reklametafel für den „Elvis von Aland“, der mit bürgerlichem Namen Ronald Karsson heißt und hier sechs mal pro Saison seine Show abzieht. Das man sich in dem Hotel deshalb gleich mit Graceland vergleicht, läßt mich schmunzeln. Und obwohl man für ein „exklusives Elvis-Menü“ samt Eintritt 53 Euro hinblättern müsste, wäre ich an solch einem Abend doch gerne einmal dabei.

Vorbei ging es am Campingplatz und Konferenzzentrum Käringsund, mit seinen vielfältigen Freizeitangeboten und einem vergleichsweise preiswerten Restaurant mit großen Portionen. Geschätzte 12 Kilometer weit war der Weg, der zunächst auf Asphalt, dann auf Schotter durch den teilweise recht schütteren Wald führte, wo sich zähe Kiefern, Flechten und Moose auf dem roten Granit festkrallen. Mal links, mal rechts gab es Ausblicke auf die blaue Ostsee. Eine Lachsfarm mit allerlei Bottichen, Geräteschuppen und Maschinen unterbrach kurz die Idylle und dann ging es vor einem Windrad rechts ab, das letzte Stück Straße bis zum handgemalten Ortschild von Långöjen.

Dort endete die Schotterpiste direkt am Meer und ich erblickte rund herum die offenbar typische schwedische Grundausstattung: Ein schmuckes Holzhaus am Meer (oder wahlweise auch auf einer grünen Wiese oder an einem See), Doppelgarage mit Volvo oder ähnlich repräsentativem Auto davor (in diesem Fall eine dreifach-Garage mit einem 500er Mercedes und einem Volvo), Bootsschuppen und Anlegestelle. Die Einwohnerzahl von Långöjen, schließe ich messerscharf, entspricht der Zahl der Bewohner dieses Hauses. Ob es wohl drei, vier oder fünf sind?

Taktvoll halte ich mich abeits des Hauses, stelle fest dass dessen Besitzer auch einen kleinen Sandstrand vorzuweisen hat, neben dem ein Ruderboot und zwei Kanus im Gras liegen. Zwischen den Felsen hat er an einer windgeschützen Stelle einen rustikalen Holztisch mit zwei Bänken eingepasst und ein paar Meter weiter lädt ein sorgfältig ausgerichteter Stamm dazu ein, den Blick aufs Meer und die vorgelagerten kleinen Inseln zu genießen. Dies tue ich ausgiebig, schaue den Seeschwalben beim Fischfang zu und versuche recht erfolgreich, nicht neidisch zu sein.

Als ich mich wieder auf´s Fahrrad schwingen will, begegne ich dem Hausbesitzer, der mich nach meiner Herkunft fragt. Ich antworte und mache ihm ein Kompliment für sein schönes Haus „am Ende der Welt“. Für ihn sei es die Mitte der Welt, entgegnet er und fügt auf deutsch hinzu, dass er schon mindestens 50 Mal in Deutschland gewesen sei. Auch in Baden-Baden, erklärt er auf meine Versuche, Offenburg in der Nähe von Straßburg zu verorten. Wieder ´was dazu gelernt, denke ich auf dem Heimweg und sinniere über den sehr speziellen Charakter von Åland:

Dessen weniger als 30000 Einwohner verteilen sich auf 6700 Inseln – macht durchschnittlich 4 Personen pro Eiland. Wo sonst auf der Welt gibt es noch solch eine Quote, frage ich mich verblüfft. Die Karibik mag höhere Duchschnittstemperaturen haben. Aber die langen Sommernächte, die klare Luft und das satte Grün wird man dort vergebens suchen. Die Attraktionen hier sind zugegebenermaßen nicht gerade atemberaubend. Aber die Inseln, die erst vor 8000 Jahren aus der Ostsee aufgetaucht sind, haben eine interessante Geschichte vorzuweisen. Mal schwedisch, mal russisch waren sie Durchgangsstation und Transportweg auf dem Weg von Stockholm ins heutige Finnland, wovon noch heute eines der größten Gebäude hier zeugt: Das Post- und Zollamt auf Eckerö war der westlichste Außenposten des Zaren und musste deshalb auch entsprechend repräsentativ sein. Heute ist ein kleines Museum ´drin und ein Café und von hier ab finden sich immer wieder Infotafeln auf schwedisch, englisch, finnisch und deutsch, auf denen die Sehenswürdigkeiten entlang des alten Postweges erklärt sind.

Biegt man von der Fähre kommend nach zwei oder drei Kilometern auf der Inselstraße mit der Nummer 1 recht ab in Richtung Torp und fährt noch einige Kilometer weiter nach Süden landet man auf dem Campingplatz Degersand und seinem Restaurant „Q“. Hier findet sich ein echter Sandstrand, dekoriert auf seiner östlichen Seite mit einem Dutzend schmucker Holzhäuschen. Wir dagegen entscheiden uns für die westliche Sete des Strandes, wo wir uns bis in den Abend hinein auf die glatten, warmen Granitfelsen fläzen. Und so ganz ohne Ablenkung entdeckt wir auch bald jede Menge Tierchen , die die Flut in ein paar Pfützen hinterlassen hat: Gestreifte Fischlein, kaum größer als ein Fingerglied, Wasserasseln und Schwärme weißer Pünktchen – Wassermilben vielleicht? – die scheinbar zielllos hin und her wuselten.

Mit so viel Zeit scheuten wir nicht einmal vor dem Besuch der Kirche von Eckerö zurück, die um 1400 aus groben Steinen exakt zusammen gesetzt wurde und die mit Schindeln gedeckt ist. Nur ein paar Meter entfernt davon liegen einige Hügelgräber, deren Umrisse man unter dem Gras erahnen kann, und die offenbar exakt nach Norden ausgerichtet wurden. Was auch immer sich die Menschen in der Zeit zwischen 400 und 1000 n.Ch. dabei gedacht haben mögen, dass ihre Inseln einmal zu solch einer friedlichen Oase würden, haben sie wohl kaum erahnt.

Thank you for the music auf Eckerö

Etwas unvermittelt erscheint hier der erste Eintrag zu unserer Schweden-Reise. Noch dazu, wo wir jetzt „eigentlich“ in Finnland sind. Und eigentlich wollte ich ja auch alles schön ordentlich von Anfang an erzählen. Aber nun sind wir halt schon mitten ´drin, im Urlaub. Bis hierhin hatte mich die Arbeit in Form von unzähligen Änderungswünschen an meinem letzten großen Artikel verfolgt. Aber heute ist dann endlich der Knoten geplatzt. Wie passend, dass wir im Auto eine Abba-CD fanden, auf der uns gleich der erste Song zum mitträllern animierte, als wir duch die wunderschöne Landschaft fuhren. Wer immer die CD vergessen hat: „Thank you for the music.“

Nun ist also Schluss mit den Nachtschichten und ich kann endlich den Urlaub genießen. Und erzählen, von dem Flecken Erde ist, an dem ich diese Zeilen schreibe: Wir sind auf Åland, genauer auf der Insel Eckerö und noch genauer im Gästgård Christiansund, einer Pension mit einer Handvoll Zimmer, die auch Bed und Breakfast anbietet. Das W-LAN reicht von dem ockerfarbenen Häuschen über den großen Rasen mit seinen Sitzgelegenheiten und an der finnischen Sauna vorbei bis ans Wassser, über dem die Seeschwalben zu meinem Entzücken ihre Flugmanöver vorführen.

Selbst vom hauseigenen Bootsanlegesteg hat man noch Empfang, doch dürften sich die meisten Reisenden eher an der Aussicht auf die rot bemalten Bootshäuschen an den Ufern dieser Meeresenge freuen. Einige Mehlschwalben haben dort ihre Nester gebaut und jagen über dem Wasser fleißig nach Insekten, während die Kollegen von der Seeschwalbengemeinde mit etwa jedem dritten Sturzflug ein Fischlein erbeuten.

Auch nach 20:00 scheint an diesem Junitag die Sonne noch kräftig genug vom Himmel herab, um uns trotz kurzer Hosen und T-Shirt ausreichend zu wärmen. Mehr noch, der Genuss des von der Fähre mitgebrachten Büchsenbiers wird so noch einmal gesteigert. Wer hier an solch einem sonnigen Tag mehr als nur ein paar Abendstunden verbringen will, sollte die Sonnencreme nicht vergessen.

Amseln fangen an zu singen und von der Ruhebank auf dem Bootssteg glaube ich im dunklen Wasser einen Stichling zu erkennen. Die Wikipedia belehrt mich, dass ich durchaus meinen Augen trauen darf, denn „die gewandten Schwimmer kommen im Süßwasser und im küstennahen Brack- und Meerwasser vor.“ Ich verzichte auf eine Geschmacksprobe des Wassers, schließlich weiss ich ja, dass die Ostsee Dank der vielen Zuflüße und geringen Verdunstung einen ziemlich niedrigen Salzgehalt hat.

Vor meinen nackten Füßen erstreckt sich der Christiansund, der anscheinend bei der Namensgebung unserer Pension Pate stand, von hier etwa 15 Kilometer weit in südlicher Richtung bis er sich zur Ostsee hin erweitert. Eckerö hat keine 1000 Einwohner und ist – wie die anderen 6700 Aland-Inseln, eine finnische Provinz. Dies obwohl hier fast alle Einwohner schwedisch sprechen und sich so gar nicht mit ihren finnischen „Landsleuten“ identifizieren wollen. Eine seltsames Konstruktion, die auf eine Entscheidung des Völkerbundes von 1921 zurück geht, wonach die Åland-Inseln als entmilitarisierte Zone zu Finnland gehören.

Sei´s drum, heute ist alles friedlich, der weiße und der lila Flieder blüht, die Kastanien ebenso. Auf den Feldern wachsen Butterblumen und die Birken und Buchen, Eichen sowie gelegentlichen Nadelbäume zeigen ein sattes Grün. Morgen werden wir uns wohl ein Fahrrad leihen und mindestens bis zur Kirche von Eckerö fahren, ein wenig spazieren gehen, am Wasser sitzen und drauf schauen, lesen oder einfach gar nix tun. Und wenn dann noch Zeit bleibt erzähle ich Euch von unserem Ausflug und was es hier sonst noch so alles zu entdecken gibt…

Camping in Le Dramont an der Côte d´Azur

Eigentlich dachte ich, meine Campingzeiten lägen hinter mir. Schließlich habe ich 48 Lenze auf dem Buckel und fühle mich doch irgendwie lange schon eher als Reisender, den als Urlauber. Andererseits: Wer kann schon auf Dauer dem Werben eines Christof S. widerstehen, wenn dieser inmitten des langen deutschen Winters schier Unglaubliches verspricht: Sonne & Meer, Mountainbiken & Klettern, viel Wein & beste Unterhaltung im Kreise alter Freunde und netter neuer Bekanntschaften, Entspannung pur & all die Sehenswürdigkeiten der Cote d´Azur direkt vor der Haustüre?

Blick aufs azurblaue Meer vom Wanderweg ums Cap du Dramont

„Laß es uns tun“ entschieden wir nach reichlicher Überlegung  und hängten uns dran an die Reservierung unserer Freunde für ein 27-Quadrameter-Mobile-Home auf dem Drei-Sterne-Campingplatz von Le Dramont. Der Stadtteil des sieben Kilometer entfernten St. Raphael liegt an der Küstenstraße RN 98 auf halbem Weg zwischen St. Tropez und Cannes, am Fuße des rot gefärbeten Esterel-Massiv und direkt neben dem Cap du Dramont. Und wer von dort während einer etwa 90minütigen Wanderung auf das Mittelmeer blickt, kann sich die Frage sparen, woher die Cote d´Azur ihren Namen hat.

Direkt nebendran lag „unser“ Campingplatz, an dessen grobkieseligem Strand alliierte Truppen im August 1944 an Land gingen. Eine Gedenktafel zur Operation Dragoon und ein Landungsboot sowie der Name des Strandes – Plage du Débarquement – erinnern noch an dieses Ereignis. Heute tront eine Überwachungsstation der französischen Marine – Semaphore genannt – auf dem höchsten Felsen über dem Ort und an den Hängen darunter haben jede Menge Kletterer ihren Spaß.

Unmittelbar vor der Küste liegt die malerische Ile d´Or und drum herum tummeln sich jede Menge Taucher, die auf dem Gelände des Campingplatzes eine internationale Tauchschule nutzen, sowie den unmittelbar daneben gelegenen kleinen Hafen. Zwar hab´ ich mit meiner Schnorchelausrüstung nichts wirklich Beeindruckendes gesehen, aber wahrscheinlich war ich nur am falschen Eck unterwegs. Schließlich sollen die hiesigen Gewässer ein Paradies für Taucher sein – komplett mit Edelkorallen, Muränen und anderem Getier. Außerdem liegen am Meeresgrund noch ein paar Wracks herum und man kann durch die Überreste einer Miniaturstadt tauchen, die in den 1960er Jahren als Kulisse für einen Film des Meeresforschers und Helden meiner Kindheit, Jacques Cousteau diente.

Mountainbiken ohne Ende – Dank sei Christof und seinem GPS!

Alles schön und gut, doch war für den Großteil unserer Truppe das Massif de l´Estérel weitaus attraktiver. Schließlich hatte fast jeder sein eigenes Mountainbike mitgebracht und nahm dankbar an den Touren teil, die Christof für uns ausgetüftelt hatte. So ging es hindurch zwischen roten Porphyrfelsen und alten Korkeichen, über Stock und Stein, durch ausgetrocknete Bachbetten und manchmal auch über sämtlich die Kräuter der Provence hinweg, auf unzähligen Singletrails und Forstwegen bergauf und bergab, bis alle Waden geputzt und auch das letzte Trikot durchgeschwitzt war. 26 Leute, fünf – zum Glück glimpfliche – Stürze und vier Reifenpannen auf einer Ausfahrt – das muss unserem Christof erst mal einer nachmachen!

Aber auch ohne Mountainbike läßt sich das Esterel-Gebirge genießen. Wir entschieden uns für eine Wanderung vom Parkplatz am Col-Belle-Barbe, der wenige Kilometer nördlich von Agay liegt, durch das Ende Mai noch ziemlich grüne Tal des Mal-Infernet bis zu einem kleinen Stausee, dem Lac de l´Ecureuile. Der war zwar wegen einer gebrochenen Staumauer ausgelaufen doch gab´s dafür auf dem Rückweg über die Hügel oberhalb des Tales noch wunderschöne Fernblicke und Kiefernduft als Zulage.

Chicago: Alles eine Nummer größer

Eigentlich habe ich für meine Reiseberichte die Rubrik „Unterwegs“ eingerichtet, doch dieser Trip war zu sehr Business und zu wenig Sight-Seeing, als ich dass ich daraus kluge Ratschläge schneidern könnte. Sechs Tage war ich in der „Windy City“ mit ihren rund neun Millionen Einwohnern, aber gefühlte fünfeinhalb davon habe ich in den Hallen des gigantischen McCormick Place verbracht, um heraus zu finden, was über 30000 Hirnforscher im vergangenen Jahr so alles entdeckt haben (Die Berichte dazu erscheinen nach und nach auf meiner geschäftlichen Webseite unter dem Stichwort „Society for Neuroscience“).

Tatsächlich war ich vor schlappen 27 Jahren mit einigen Freunden schon einmal hier gewesen. Doch da wir uns damals in den Kopf gesetzt hatten, binnen zehn Wochen ALLE Sehenswürdigkeiten der USA zu besichtigen, und weil wir überdies in einen üblen Feierabendverkehr gerieten, blieben uns für die drittgrößte Stadt des Landes nur lächerliche sechs Stunden. Das war genug, um das John G. Shedd Aquarium zu besuchen, für das wir vier Dollar zahlten (heute $ 25) und an das ich Null Erinnerung habe, obwohl es damals das größte Aquarium der Welt war 🙁

Dumm gelaufen, nix gesehen: Der Sears Tower im Nebel (Foto via Wikipedia)
Dumm gelaufen, nix gesehen: Der Sears Tower im Nebel (Foto via Wikipedia)

Ein Steak mit Salat und Riesen-Ofenkartoffel kostete  $ 3,50 – auch das ist Vergangenheit. Die Hauptattraktion war indes der Sears Tower, mit 110 Stockwerken und 443 Metern seinerzeit das höchste Haus der Welt. Schade nur, dass wir oben in den Wolken steckten und statt grandioser Aussicht nur gefühlte Höhe blieb 🙁 Seit Juli heißt der Sears Tower übrigens Willis Tower, weil der Versicherungsmakler Willis Group Holdings mit Sitz in London für den Namen mehr Geld zu zahlen bereit war, als die Kaufhauskette Sears. Die nannte den Namenswechsel übrigens „traurig“ (Danke, Wikipedia – ohne Dich wäre ich sowas von blöd).

Fast alles was ich sonst noch über Chicago wusste, habe ich dem Kultfilm „Blues Brothers“ zu verdanken. Wer ihn gesehen hat, weiß Bescheid, die anderen sind selbst schuld, denn sie haben unter anderem reihenweise Gastauftritte berühmter Blues- und Soulstars verpasst sowie die wohl noch immer beste Autoverfolgungsjagd der Filmgeschichte. Die innerstädtische Hochbahn, unter deren Stahlträgern diese Verfolgungsjagd zum Teil statt findet, steht noch immer und bildet zusammen mit den Metra Commuter Trains und ungezählten Buslinien ein sehr gut ausgebautes Nahverkehrssystem. Wer will kann aber auch mit dem Mietwagen die Stadtautobahn entlang des Lake Michigan fahren, kilometerweit durch dreispurige Tunnelsysteme navigieren oder sich durch das Einbahnstraßensystem im Zentrum kämpfen, wo die Parkgebühren während der Hauptgeschäftszeiten schon mal 14 Dollar erreichen können – für eine halbe Stunde!

Sehenswürdigkeiten gibt es zuhauf und nicht gesehen habe ich das Adler-Planetarium, das Art Insitute of Chicago und das Field Museum of Natural History, um nur mal drei High-Lights zu nennen, die ich mir für den nächsten Besuch vorgenommen habe.

Wer auf Hochhäuser steht, riskiert hier einen schiefen Hals. An all den unterschiedlichen Gebäuden und Stilen konnte ich mich gar nicht satt sehen. Anscheinend gibt es hier keine strengen Bauverordnungen, die Architekten konnten sich so richtig austoben, die Bauherren wollten sich gegenseitig übertrumpfen und heraus kam ein ziemlich grandioser Mix aus Glasfassaden und Steintürmen in den verschiedensten Farben, mal mit und mal ohne Zinnen, Türmchen und anderem Zierat. Manch einem mögen die Fassaden bekommt vor kommen, und dies ist kein Zufall. Zwei Batman-Filme, nämlich Batman Begins und The Dark Night nutzten beide die Kulisse der Stadt.

Unter den Betonhaufen, den Stahltürmen und dem Asphalt gibt es — noch mehr Beton, Stahl und Asphalt. Zusammen mit gut 30000 Kongressteilnehmern konnte ich dies aus den Bussen heraus beobachten, für die man eine kilometerlange unterirdische Trasse zum McCormick Place gebaut hat. Dieses Veranstaltungszentrum bietet Platz für 100000 Menschen; man könnte aber auch ein paar Kirchen darin parken. Es gibt mehrere Autobahnanschlüsse, Zug- und Metrohaltestellen, Souvenirshops, überteuerte Pizza und einen integriertem McDonalds wo offensichtlich die Weltmeister im Schnellbraten und -verkaufen von Hamburgern arbeiten. Selbst zu den schlimmsten Stoßzeiten musste keiner länger warten als eine Viertel Stunde.

Zimperliche Vegetarier werden in Chicago weniger Spass haben als die Freunde saftiger Steaks, lauter Sportbars und voller Bierhumpen. Mein Tipp: Think globally, drink locally. In Chicago bedeutet das, auf Heineken & Co. zu verzichten und statt dessen die verschiedenen Sorten der Goose Island-Brauerei zu probieren. Am besten schmeckt das Bier natürlich mit Live Blues-Musik, auch wenn womöglich ein Großteil der Kneipen ihre Existenz den Touris oder Kongressbesuchern wie mir verdanken. Spass gemacht hat´s trotzdem. Und wo, bitte, findet man noch eine „Charly Love Blues Band“ und eine Nellie „Tiger“ Travis, deren Ausstrahlung und röhrender Gesang einem Nackenschauer auf den Buckel zaubern? Schade, dass die Nacht im Blue Chicago so kurz und die Arbeitstage so lang waren. Ich hoffe auf ein Wiedersehen und dann – das habe ich mir fest vorgenommen – werde ich mehr Zeit für Chicago mitbringen.

Buchbesprechung: Atatürks Kinder von Hans-Joachim Löwer

Was sind das eigentlich für Menschen, die Türken? Wie leben sie in ihrem Land? Und wie denken sie über sich, über uns, über Gott und die Welt? Fragen, die mich bislang allenfalls am Rande interessierten, wurden im Frühsommer 2009 auf einmal wichtig. Nicht als ahnungsloser Touri wollte ich den zweiwöchigen Urlaub in  Istanbul und in Kiyiköy am Schwarzen Meer verbringen, sondern als Reisender. Respektvoll, aber nicht unkritisch. Mit wachen Sinnen und stets bereit, Neues zu lernen, meine Vorurteile zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu korrigieren.

Wenn es Ihnen genau so geht, kann ich „Atatürks Kinder“ von Hans-Joachim Löwer nur wärmstens empfehlen.

Löwer, der 16 Jahre lang Auslandsreporter des „Stern“ war, durchreiste für dieses Buch die Türkei von Ost nach West mit leichtem Gepäck um – so der Klappentext – „ihren Menschen nahe zu kommen und zu verstehen, wie sie sich und ihre Zukunft in Europa sehen“. Das Ergebnis sind 30 einfühlsame, elegant geschriebene Porträts äußerst unterschiedlicher Menschen. Der Weg führt von ebenso armen wie bescheidenen Bergbauern im Karcal-Gebirge an der Grenze zu Georgien über den bedrohlich-verschlossenen und ungastlichen Scheich Seyed Abdul Bakir in dem Dorf Menzil bis zur Powerfrau Zeynep Gül Aktas, die an der Börse von Istanbul täglich Millionen bewegt. Dazwischen mischt Löwer sich unter die Scharen von Touristen, die bei Sonnenaufgang die gewaltigen Steinskulpturen auf dem 2150 Meter hohen Berg Nemrut Dagi bewundern, und er trifft in Derinkuyu auf den einsamen Forscher Metin Göksen, der ihm seine Theorien über die unterirdischen Höhlenstädte Kappadokiens erläutert.

Löwer spricht mit strengen Militärs und ebenso strengen Vätern, mit Baulöwen am Atatürk-Staudamm wie auch mit Gastarbeitern, die nach Jahrzehnten harter Arbeit als alte Mäner aus Deutschland in ihr sterbendes Heimatdorf Mentes zurück gekehrt sind, um dort ihren Lebensabend zu beschließen. Der Autor widmet ein Kapitel den Nöten der Istanbuler Hausfrau Perihan Pinar und beschreibt deren Alltag ebenso spannend wie in einem anderen Kapitel den traumhaften Aufstieg des Teppichhändlers Fettah Tamince zum Besitzer der Nobelhotelgruppe Rixos. Löwer ist ein exzellenter Schreiber und so schafft er es, auf jeweils einigen wenigen Seiten, den unbequemen, weil kurdischen Verleger Fatih Tas genau so eindrucksvoll zu porträtieren wie den Umweltschützer Hayrettin Karaca, den jedes Schulkind in der Türkei als „Herr der Eichen“ kennt und dessen Stiftung TEMA heute mit 264000 Mitgliedern die zweitgrößte zivile Vereinigung des Landes ist.

Hans-Joachim Löwer gelingt das Kunststück, mit leichter Feder auf gerade einmal 200 Seiten mehr Wissen und Verständnis über die Türkei zu vermitteln, als jeder noch so gute Reiseführer. Sein Buch „Atatürks Kinder“ ist das Beste, das ich seit langem gelesen habe und es hat mir große Lust gemacht auf weitere Reiseberichte dieses hervorragenden Journalisten.

Nachtrag: Wenn wir von hervorragenden Journalisten reden, darf Peter Scholl-Latour nicht fehlen. Der hat sich nämlich früher als andere mit dem heraufziehenden Konflikt zwischen dem Islam und der westlichen Welt befasst. Sein Reisebericht „Allahs Schatten über Atatürk: Die Türkei in der Zerreißprobe. Zwischen Kurdistan und Kosovo“ stammt zwar aus dem Jahr 1999 und ist damit nicht mehr ganz taufrisch. Angesichts des immensen Wissens und des gewaltigen Erfahrungsschatzes Scholl-Latours steht dieses Buch jedoch in meiner „Leseliste Türkei“ noch immer ganz weit oben.

Buchbesprechung: Istanbul von Orhan Pamuk

Als Einstimmung und Vorbereitung zu einem Besuch in Istanbul habe ich mir dieses Buch gekauft, angelockt auch von den Lobgesängen auf dem Buchdeckel: „Ein wunderbares Istanbuler Lesebuch“, wird dort aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zitiert und in der Frankfurter Rundschau urteilte der Rezensent: „Ein fesselnder Liebesroman mit Istanbul in der Rolle der Geliebten.“

Um es vorweg zu nehmen: Angesichts der beeindruckenden Biographie des Autors – Orhan Pamuk ist nicht nur der einzige türkische Nobelpreisträger für Literatur sondern er wurde auch vor Gericht gezerrt und mit Todesdrohungen überhäuft, weil er sich kritisch mit der Vergangenheit seines Landes auseinander gesetzt hat – bin ich von dem Buch ziemlich enttäuscht.

Mir erscheint das Werk als die seltsame Verquickung einer Biographie aus Pamuks Kindheits- und Jugendtagen einerseits sowie dem melancholischen Blick auf Istanbul andererseits. Das Wort, das mir im Gedächtnis bleibt ist „Hüzun“ für eine spezifische Gefühlsregung, die sowohl Melancholie und Niedergeschlagenheit umfasst, in der aber andererseits auch eine Zuneigung für diese Stadt mitschwingt, die sich sowohl aus dem Verfall und der vermeintlichen Unterlegenheit gegenüber dem Westen speist, wie auch aus dem Rückblick auf eine unwiederbringliche Glanzzeit.

Eingeflochten sind Beschreibungen von Pamuks Gefühls- und Familienleben sowie die Versuche anderer, meist westlicher Künstler, die Stadt zu beschreiben.

Die Hoffnung, aus diesem Buch einen Nutzen auf den bevorstehenden Urlaub zu ziehen wurde enttäuscht und obwohl der Schmöker mehr als 400 Seiten umfasst, hat er bei mir nur eine sehr diffuse Ahnung hinterlassen, was es bedeutet, in dieser Stadt als (reicher, der westlichen Lebensart zugeneigter) Türke zu leben.

„Istanbul“ enttäuscht mich sowohl als Biograpie, wie auch als Stadtporträt und ich kann dem Buch allenfalls Mittelmäßigkeit bescheinigen. Wer sich lieber ein eigenes Urteil bildet, kann es z.B. bei Amazon bestellen und gerne auch im Kommentar seine eigene Rezension hinterlassen.