Vogelparadies Wagbachniederung

Fast fünfzig Vogelarten in nur fünf Stunden gesehen – das war die Bilanz unserer ersten Expedition nach Waghäusel im März. So begeistert waren Andi, Ralph und ich, dass wir gelobten, gleich zu Beginn der Brutzeit nochmals dorthin zu fahren – und am vergangenen Karfreitag war es dann soweit. Diesmal haben wir fast das gesamte Naturschutzgebiet der Wagbachniederung umrundet, dabei eine Strecke von etwa zehn Kilometern zurück gelegt – und wurden erneut reichlich belohnt.

Mindestens zwei Purpurreiher (Ardea purpurea) waren unterwegs, einen davon konnten wir ausgiebig beim Nestbau beobachten. Als stark gefährdet wird dieser prächtige Vogel in der Roten Liste der seltenen Arten geführt und auf meiner Liste war er in diesem Jahr die 160ste Art. O.k., ich geb´s zu: etwa die Hälfte davon habe ich in Costa Rica gesehen. Aber auch Deutschland hat für „Birder“ viel zu bieten. Und so macht mein „Big Year-Projekt„, bei dem ich mir vorgenommen habe, möglichst viele verschiedene Spezies in diesem Jahr zu sehen, weiter Fortschritte. So konnte ich am vergangene Wochenende auch das Blaukehlchen (Luscinia svecica) der Liste hinzu fügen, und hier ist der Beweis:

Was will uns dieser Vogel sagen? Egal – es ist ein Blaukehlchen!

Keine Angst, ich werde hier nicht erneut die komplette Artenliste aufführen, diese Form der Buchhaltung habe ich nämlich inzwischen auf ornitho.de verlagert, eine wirklich großartige Webseite für ehrgeizige Vogelbeobachter, komplett mit Verbreitungskarten und den Sichtungen von bald 9000 Mitwirkenden, die man sich sogar nach Regionen filtern lassen kann. Ein tolles Projekt, bitte weiter so!

Zurück in die Wagbachniederung, dem Naturschutzgebiet und Vogelparadies bei Waghäusel: Schön zu sehen waren hier ein gutes Dutzend Kiebitze (Vanellus vanellus) im Balzflug: Hoch hinaus und dann im Sturzflug Richtung Wasseroberfläche, wo sie haarscharf die Kurve kratzten und das nächste Manöver flogen. Tja, was tut Mann nicht alles, um die Weibchen zu beeindrucken. Ganz sicher waren wir uns nicht bei einigen Watvögeln (Limikolen), haben uns dann aber auf Kampfläufer (Philomachus pugnax) geeinigt, die hier offenbar auf der Durchreise waren.

Unter den Greifvögeln waren diesmal zwei Schwarze Milane (Milvus migrans) am Himmel zu sehen, von denen einer im Flug seine Beute verspeist hat, außerdem ein Pärchen Rohrweihen (Circus aeruginosus). Wer auf Gänse und Enten steht, bekam am Karfreitag ebenfalls wieder das volle Programm geboten: Graugänse (mit den ersten Jungen!), Kanadagänse sowie eine Streifengans (Anser indicus) und eine Nilgans (Alopochen aegyptiacus), beides sicher die Nachkommen von Gefangenschaftsflüchtlingen sowie neben den häufigeren Arten auch Knäk-, Krick– und Kolbenenten.

Den ersten Kuckkuck der Saison habe wir ebenfalls am Karfreitag in der Wagbachniederung gehört, und pflichtgemäß wollten wir zudem vermelden: Der Sommer ist da. Denn auch wenn eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, die etwa 20 Rauchschwalben (Hirundo rustica), die wir gesehen haben lassen keine Zweifel zu: Die kalte Jahreszeit ist vorbei.

Und wie geht´s weiter? Gleich ergänze ich die Liste der in Waghäusel gesehenen Arten bei der Encyclopedia of Live. Und ich freue mich an dem Fernglas meines Vaters, das meine Mutter mir als schönstes Osterei gestern mit auf den Weg gegeben hat. Das Zeiss 8×20 B ist ein Klassiker und schlägt um Längen die Billigoptik, mit der ich mich bislang zufrieden geben musste. Erst vor wenigen Stunden habe ich mit dem kompakten neuen Fernglas mein erstes Schwarzkehlchen (Saxicola rubicola) erspäht, fast direkt vor der Haustür hier in Ichenheim (Neuried). Mit der Erfahrung wächst die Begeisterung und jetzt, wo der sportliche Ehrgeiz geweckt ist, reizt mich auch das Birdrace, bei dem es bundesweit am 5. Mai darum geht, wer die meisten Vogelarten zu Gesicht bekommt. Das wäre doch gelacht, wenn Andi, Ralph und ich nicht mindestens… (Fortsetzung folgt)

Entdeckt: Haarvogel mit Glatze

Wie bereits erwähnt bin ich gerade dabei, meine Webseiten neu zu sortieren. Aktuell verbringe ich einen Teil meiner Freizeit mit der Vogelbeobachtung und was dabei so ´rauskommt konntet Ihr ja bereits in den letzten paar Beiträgen lesen. Statt nun wieder über den Euro zu schimpfen oder Gauck zu loben, wie es meiner sprunghaften Natur entspräche, will ich erst einmal beim „Birding“ bleiben. Ich gestehe, dies auch in der Hoffnung zu tun, hier noch ein paar mehr Vogelfreunde anzuziehen und eine gewisse „kritische Masse“ zusammen zu bringen. Nun also weiter mit dieser Meldung, die ich von meinem Blog hierher umgezogen und dabei gleichzeitig mit einem Update versehen habe:

Erst wusste ich nicht so recht, ob ich diese Meldung überhaupt aufgreifen sollte. Andererseits gibt es eine Entdeckung zu vermelden (siehe Untertitel), ich bin ein Vogelfreund, freue mich immer wieder an der Vielfalt der Natur im Allgemeinen und an neu entdeckten Arten im Besonderen. Und dann sieht dieser Piepmatz auch noch ziemlich lustig aus und hat ebenso wie ich kaum noch Haare auf dem Kopf. Dass der Glatzkopf zur Familie der Bülbüls gehört, die auch Haarvögel genannt werden, passt wie die Faust auf´s Auge, also gebe ich hier wieder, was die englischsprachige Pressemitteilung der Wildlife Conservation Society hergibt:

Entdeckt wurde die neue Vogelart von Forschern eben dieser Wildlife Conservation Society (WCS) und der Universität Melbourne in einer selten besuchten, kargen Waldregion in Laos. Es sei der einzige kahle Singvogel auf dem gesamten asiatischen Kontinent, so die WCS. „Diese Entdeckung macht wieder einmal deutlich, wie viel es noch auf der ganzen Welt zu lernen gibt“, freute sich der WCS-Direktor für Asien,  Colin Poole. Der etwa Amsel-große Vogel hat ein grünlich-olives Gefieder und eine hell gefärbte Brust, ein charakteristisches federloses pinkfarbenes Gesicht, und um die Augen eine blau gefärbte Haut, sowie auf dem Scheitel eine schmale Linie haarähnlicher Federn. „Trotz seiner auffälligen Verhaltensweise und Rufe ist dieser Vogel unbemerkt geblieben, weil er in einer für Menschen wenig reizvollen Umgebung lebt“, vermutet Mitentdecker Iain Woxvold von der Universität Melbourne.

Noch hat das Tier keinen offiziellen wissenschaftlichen Namen, doch die vorläufige englische Bezeichnung könnte man mit „Kahlgesichtiger Bülbül“ übersetzen. Ich fände Glatzkopf-Bülbül aber viel passender. Also wenn dies einer jener deutschen Ornithologen lesen sollte, die bei der Namensgebung mit entscheiden dürfen, bitte ich hiermit um Beachtung meines Vorschlages.

nicht gerade eine Schönheit – die neu entdeckte Art aus der Familie der Haarvögel (Foto: Iain Woxvold, University of Melbourne)

Aktualisierung vom 23.3.2012. An der Abstimmung, die ich im Sommer 2009 auf meinem Blog gemacht habe, haben sich ganze 23 Personen beteiligt. Inklusive zweier nicht ganz ernst gemeinter Vorschläge ergab sich dabei folgendes Bild:

Mein Vorschlag wurde also mit relativer Mehrheit angenommen. Doch ob die deutschen Ornithologen sich inzwischen auf einen Namen geeinigt haben, weiß ich nicht. Im Englischen blieb es jedenfalls beim „Bare-faced Bulbul“ und der für Alle Fachleute verbindliche lateinische Name lautet Pycnonotus hualon. Die meisten Informationen über diese Art habe ich noch bei BirdLife International gefunden, doch ist dieser Eintrag – ebenso wie der bei Wikipedia leider nur auf englisch verfügbar. Nebenbei habe ich dann auch noch versucht, eine belastbare Zahl zu finden, wie viele Vogelarten es überhaupt gibt. „Um die 10000“, war die beste Antwort, die ich finden konnte. Und die Erklärung für eine solch ungenau Angabe lautet, dass verschiedene Systeme der Klassifizierung nebeneinander existieren und dass – natürlich – die Forschung immer weiter geht. Ich bin jedenfalls bei meinem „Big Year“-Projekt inzwischen bei exakt 150 verschiedenen Arten angekommen, die ich in diesem Jahr (2012) gesehen habe: 76 davon in Deutschland, 76 in Costa Rica und zwei davon (Graureiher und Silbereiher) in beiden Ländern. Jetzt warte ich auf die erste Schwalbe, denn der Frühling ist – gefühlt und kalendarisch – bei uns im Badischen schon seit Tagen angekommen…

Power-Birding bei Waghäusel

Verzeihung erst Mal für den „reißerischen“ Titel. Aber auch wenn die echten Profis unter den Vogelguckern & Birdern angesichts meiner Beobachtungen nur müde lächeln können, so bin ich doch absolut begeistert von der Vielzahl an Arten, die ich gestern binnen nur fünf Stunden in der Wagbachniederung gesehen habe, einem Naturschutzgebiet nahe bei Waghäusel. Laut der Infoseite von birdinggermany.de brüten dort 96 Arten und insgesamt wurden schon etwa 250 beobachtet. Immerhin ein Fünftel all dieser Arten bei nur einem einzigen Halbtagesausflug zu sehen – darauf bin ich schon ein wenig stolz. Danke an dieser Stelle Ralph für´s Mitnehmen und Andy für das Know-How und das großzügige Teilen Deines Super-Spektivs.

Das Gebiet ist absolut flach und daher leicht zu begehen, lediglich der Anfang des Weges ist oft etwas matschig. Dafür gibt es in der Wagbachniederung aber auch zwei Beobachtungsstände, was die Sache vor allem bei schlechtem Wetter angenehmer macht. Was wir gesehen haben? Ich beginne mit jenen Arten, die ziemlich selten sind und daher bei einer Sichtung die wohl größten Glücksgefühle auslösen: Ein Schwarzhalstaucher (Podiceps nigricollis), ein Raubwürger (Lanius excubitor), fünf Singschwäne (Cygnus cygnus) sowie eine ziemlich komplette Sammlung an Enten, als da wären: Schnatterente (Anas strepera), Löffelente (Anas clypeata), Krickente (Anas crecca), Tafelente (Aythya ferina), Pfeifente (Anas penelope), Spießente (Anas acuta), Knäkente (Anas querquedula) sowie die auch anderswo sehr häufige Reiherente (Aythya fuligula) und natürlich die Stockente (Anas platyrhynchos).

Weiter mit den Wasservögeln: Eher selten ist wohl auch der einzelne Zwergtaucher (Tachybaptus ruficollis), den wir gesehen haben, wogegen ich eigentlich mehr Haubentaucher (Podiceps cristatus) erwartet hätte als das einsame Pärchen, das hier Anfang März bereits die ersten Balzbewegungen einübte. Dazu kamen vier Kiebitze (Vanellus vanellus) und natürlich gab es jede Menge Höckerschwäne (Cygnus olor) und Blässrallen (Fulica atra), die wohl eher unter ihrem alten Namen „Blässhuhn“ bekannt sein dürften.

In diesem Naturschutzgebiet lebt auch eine Kolonie von Kormoranen (Phalacrocorax carbo) und unter den Gänsen sahen wir neben Graugänsen (Anser anser) und Kanadagänsen (Branta canadensis) vergleichsweise viele Nilgänse (Alopochen aegyptiaca). Letztere sind die Nachkommen von Gefangenschaftsflüchtlingen, die sich ja auch im nicht weit entfernten Karlsruhe am Rhein und in Heidelberg am Neckar breit machen. Über uns flogen so an die 30 Lachmöwen (Larus ridibundus) und unter den Singvögeln waren vielleicht auch wegen ihres frühen Auftretens im Jahr noch bemerkenswert zwei Heckenbraunellen (Prunella modularis), ein Zilpzalp (Phylloscopus collybita), eine Bachstelze (Motacilla alba), eine Schwanzmeise (Aegithalos caudatus) und große Scharen von Wacholderdrosseln (Turdus pilaris).

An Greifen sahen wir paar Mäusebussarde (Buteo buteo) und einen Sperber (Accipiter nisus), Reiher gab es dagegen zu unserer Verwunderung keine – die waren an diesem Tag wohl lieber entlang der Autobahn unterwegs. Ein schöner und ergiebiger Ausflug war es natürlich trotzdem, mit insgesamt 45 Arten, die ich inzwischen auch bei der Encyclopedia of Live als Sammlung „Birding in Waghäusel“ organisiert habe. So habe ich einerseits ein Protokoll und gleichzeitig können Birder aus anderen Ländern sich auch ohne deutsche Sprachkenntnisse anhand der Bilder einen Überblick verschaffen. Einen Umweg lohnt das nicht weit von Heidelberg und Karlsruhe entfernte Vogelparadies auf jeden Fall. Und ich konnte meinem Big-Year-Projekt gleich 13 neue Arten hinzu fügen, sodass der Zähler nunmehr auf 135 steht. In ein paar Wochen, wenn die ersten Zugvögel da sind, schauen wir wieder vorbei…

Weitere Informationen:

  • Bei HD-Birding können angemeldete Benutzer ihre Beobachtungen von Vögeln in ganz Nordbaden melden.
  • Auf ornitho.de habe ich mich auch gerade angemeldet. Diese Webseite soll „einen aktuellen Überblick über das vogelkundliche Geschehen in Deutschland und Luxemburg geben und im Verbund mit anderen ornitho-Systemen in einen europäischen Zusammenhang stellen. Es soll darüber an der Vogelwelt Interessierte zusammenführen, Menschen für die Avifaunistik begeistern und die Umweltbildung unterstützen. Die in ornitho.de versammelten Daten werden in geprüfter Form für wissenschaftliche Auswertungen bereitgehalten und im Sinne des Naturschutzes eingesetzt.“ – Und das gefällt mir!

Was mit Vögeln? Birding!

Ok, es ist ´mal wieder Zeit für ein Geständnis: Ich gehöre zu jenen oftmals belächelten Zeitgenossen, die sich am Gesang einer Amsel freuen – und zwar nicht nur, weil dieses melodiöse Pfeiffen mir bestätigt: Der Frühling ist da!

Das ist nicht alles. Es gefällt mir auch, die Flugmanöver der Mauersegler zu bestaunen, die zuverlässig in jedem Jahr während der ersten Maitage aus dem Süden in Offenburg eintreffen. Ich finde Schwäne elegant. War fasziniert als ich meinen ersten Eisvogel gesehen habe. Und schon als Kind stolz darauf, alle Arten zu erkennen, die bei uns im Winter ans Futterhäuschen kamen. Ich habe ein Fernglas, ein halbes Dutzend Bestimmungsbücher, eine DVD mit Vogelstimmen, eine Kamera mit 16-fachem Zoom – und ich mag keine Katzen.

Einfach schön: Ein Höckerschwan (Cygnus olor)

Spätestens jetzt sollte es Euch dämmern: Ich bin ein Vogelgucker. Oder – wie Engländer und Amis sagen würden: ein Birder, Birdwatcher oder auch Twitcher.

Neu entfacht wurde meine alte Leidenschaft bei einem Urlaub in Costa Rica, einem wunderschönen Land mit freundlichen Menschen und einer überwältigenden Vielfalt von Tieren und Pflanzen. 820 Vogelarten kann man dort ganzjährig oder auf der Durchreise beobachten – das sind mehr als in ganz Westeuropa und Vorderasien! Zweifelsfrei erkannt habe ich dort 76 verschiedene Spezies, und als ich die dann hochzufrieden auf dem Rückflug vor meinem geistigen Auge vorbeiflattern lies, lief im Filmprogramm an Bord auch noch „The Big Year„.

Der Streifen beschreibt die wahre Geschichte der Obsezzion dreier Vogelbeobachter, die darum wetteifern, binnen eines Jahres in den USA möglichst viele verschiedene Arten zu sehen und „abzuhaken“. Im Juni soll „The Big Year“ unter dem Titel „Ein Jahr vogelfrei!“ auch in die deutschen Kinos kommen. Aber ehrlich gesagt ist schon das Original ein ziemlich schwacher Film. Die schönen Vogelaufnahmen wiegen weder die schlechte schauspielerische Leistung eines Clife Owen auf, noch die Anhäufung von 08-15-Hollywood-Klischees, und „The Big Year“ scheitert auch kläglich mit den meisten Versuchen, witzig zu sein.

Ein schlechter Film also, der mich aber trotzdem inspiriert hat zu dem Entschluß, dieses Jahr 2012 zu meinem „Big Year“ zu machen. Es geht darum, auf Reisen, Ausflügen und daheim möglichst viele verschiedene Vogelarten zweifelsfrei zu identifizieren und abzuhaken. Ich gebe zu: das ist in der Tat ein bisschen schrullig. Aber das ist mir egal. Mit der Vogelbeobachtung komme ich ´raus an die frische Luft, beim Abhaken der Listen befriedige ich meinen Buchhaltertick, kann gleichzeitig einem anderen Hobby – der Fotografie – frönen und befinde mich außerdem in bester Gesellschaft. Denn auch wenn dieses Hobby hier nicht annähernd so beliebt ist wie in Großbritannien, den USA oder auch Holland, so gibt es doch auch in Deutschland jede Menge Vogelfreunde – und für die werde ich hier in nächster Zeit noch jede Menge Infos einstellen.

Übrigens: In den vergangenen vier Wochen habe ich bereits fast 50 Arten in der Nähe meines Wohnortes Neuried (zwischen Offenburg und Straßburg) entdeckt, darunter auch eine Nilgans, Zwergtaucher und Silberreiher. Die wachsende Liste habe ich bei der Encyclopedia of Life eingestellt. Sie ist öffentlich und dokumentiert gleichzeitig, was es hier so alles zu sehen gibt.

Seid Ihr neugierig, wie es weiter geht? Dann schaut doch ´mal wieder vorbei. Als nächstes werde ich hier einige Karten einstellen, auf denen einheimische und auswärtige Vogelgucker einige der besten Rundwege und Beobachtungsstellen finden können.

Vom Titisee zum Hochfirst

Große Klappe und nichts dahinter: Zwei Monate sind vergangen seit meiner Ankündigung, die GPS-Dateien zur 3-Länderrundfahrt hier einzustellen. Zu dumm, dass ich nicht einfach nur bloggen kann, worauf ich Lust habe, sondern dass ich meinen Lebensunterhalt mit Zeit fressender Arbeit verdienen muss. Aber ich gelobe Besserung und präsentiere deshalb hier eine kurze Wanderung, die ich gestern absolviert habe. Die Gelegenheit dazu verdanke ich einer großzügig bemessenen Mittagspause während der Titisee-Konferenz „Genomic Regulation“, die vom Boehringer Ingelheim Fonds gefördert wurde. Da ich bei diesen halbjährlich stattfindenden Konferenzen häufig von den Teilnehmern gefragt werde, welche Ziele denn zu Fuß erreichbar wären, habe ich hier die Google-Karte eingestellt und mit einer kurzen Beschreibung versehen. Wer sich beeilt, kann in der Mittagspause die ganze Runde schaffen. Wem das zu knapp erscheint, der sollte vom Hochfirst aus den gleichen Weg zurück gehen und auf die Schleife via Vögelefelsen und Batzenwaldhütte verzichten:

Vom Titisee zum Hochfirst (um die Datei im KML-Format herunter zu laden, einfach den Namen anklicken). Start und Ziel ist Treschers Schwarzwaldhotel. Von dort entlang der Bootsanlegestellen und vom Seerundweg nach links abzweigend nimmt man die Unterführung unter der Schwarzwaldhochstraße B500, dann geht es auf dem breiten Schotterweg bergauf und nach wenigen Minuten links ab der rot-weißen Raute folgend bis zum Hochfirst, wo man sich im gleichnamigen Berggasthaus stärken kann. In einer Viertelstunde erreicht man dann den Vögelefelsen und macht sich an der Batzenwaldhütte auf den Rückweg, der an zahlreichen Ameisenhaufen vorbei und dann zum Sporthotel Sonnhalde in Saig führt. Im Ort geht es dann vom Hochfirstweg rechts auf den Turmweg, dann links der Titiseestraße folgend zur Rodelstrecke, die wieder steil bergab zum See führt.

Das beste an der Tour ist natürlich die Aussicht von oben auf den Titisee und den nur wenige Kilometer entfernten Feldberg, außerdem kann man (für einen Euro) auch noch den Fernmelde- und Aussichtsturm auf dem Hochfirst besteigen und hat dann eine schöne Rundumsicht. Im Gasthaus Hochfirst gibt es reichlich zu essen und zu trinken und wer eine mehrtägige Wanderung durch den Schwarzwald unternimmt, kann hier auch übernachten. Ansonsten ist dies eine eher durchschnittliche Wanderstrecke, die man inklusive Einkehr ohne zu hetzen in drei Stunden bewältigen kann

Den Titisee zu umwandern ist übrigens ein zweifelhaftes Vergnügen, denn auf der nordwestlichen Seite des Sees ist man gezwungen, dafür entlang der Straße zu laufen. Dann schon lieber Bootfahren oder – für die sportlich ambitionierten – ein Mountainbike leihen. Und hinterher die Belohnung nicht vergessen: Ich empfehle eine Schwarzwälder Kirschtorte, zu genießen inklusive Seeblick am schönsten von der Terrasse des Trescher Schwarzwaldhotels.

3-Länder-Rad-Event

Drei Tage, drei (Bundes-)Länder, 300 Kilometer. Dies ist die kürzeste mögliche Zusammenfassung meiner jüngsten Tour. Sie hätten es gerne etwas ausführlicher? Also bitte: Inspiriert von einem Artikel in der online-Ausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung habe ich eine günstige Gelegenheit genutzt, mit dem Fahrrad den Odenwald zu erkunden. Und zwar gründlich. Angeboten wurde die Rundfahrt von der Odenwald Tourismus GmbH, die mit dem „3-Länder-Rad-Event“ seit 1999 Besucher anlockt. Alljährlich im August geht es dabei mit immer wieder anderem Streckenverlauf und Etappenorten durch die drei Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg und Hessen. Mit 125 Euro pro Person im Doppelzimmer ist die Tour auch für schmale Geldbeutel erschwinglich. Dass dafür außer zwei Übernachtungen inklusive Frühstück auch noch Gepäcktransport, Tourbegleitung und Besichtigungen geboten werden, macht die Sache fast schon zum Schnäppchen.

Schöne Landschaft und gute Organisation, aber nichts für Rennfahrer: Beim 3-Länder-Rad-Event 2011 fuhren 320 Hobbyradler in drei Tagen 300 Kilometer durch den Odenwald, das Neckartal und entlang der Bergstraße.

Außerdem hat die Odenwald Tourismus GmbH auch noch Zusatzleistungen angeboten wie Übernachtungen am Vorabend des Events und am Ankunftstag. Auch Bustransporte zurück zum Startort der jeweiligen Tagesetappen waren möglich, sodass die Teilnehmer auch die Möglichkeit hatten, jeweils nur einzelne Abschnitte zu befahren und am Abend trotzdem samt Fahrrad wieder zurück zu ihrem Ausgangspunkt gelangen konnten. All diese Optionen ließen sich bequem auf einem Fax an die Organisatoren des Events ankreuzen. Drei Wochen vor dem Start fand ich dann die Buchungsbestätigung samt Rechnung, Gepäckanhängern und weiteren Infos in meinem Briefkasten. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt für eine dreitägige Tour so wenig Zeit auf die Organisation verwendet habe.

Wer nicht gerade Radprofi ist findet beim 3-Länder-Rad-Event eine der wenigen Gelegenheiten sich von der Polizei auf Motorrädern eskortieren zu lassen – inklusive Straßensperrungen und den dazugehörigen irritierten Gesichtsausdrücken mancher Autofahrer ob des kilometerlangen Lindwurms, der da im Schneckentempo über die Straße zockelt. Etwa 320 Teilnehmer waren in diesem Jahr mit dabei, ein Großteil davon Herren in den besten Jahren. Auch ein paar Elektrofahrräder wurden gesichtet, und spätestens hier muss ich wohl eine Warnung aussprechen für alle sportlich ambitionierten Radfahrer und Mountainbiker: Diese Tour ist nichts für Euch. Das Tempo ist dafür viel zu langsam. Immer wieder heißt es zudem „Stopp & Go“ wenn beispielsweise ein Bahnübergang überquert werden muss, der Weg enger wird und andere Radfahrer oder Autos entgegen kommen. Abstiegen musste ich auch mit unschöner Regelmäßigkeit immer dann, wenn mal eben ein paar Meter Wiese zu überqueren waren, der Belag von Asphalt zu Schotter wechselte oder die Steigung auf mehr als fünf Prozent anstieg. Denn allzu oft waren manche Teilnehmer damit überfordert, vorher einen Gang ´runter zu schalten oder einfach nur Schwung zu holen, sodass es immer wieder zu Staus „aus dem Nichts“ kam.

Durch das derart erzwungene gemächliche Tempo wurde die Tour auch nicht sicherer oder für Senioren attraktiver. Im Gegenteil war man gut beraten, ständig auf den Vordermann zu achten. Eine Sekunde der Unachtsamkeit genügt und so kam es zu vier Auffahrunfällen, obwohl die allermeisten Teilnehmer offenbar erfahrene Radfahrer waren und sich sehr rücksichtsvoll verhalten haben. Apropos Erfahrung: Die sollte man schon auch mitbringen, ebenso wie eine gewisse Grundkondition und einen trainierten Hintern. Während wir am ersten Tag von Großheubach nach Mosbach knapp 80 Kilometer und 500 Höhenmeter zu bewältigen hatten waren es am zweiten Tag sogar 125 Kilometer – und dies bei hochsommerlichen Temperaturen.

Spaß gemacht hat mir die Rundfahrt auf jeden Fall, auch wegen der guten Stimmung, den neuen Bekanntschaften und dem gemütlichen Beisammensein am Abend. Man fährt durch eine wunderschöne, abwechslungsreiche Landschaft und bekommt für wenig Geld ein Rundum-sorglos-Paket geboten. Die einzelnen Etappen schildere ich in den folgenden drei Teilen meines Berichtes – wer will kann sich dort auch die Tourdaten im GPS-Format herunter laden und die Strecke mit entsprechendem technischen Zubehör dann auch alleine oder in kleiner Runde abfahren.

Nachtrag: Am Samstag ist in der FAZ der Bericht von Werner Breunig erschienen, der auf dieser Tour ebenfalls dabei war.

Auf dem Mühlenweg durchs Ried

Update vom 1. Mai 2012: Der Mühlenradweg ist jetzt offiziell eröffnet, die Strecke komplett ausgeschildert und der Verlauf wurde gegenüber dem auf der Karte unten gezeigten geändert. Am Besten starten Sie jetzt am Schulzentrum in Ichenheim, denn dort gibt es eine schöne Übersichtskarte sowie kostenlos Faltpläne zum einstecken und mitnehmen – inklusive der Geschichte der Mühlen, die jetzt auch alle mit eigenen Erklärtafeln versehen wurden!

Dies ist die erste Tour, die ich auf meinen neuen Reiseseiten beschreiben will. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne„, erinnert mich Herrmann Hesse. Und weil ich diesen Anfang nicht vermasseln will, habe ich auch noch bei Johann Wolfgang von Goethe nachgeschlagen. Der fragte nicht nur: “Willst du immer weiter schweifen?“, sondern gab uns auch den Rat: „Sieh, das Gute liegt so nah!” Und da Goethe ja eigentlich immer irgendwie recht hat, geht es heute direkt vor meiner Haustür los.

Ich schwinge mich aufs Fahrrad und treffe nach ein paar Hundert Metern auf eine neu geschaffene Rundstrecke, die sich der Arbeitskreis Tourismus Neuried ausgedacht hat. Tatsächlich ist der Mühlenrundweg so neu, dass ich ihn gleich zwei Mal in Angriff nehmen musste, weil noch nicht alle Schilder angebracht waren. Inzwischen (2017) gab es auch kleine Änderungen an der Streckenführung, sodass ich den Link zu meiner alten gpx-datei hier entfernt habe. Aber immer noch ist die Strecke ca. 33 Kilometer lang und verläuft völlig flach, daher auch für kleine Familienausflüge gut geeignet. Etwa 90 Prozent des Weges sind mit Asphalt geteert, der Rest sind Schotter und Waldwege, also nichts für Rennradfahrer. Die Landschaft ist – nun ja – landwirtschaftlich geprägt, und die größte Attraktion sind weniger die Mühlen selbst als vielmehr das gute Essen (Stichwort: Flammkuchen!) das bei urgemütlicher Atmosphäre in drei der Mühlen geboten wird.

Starten kann man zum Beispiel in der Ortsmitte von Ichenheim, fährt dann am „Schwanen“ vorbei auf die Rheinstraße und biegt beim Hofweg rechts ab. Von hier aus ist alles prima ausgeschildert. Erst geht es über die Felder nach Altenheim mit seinen schmucken Fachwerkhäusern. Am schönsten wurde die Atmosphäre hier in Geo Saison, Heft 10 / 2004 in dem Artikel Radtour: Die Ortenau beschrieben:

Der Zauber einer beinahe vergessenen Zeit liegt über den Dörfern, in denen alles das rechte Maß hat. In der Mitte stehen die Kirche, das Rat- und das Wirtshaus, umgeben von einem Ring aus schmalen Bauernhäuschen, die nicht mit Kunstklinker verschandelt oder mit Eternit verschalt wurden. Umrahmt von blühenden Gärten, sehen sie immer noch so aus wie vor hundert Jahren.

Weniger schön, aber ebenfalls Teil der Geschichte ist ein gesprengter Bunker, an dem wir vorbeikommen, nachdem wir Altenheim durchquert haben und nahe der Altenheimer Mühle auf einen Waldweg abgebogen sind. Nach Überquerung der L98 führt uns die Industriestraße zu einem Verkehrskreisel. Dort links zum Ortsrand von Goldscheuer, dann rechts auf den Sonnenweg und via Kittersburger Straße den Schildern folgend zur Kittersburger Mühle (Tel. 07854-1255). Die hat zwar noch keine Webseite, dafür aber einen der schönsten Biergärten in der Region. Natürlich gibt´s auch Wein, leckere Hähnchen und vor allem den Rahmkuchen in diversen Varianten. Das ist die Badische Antwort auf den Elsässer Flammkuchen – und ob es da einen Unterschied gibt wird der schlacksige Kellner dort in seiner unnachahmlichen Art sicher gerne erläutern 😉

Jedenfalls ist die Kittersburger Mühle der nördlichste Punkt unserer Reise. Falls die geschlossen hat gibt es noch zwei weitere Chancen, einen Rahm- bzw. Flammkuchen zu genießen. Dazu müsst ihr aber erst wieder ein paar Kilometer strampeln. Im Sommer wird einem dabei schon ´mal die Sicht versperrt durch die zahlreichen Maisfelder, die dank der unsinnigen Biosprit-Subventionen hier seit einigen Jahren in die Höhe schießen.

Lange Tradition hat „im Ried“ dagegen der Tabakanbau. Mit 470m Hektar Fläche ist Neuried noch heute die größte Tabakanbaugemeinde Deutschlands, belehrt mich die Wikipedia. Ich frage mich, warum die Leute sich aufregen über ein paar Cannabis-Felder in Mexiko und wer wohl die größeren Gesundheitsschäden verursacht? Wenn schon Subventionen, warum dann nicht für Blumenfelder und Streuobstwiesen? Dann erinnere ich mich daran, dass Logik und Gesetzgebung schon lange nicht mehr zusammen passen und fahre weiter.

Kaum zu übersehen ist die Rohrburger Mühle (wo es aber nichts zu essen gibt), die als nächste Station etwa auf halber Strecke liegt. Dann überqueren wir zwei Mal die Schutter, jenes 55 Kilometer lange Flüsschen, das ursprünglich die Mühlen angetrieben hat. Weiter geht es durch Müllen, bis wir an der Dundenheimer Mühle erneut auf die Schutter treffen. Auch hier gibt es Flammkuchen, allerdings nicht durchgehend, sodass man sich besser vorher nach den aktuellen Öffnungszeiten erkundigt (Tel.: 07807-3380). Die letzte Chance auf einen Flammkuchen bietet dann die Schutterzeller Mühle (Tel.: 07807-401), aktuell die einzige der fünf Mühlen mit eigener Webseite. Die restlichen vier Kilometer zurück zum Ausgangspunkt führen vorbei am Ottenweier Hof, dessen Geschichte sich bis zum Jahr 1347 zurück verfolgen lässt und der auch in diesem Jahr wieder zur Riedwoche mit einem mittelalterlichen Hoffest für Besucher geöffnet sein wird (am 13. und 14.August 2011., von 14:00 bis 20:00).

Damit genug der Heimatkunde für heute. Weiter geht es in der kommenden Woche. Wenn alles klappt blogge ich dann live vom 3-Länder-Rad-Event, der mich auf knapp 300 Kilometern in drei Tagen durch den Naturpark Odenwald führen wird…

Zugabe für Åland

Eigene Flagge, eigene Briefmarken und auch sonst sehr eigen: Die Aland-Inseln gehören zwar seit 1921 als entmilitarisierten Zone „offiziell“ zu Finnland, doch spricht und fühlt man sich eher schwedisch.

Der Himmel so blau, die Luft so klar, die Leute so freundlich und das Glück auf unserer Seite. Kurzum haben wir deshalb heute unseren Aufenthalt auf Åland um zwei Tage verlängert. Eine Stornierung im Gasthaus Christiansund machts möglich und selbst auf der Fähre war am Sonntag-Abend noch einer der letzten Plätze frei – also haben wir nicht lange gefackelt. Klar bin ich neugierig auf Uppsala und Sigtuna, das Skolkloster und den Tiveden-Nationalpark – aber hier auf Åland nach nur zwei Tagen wieder abzureisen, erschien uns wie ein Frevel – zumal es offenbar noch jede Menge zu entdecken gibt.

So wie gestern, als ich mir ein Dreigang-Fahrrad mit Körchen vor dem Lenker geliehen habe, um unseren Zipfel der Insel Eckerö zu erkunden. Gewünschter Nebeneffekt: Ich bleibe im Training für die Renchtalrunde (aber das ist eine andere Geschichte). Na jedenfalls war die Insel dann doch nicht ganz so flach, wie sie von der Fähre ausgesehen hat. Und meine mountainbikenden Freunde hätten bestimmt ihren Spass daran gehabt zu sehen, wie ich immer wieder aus dem Sattel gehen musste, um die achterbahnmäßige Schotterstrecke nach Långöjen (auch „Långön“ geschrieben) zu bewältigen, wo ich nicht nur das Ende der Straße erreichte, sondern auch den laut Karte nordöstlichsten Punkt von Eckerö.

Schon kurz nach der Abzweigung von der Hauptstraße 1 der Insel stieß ich dabei auf das Eckerö Hotel und dessen bunte Reklametafel für den „Elvis von Aland“, der mit bürgerlichem Namen Ronald Karsson heißt und hier sechs mal pro Saison seine Show abzieht. Das man sich in dem Hotel deshalb gleich mit Graceland vergleicht, läßt mich schmunzeln. Und obwohl man für ein „exklusives Elvis-Menü“ samt Eintritt 53 Euro hinblättern müsste, wäre ich an solch einem Abend doch gerne einmal dabei.

Vorbei ging es am Campingplatz und Konferenzzentrum Käringsund, mit seinen vielfältigen Freizeitangeboten und einem vergleichsweise preiswerten Restaurant mit großen Portionen. Geschätzte 12 Kilometer weit war der Weg, der zunächst auf Asphalt, dann auf Schotter durch den teilweise recht schütteren Wald führte, wo sich zähe Kiefern, Flechten und Moose auf dem roten Granit festkrallen. Mal links, mal rechts gab es Ausblicke auf die blaue Ostsee. Eine Lachsfarm mit allerlei Bottichen, Geräteschuppen und Maschinen unterbrach kurz die Idylle und dann ging es vor einem Windrad rechts ab, das letzte Stück Straße bis zum handgemalten Ortschild von Långöjen.

Dort endete die Schotterpiste direkt am Meer und ich erblickte rund herum die offenbar typische schwedische Grundausstattung: Ein schmuckes Holzhaus am Meer (oder wahlweise auch auf einer grünen Wiese oder an einem See), Doppelgarage mit Volvo oder ähnlich repräsentativem Auto davor (in diesem Fall eine dreifach-Garage mit einem 500er Mercedes und einem Volvo), Bootsschuppen und Anlegestelle. Die Einwohnerzahl von Långöjen, schließe ich messerscharf, entspricht der Zahl der Bewohner dieses Hauses. Ob es wohl drei, vier oder fünf sind?

Taktvoll halte ich mich abeits des Hauses, stelle fest dass dessen Besitzer auch einen kleinen Sandstrand vorzuweisen hat, neben dem ein Ruderboot und zwei Kanus im Gras liegen. Zwischen den Felsen hat er an einer windgeschützen Stelle einen rustikalen Holztisch mit zwei Bänken eingepasst und ein paar Meter weiter lädt ein sorgfältig ausgerichteter Stamm dazu ein, den Blick aufs Meer und die vorgelagerten kleinen Inseln zu genießen. Dies tue ich ausgiebig, schaue den Seeschwalben beim Fischfang zu und versuche recht erfolgreich, nicht neidisch zu sein.

Als ich mich wieder auf´s Fahrrad schwingen will, begegne ich dem Hausbesitzer, der mich nach meiner Herkunft fragt. Ich antworte und mache ihm ein Kompliment für sein schönes Haus „am Ende der Welt“. Für ihn sei es die Mitte der Welt, entgegnet er und fügt auf deutsch hinzu, dass er schon mindestens 50 Mal in Deutschland gewesen sei. Auch in Baden-Baden, erklärt er auf meine Versuche, Offenburg in der Nähe von Straßburg zu verorten. Wieder ´was dazu gelernt, denke ich auf dem Heimweg und sinniere über den sehr speziellen Charakter von Åland:

Dessen weniger als 30000 Einwohner verteilen sich auf 6700 Inseln – macht durchschnittlich 4 Personen pro Eiland. Wo sonst auf der Welt gibt es noch solch eine Quote, frage ich mich verblüfft. Die Karibik mag höhere Duchschnittstemperaturen haben. Aber die langen Sommernächte, die klare Luft und das satte Grün wird man dort vergebens suchen. Die Attraktionen hier sind zugegebenermaßen nicht gerade atemberaubend. Aber die Inseln, die erst vor 8000 Jahren aus der Ostsee aufgetaucht sind, haben eine interessante Geschichte vorzuweisen. Mal schwedisch, mal russisch waren sie Durchgangsstation und Transportweg auf dem Weg von Stockholm ins heutige Finnland, wovon noch heute eines der größten Gebäude hier zeugt: Das Post- und Zollamt auf Eckerö war der westlichste Außenposten des Zaren und musste deshalb auch entsprechend repräsentativ sein. Heute ist ein kleines Museum ´drin und ein Café und von hier ab finden sich immer wieder Infotafeln auf schwedisch, englisch, finnisch und deutsch, auf denen die Sehenswürdigkeiten entlang des alten Postweges erklärt sind.

Biegt man von der Fähre kommend nach zwei oder drei Kilometern auf der Inselstraße mit der Nummer 1 recht ab in Richtung Torp und fährt noch einige Kilometer weiter nach Süden landet man auf dem Campingplatz Degersand und seinem Restaurant „Q“. Hier findet sich ein echter Sandstrand, dekoriert auf seiner östlichen Seite mit einem Dutzend schmucker Holzhäuschen. Wir dagegen entscheiden uns für die westliche Sete des Strandes, wo wir uns bis in den Abend hinein auf die glatten, warmen Granitfelsen fläzen. Und so ganz ohne Ablenkung entdeckt wir auch bald jede Menge Tierchen , die die Flut in ein paar Pfützen hinterlassen hat: Gestreifte Fischlein, kaum größer als ein Fingerglied, Wasserasseln und Schwärme weißer Pünktchen – Wassermilben vielleicht? – die scheinbar zielllos hin und her wuselten.

Mit so viel Zeit scheuten wir nicht einmal vor dem Besuch der Kirche von Eckerö zurück, die um 1400 aus groben Steinen exakt zusammen gesetzt wurde und die mit Schindeln gedeckt ist. Nur ein paar Meter entfernt davon liegen einige Hügelgräber, deren Umrisse man unter dem Gras erahnen kann, und die offenbar exakt nach Norden ausgerichtet wurden. Was auch immer sich die Menschen in der Zeit zwischen 400 und 1000 n.Ch. dabei gedacht haben mögen, dass ihre Inseln einmal zu solch einer friedlichen Oase würden, haben sie wohl kaum erahnt.

Thank you for the music auf Eckerö

Etwas unvermittelt erscheint hier der erste Eintrag zu unserer Schweden-Reise. Noch dazu, wo wir jetzt „eigentlich“ in Finnland sind. Und eigentlich wollte ich ja auch alles schön ordentlich von Anfang an erzählen. Aber nun sind wir halt schon mitten ´drin, im Urlaub. Bis hierhin hatte mich die Arbeit in Form von unzähligen Änderungswünschen an meinem letzten großen Artikel verfolgt. Aber heute ist dann endlich der Knoten geplatzt. Wie passend, dass wir im Auto eine Abba-CD fanden, auf der uns gleich der erste Song zum mitträllern animierte, als wir duch die wunderschöne Landschaft fuhren. Wer immer die CD vergessen hat: „Thank you for the music.“

Nun ist also Schluss mit den Nachtschichten und ich kann endlich den Urlaub genießen. Und erzählen, von dem Flecken Erde ist, an dem ich diese Zeilen schreibe: Wir sind auf Åland, genauer auf der Insel Eckerö und noch genauer im Gästgård Christiansund, einer Pension mit einer Handvoll Zimmer, die auch Bed und Breakfast anbietet. Das W-LAN reicht von dem ockerfarbenen Häuschen über den großen Rasen mit seinen Sitzgelegenheiten und an der finnischen Sauna vorbei bis ans Wassser, über dem die Seeschwalben zu meinem Entzücken ihre Flugmanöver vorführen.

Selbst vom hauseigenen Bootsanlegesteg hat man noch Empfang, doch dürften sich die meisten Reisenden eher an der Aussicht auf die rot bemalten Bootshäuschen an den Ufern dieser Meeresenge freuen. Einige Mehlschwalben haben dort ihre Nester gebaut und jagen über dem Wasser fleißig nach Insekten, während die Kollegen von der Seeschwalbengemeinde mit etwa jedem dritten Sturzflug ein Fischlein erbeuten.

Auch nach 20:00 scheint an diesem Junitag die Sonne noch kräftig genug vom Himmel herab, um uns trotz kurzer Hosen und T-Shirt ausreichend zu wärmen. Mehr noch, der Genuss des von der Fähre mitgebrachten Büchsenbiers wird so noch einmal gesteigert. Wer hier an solch einem sonnigen Tag mehr als nur ein paar Abendstunden verbringen will, sollte die Sonnencreme nicht vergessen.

Amseln fangen an zu singen und von der Ruhebank auf dem Bootssteg glaube ich im dunklen Wasser einen Stichling zu erkennen. Die Wikipedia belehrt mich, dass ich durchaus meinen Augen trauen darf, denn „die gewandten Schwimmer kommen im Süßwasser und im küstennahen Brack- und Meerwasser vor.“ Ich verzichte auf eine Geschmacksprobe des Wassers, schließlich weiss ich ja, dass die Ostsee Dank der vielen Zuflüße und geringen Verdunstung einen ziemlich niedrigen Salzgehalt hat.

Vor meinen nackten Füßen erstreckt sich der Christiansund, der anscheinend bei der Namensgebung unserer Pension Pate stand, von hier etwa 15 Kilometer weit in südlicher Richtung bis er sich zur Ostsee hin erweitert. Eckerö hat keine 1000 Einwohner und ist – wie die anderen 6700 Aland-Inseln, eine finnische Provinz. Dies obwohl hier fast alle Einwohner schwedisch sprechen und sich so gar nicht mit ihren finnischen „Landsleuten“ identifizieren wollen. Eine seltsames Konstruktion, die auf eine Entscheidung des Völkerbundes von 1921 zurück geht, wonach die Åland-Inseln als entmilitarisierte Zone zu Finnland gehören.

Sei´s drum, heute ist alles friedlich, der weiße und der lila Flieder blüht, die Kastanien ebenso. Auf den Feldern wachsen Butterblumen und die Birken und Buchen, Eichen sowie gelegentlichen Nadelbäume zeigen ein sattes Grün. Morgen werden wir uns wohl ein Fahrrad leihen und mindestens bis zur Kirche von Eckerö fahren, ein wenig spazieren gehen, am Wasser sitzen und drauf schauen, lesen oder einfach gar nix tun. Und wenn dann noch Zeit bleibt erzähle ich Euch von unserem Ausflug und was es hier sonst noch so alles zu entdecken gibt…

Ichenheim – Mein neues Leben im Ried

Ich habe es getan: Der nunmehr zehnte Umzug meines Lebens liegt (größtenteils) hinter mir und mit der Ummeldung bin ich seit dem 1. Januar 2011 nun auch offiziell ein Ichenheimer. Inspiriert von zweien meiner Lieblingsbücher und voller guter Vorsätze habe ich beschlossen, diese Herausforderung anzunehmen, die Kunst des Reisens auch in der neuen Heimat zu praktizieren und von der Schönheit des Guten zu berichten – auch wenn es mich ganz schön nervt, dass ich hier Internet-mäßig offenbar am A…… der Welt gelandet bin.

Ichenheim ist der bislang kleinste Ort, an dem ich gelebt habe und der erste, der in meinem Lieblingslexikon Encyclopedia Britannica nicht erwähnt wird „Sorry, we were unable to find an exact match“). Nein, ich habe nicht Hildesheim gemeint und auch nicht Rüdesheim!

Selbst die Wikipedia befindet meine neue Heimat offenbar nicht würdig für einen eigenen Eintrag. Und wer jetzt schon ´mal in seinen großen Weltaltlas zu suchen beginnt, wird wahrscheinlich ebenfalls nicht fündig – es sei denn, das Teil ist mindestens 37 Jahre alt. Das liegt nicht etwa daran, dass Ichenheim eine Geisterstadt wäre. Vielmehr wurde der Ort am 1. Januar 1973 ein Opfer der baden-württembergischen Gemeindereform. Zusammen mit Altenheim, Dundenheim, Müllen und Schutterzell wurde Ichenheim an diesem Tag zum Ortsteil der Großgemeinde Neuried degradiert – und verschwand damit von zahlreichen Landkarten. Dies ist auch der Grund, warum mich mit dem Navi, dem Tripadvisor oder -zig anderen nützlichen Einrichtungen keiner findet: Wer „Ichenheim“ statt „Neuried“ eingibt bekommt lediglich eine Fehlermeldung.

Schade eigentlich, denn auch wenn Ichenheim mit seinen aktuell 2870 Einwohnern nicht gerade der Nabel der Welt ist, so gibt es „im Ried“ doch einiges zu entdecken. Früher wurde hier vorwiegend Tabak für Roth-Händle & Co angebaut und noch immer ist Neuried eine der größten Tabakanbaugemeinden Deutschlands. Weil aber heute kaum einer mehr ungestraft rauchen darf und weil sogar die EU ihre Subventionen für das tödliche Kraut nach jahrelangem Gezeter auslaufen lies, haben die hiesigen Bauern flexibel reagiert. Jetzt versperren sie uns im Sommer mit Maisfeldern die Sicht, die das Rohmaterial für ökologisch völlig unsinnigen Biosprit liefern und die natürlich ebenfalls subventioniert werden. Grummel. Und nun zurück zum Thema – Michel!

Gleich hinter den Maisfeldern liegt im Westen der Rhein mit seinen stillen Altwassern und Seegraswiesen, umgeben von oft dichtem Unterholz und bewohnt von zahlreichen Vogelarten. Pflanzenfreunde dürfen sich an allerlei Sumpfgewächsen und den gelegentlichen Orchideen freuen und auf den vielen Streuobstwiesen könnte man das halbe Jahr über Äpfel, Birnen, Kirschen, Pflaumen oder Mirabellen klauen – wenn das nicht verboten wäre und wenn nicht all die feinen Früchtchen für das Obstwasser gebraucht würden. Diese Landschaft ist dem 20 Kilometer entfernten Taubergießen recht ähnlich, wenn auch weitaus weniger Besucher hierher finden.

Am schönsten erlebt man den Altrhein mit dem Kanu, das Eingeweihte z.B. in der Rheinstraße in Ottenheim ins Wasser lassen. Von dort dümpelt man dann gemütlich westlich an Meißenheim vorbei, um nach einer Rast am Ichenheimer Anglerheim mit ein oder zwei kurzen Umtragungen weiter zu paddeln hinter Altenheim vorbei bis knapp südlich der dortigen Rheinbrücke (eine genauere Beschreibung gibt es z.B. bei Kanu-Wolf unter „Ottenheimer“).

Erfrischung ohne Kanu bieten nahe gelegene Baggerseen, wie z.B. der bei Tauchern sehr beliebte Matschelsee an der B36 in Richtung Lahr oder der Blattsee, die allerdings beide in Privatbesitz sind und deren Zugänglichkeit daher schwankt.

Verhungern muss in Ichenheim auch keiner. Gut geschmeckt hat es mir im vorwiegend vegetarisch orientierten Löwen (Hauptstr. 40), der allerdings nur an Mittwochabenden regelmäßig geöffnet hat(!). Schräg gegenüber gibt es den nur Montags geschlossenen Schwanen, der auf seiner langen Speisekarte ökologisch korrekt vorwiegend regionale Gerichte aus einheimischen Zutaten anpreist, und zwischen Löwen und Schwanen liegt der Prinzen, wo ich trotz Fastnachtstrubel auch schon ein ordentliches Schnitzel gekriegt habe.

Da wir nun schon mal in Downtown Ichenheim sind, will ich auch die katholische Kirche erwähnen, die 1822 von Hans Voss im Weinbrenner-Stil erbaut wurde. Heute wird die Kultur nicht nur von dem Verein „Läwe im Lewe“ gepflegt, sondern es gibt hier wie auch in den benachbarten Ortschaften eine sehr lebendige und m.E. unterschätzte Künstlergemeinde (z.B. die Malerin Ellen Vetter, Birgitt Fischer aus Altenheim oder mein Nachbar Jürgen Rudolf).

 

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