Die AfD und der Islam

Als Mitglied der Alternative für Deutschland habe ich mich sehr gefreut über die gestrige E-Mail unseres Sprechers Bernd Lucke, in der er zehn Thesen über das Verhältnis unserer Partei zum Islam aufstellt. Sie wurde nicht als offizielle Pressemitteilung versandt, verdient es aber, publik gemacht zu werden. Ich unterstütze diese Thesen voll und ganz und werde meinen Teil dazu beitragen, dass der Dialog kritisch, aber konstruktiv geführt wird.

Thesen:

1. Deutschland ist ein tolerantes und weltoffenes Land. Jede große Weltreligion und eine Vielzahl von kleinen Religionen und Kulten werden in Deutschland praktiziert. Demgegenüber gibt es andere Staaten in der Welt, in denen keine Religionsfreiheit herrscht. In manchen islamischen oder kommunistischen Staaten werden religiöse Minderheiten unterdrückt und ihre Anhänger verfolgt. Oft sind auch Christen gewaltsamer Verfolgung ausgesetzt. Es ist Teil unserer Verpflichtung auf die Grundrechte, uns gegen derartige Übergriffe einzusetzen. Es ist ebenfalls Teil unserer Verpflichtung auf die Grundrechte, in Deutschland ansässige Glaubensgemeinschaften vor unberechtigten Vorwürfen einer geistigen Mittäterschaft zu schützen.

Hagia Sofia klein
Die Hagia Sofia in Istanbul. Erbaut von 532 – 537 war sie ein Jahrtausend lang die größte Kirche der Welt, wurde später genutzt als Moschee, und ist heute Museum und Weltkulturerbe.

2. Wenn der Satz „Der Islam gehört zu Deutschland“ nur die faktische Existenz des Islam in Deutschland feststellen sollte, ist er überflüssig, weil der Sachverhalt offenkundig ist. Wenn er die Toleranz und Weltoffenheit Deutschlands betonen sollte, ist unverständlich, warum er die vielen anderen in Deutschland praktizierten Religionen nicht erwähnt. Wenn er aber als eine implizite Bejahung des Islams in Deutschland gemeint ist, ist er falsch und töricht,  weil er sich pauschal und undifferenziert zu einem komplexen Phänomen äußert, das viele unterschiedliche Strömungen und Aspekte umfasst. Was zu Deutschland gehört, muss präzise benannt werden und sollte von Deutschland her gedacht werden.

3. Zu Deutschland gehören die Freiheit des Glaubens, die Freiheit des religiösen Bekenntnisses und das Recht der ungestörten Religionsausübung. Insbesondere hat jeder Moslem das Recht, seinen Glauben friedlich zu praktizieren, seine Kinder in diesem Glauben zu erziehen und sich in Moscheen mit anderen Moslems zu versammeln. Diese Rechte finden Beschränkungen nur dann, wenn sie andere Grundrechte berühren. Zur Freiheit des Glaubens gehört aber auch, sich unbedroht vom Glauben oder bestimmten Glaubensvorstellungen abwenden zu dürfen.

4. Zu Deutschland gehört die Gleichberechtigung der Frau. Islamische Glaubenslehren, die die Freiheit und Gleichberechtigung von Frauen einschränken, verstoßen gegen Grundwerte unserer Gesellschaft. Mädchen und Frauen, die unter diesen Glaubenslehren leiden, bedürfen unseres Schutzes und Beistands. Gleichwohl ist es das Recht jeder muslimischen Frau, diese Glaubenslehren und auch aus den Glaubenslehren abgeleitete Kleidungsvorschriften zu akzeptieren, solange dies in freier, ungezwungener Entscheidung geschieht. Dass Traditionen, familiäres und soziales Umfeld derartige Entscheidungen prägen, ist zu akzeptieren. Umgekehrt ist von muslimischen Mitbürgern zu akzeptieren, dass in deutschen Bildungseinrichtungen und der deutschen Gesellschaft andere Lebenseinstellungen für Frauen vertreten und vorgelebt werden.

5. Zu Deutschland gehört der moderne Rechtsstaat. Dieser Rechtsstaat ist unvereinbar mit den aus dem Koran abgeleiteten Rechtsvorstellungen der Scharia. In Deutschland wird nicht nach der Scharia Recht gesprochen und auch eine informelle Streitschlichtung, in der beide Seiten die Anwendung der Scharia wünschen, darf sich nicht an der Scharia orientieren, wenn dadurch Dritte in ihren Rechten beeinträchtigt werden.

6. Über die Zulässigkeit von Beschneidung, Schächtung und anderen umstrittenen religiösen Praktiken muss letztlich der Rechtsstaat in einer Abwägung zwischen Religionsfreiheit und anderen wichtigen Rechten entscheiden. Diese Entscheidung muss von allen Beteiligten akzeptiert werden.

7. In Deutschland geht alle Staatsgewalt vom Volk aus und deshalb  gehört zu Deutschland die Demokratie. Theokratische Staatsvorstellungen sind damit unvereinbar. In Deutschland findet die freie Ausübung des Glaubens seine Grenzen da, wo dieser gegen den Rechtsstaat, die Demokratie oder die Grundrechte gewendet werden soll.

8. Zu Deutschland gehört die Meinungsfreiheit. Muslimische Staatsbürger haben genau wie jeder andere das Recht, sich kritisch zu gesellschaftlichen Gegebenheiten zu äußern, auch wenn dem andere Wertvorstellungen zugrunde liegen. Es steht ihnen auch frei, sich auf demokratischem Wege für die Erreichung ihrer Ziele einzusetzen.

9. Zu Deutschland gehören Gastfreundschaft und Toleranz. Dies gilt auch gegenüber Andersgläubigen. Religiöse Gefühle sollen geachtet werden und Provokationen unterbleiben. Um in Angelegenheiten von geringer Bedeutung Konflikte zu vermeiden, ist Großzügigkeit und Verständnis für die Situation des Anderen angezeigt. Dies gilt für alle Beteiligten und selbstverständlich auch für die Bevölkerungsmajorität.

10. Deutschland ist ein säkularer Staat mit einer tief verwurzelten christlichen Prägung. Von den heute unter uns lebenden Moslems sind viele trotz ihres anderen Glaubens glücklich darüber, dass sie in diesem säkularen Staat leben und keiner religiösen Bevormundung ausgesetzt sind. Viele unter uns lebende Moslems akzeptieren die Trennung von Staat und Religion trotz anderslautender Vorstellungen mancher islamischer Theologen. Diese Akzeptanz ist die Basis für ein gedeihliches Zusammenleben.

Bernd Lucke

Mit seiner Mail will Lucke, der schlaue Fuchs, offenbar nicht nur einen Konsens in der Partei herbeiführen, der die AfD für alle sichtbar von Extremisten abgrenzt. Ich sehe darin auch eine kluge und angemessene Reaktion auf einzelne Parteimitglieder, die in der aktuellen Programmdiskussion z.B. eine Festlegung auf ein traditionell-christliches Weltbild fordern und die damit zum Teil eine Pauschal-Kritik am Islam verbinden. Die 17000 Mitglieder der AfD werden deshalb aufgefordert, Zustimmung und/oder Kritik an Luckes Thesen per E-Mail zu signalisieren, sodass unser „Chef“ ein erstes Meinungsbild bekommt. Ich bin fest davon überzeugt, dass die zweite Fraktion in der Minderheit ist und plädiere deshalb dafür, Luckes Thesen ins Parteiprogramm zu übernehmen. Die AfD kommt aus der Mitte der Gesellschaft und dort soll sie auch bleiben. Ich will lösungsorientiert arbeiten und vertraue darauf, dass im Wettstreit der Ideen die besten gewinnen – unabhängig von der Religion oder Weltanschauung einzelner Parteimitglieder. Islamophobe und andere Extremisten, welche die AfD als Plattform zur Verbreitung ihrer Ideologien missbrauchen wollen, sollten in dieser Partei auch weiterhin keinen Platz haben.

Nachtrag: Obige Hoffung hat sich leider nicht erfüllt. Unmittelbar nach der Abwahl Bernd Luckes im Juli 2015 bin ich daher aus der AfD ausgetreten.

Höchste Zeit für den Mindestlohn

Gäbe es in Deutschland Volksabstimmungen nach Schweizer Vorbild, so hätten wir ihn längst – den Mindestlohn. 83 Prozent der Befragten waren zuletzt dafür und fänden 8,50 Euro / Stunde angemessen, ergab eine Umfrage des ZDF-Politbarometers. Im Juni waren es bei einer Umfrage des DGB 86 Prozent gewesen, und schon im November 2011 fand der FOCUS dafür 84 Prozent Zustimmung.

Einstellung zum Mindestlohn in Deutschland nach Parteipräferenz
Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Bemerkenswert ist dabei auch, dass die Zustimmung quer durch alle Parteien geht – selbst die CDU-Anhänger ware in der FOCUS-Umfrage mit 74 Prozent für den Mindestlohn. Dass dennoch nichts passiert ist, kann ich mir nur durch den Einfluss von Lobbyisten erklären, beauftragt von Menschen, die von Billiglöhnen profitieren und die in Frau Merkel eine willige Komplizin fanden, um den Willen des Volkes zu sabotieren. Wieder einmal. So wie auch bei der „Euro-Rettung“ oder der „Energiewende“ wird Politik betrieben auf Kosten der Mehrheit und zugunsten einer kleinen Clique von Profiteuren.

Zurück zum Mindestlohn: Es ist eine Frage des Anstandes, ob Menschen von ihrer Arbeit ordentlich leben können. Es ist ein Armutszeugnis, wenn dies für 1,3 Millionen Menschen in Deutschland nicht möglich ist, ohne dass sie dafür staatliche Zuschüsse in Anspruch nehmen müssen. Ausbeutung wird hier durch unser aller Steuern subventioniert. Teilweise raten Firmen ihren Angestellten ganz offen, beim Jobcenter Hartz IV zu beantragen, um die Lücken zu stoppen. Benachteiligt werden die Ehrlichen, die anständige Löhne zahlen.

Wer befürchtet, dass seine Pizza teurer würde, wenn endlich ein gesetzlicher Mindestlohn in Deutschland eingeführt würde, der übersieht natürlich, dass er ohne die Staatssubventionen für die Ausbeuter mehr Geld in der Tasche hätte. Geld, dass ich jedenfalls dem Pizzaboten gönnen würde. Ich frage mich, wie viel Geld es kostet, die sogenannten Aufstocker zu verwalten, deren Anträge zu bearbeiten und die Lebensumstände zu prüfen. Wie entwürdigend muss es sich anfühlen, wenn man putzen geht und sich dann noch auf dem Amt dafür rechtfertigen soll, dass es nicht zum Leben reicht?

Ich denke, wer in Deutschland 30 oder gar 40 Stunden pro Woche arbeitet, muss dafür genug Lohn bekommen, um sich eine Wohnung leisten zu können. Genug auch für ordentliches Essen und Kleidung, das Monatsticket für die Bahn, den gelegentlichen Kneipenbesuch (Stichwort: „soziale Teilhabe“)  und auch für einen Urlaub. Arbeit muss sich lohnen und sollte deshalb deutlich besser bezahlt werden als Arbeitslosigkeit. Schon um ein Zeichen zu setzen, müsste deshalb ein angemessener Mindestlohn eher bei 10 Euro liegen, als bei bei den 8,50, die sich derzeit in den Koalitionsgesprächen abzeichnen.

Gut möglich, dass einige Dienstleistungen sich dann deutlich verteuern werden. Doch abgesehen davon, dass diese Gelder an anderer Stelle wieder eingespart würden: Den Mindestlohn sehe ich auch als einen „Solidarbeitrag“ für eine gerechtere Gesellschaft. Ich würde ihn bereitwillig zahlen und wäre dann ein mindestens so guter Mensch wie jene, die zur Rettung der Welt nur fair gehandelten Kaffee trinken und die nur Eier von frei laufenden Hühnern kaufen.

Über Schubladendenker

Ein böses Virus geht um in Deutschland. Besonders gerne befällt es Politiker und Menschen, die die Welt verbessern wollen. Ich nenne es das Schubladendenkervirus (SDV), denn das ist das wichtigste Krankheitszeichen: Die Infizierten verlieren ihre Fähigkeit, klar zu denken. Auf der Suche nach Lösungen für die Probleme dieser Welt fragen sie nicht einfach danach, wer die besten Ideen hat. Sie prüfen nicht, was gesagt wird, und sie verlangen keine Beweise für erstaunliche Behauptungen. Die SDV-Infizierten interessieren sich nicht dafür, was einer sagt, sonder wer es sagt.

33-cabinet@2xZwar gibt es eine ganze Reihe von psychiatrischen Erkrankungen, die ähnliche Symptome zeigen: Bei einer fortgeschrittenen Manie etwa fühlen die Patienten sich oft im Alleinbesitz der Wahrheit. Und beim Verfolgungswahn wird manch einer ohne den geringsten Anlaß als verdächtig und gefährlich eingestuft. SDV-Infizierte lassen sich dennoch recht einfach von anderen Störungen des Denkvermögens unterscheiden: Charakteristisch ist dabei ihr Bestreben, andere Menschen in Schubladen zu stecken.

Von diesen Schubladen gibt es genau zwei Stück: Sie tragen die Aufschrift „Wir“ und „Die Anderen“. Für die Kranken ist dies nicht einmal schmerzhaft. Im Gegenteil vereinfacht es die Dinge zumindest kurzfristig, denn man spart Zeit, die man sonst mit Nachdenken und Zweifen verbringen müsste. So aber fühlt man sich gut in dem Wahn: „Wir haben Recht, und zwar immer.“ Die Anderen sind bestenfalls zu dumm, um die Wahrheit zu erkennen. Leider bleibt es oft nicht bei der Geringschätzung. Schließlich denken „Die Anderen“ genau umgekehrt. Der Streit eskaliert, und Experten vermuten, dass ein Großteil aller gewalttägigen Auseinandersetzungen auf das SDV zurück geht.

Zwei der wichtigsten Risikofaktoren für eine SDV-Infektion sind die Mitgliedschaft in einer Altpartei und der Besitz eines Parteibuches. Auch Umweltfaktoren spielen eine Rolle, haben Forscher entdeckt: So wird das Schubladendenken durch Fraktionszwang verstärkt, und durch einen vorderen Listenplatz bei Wahlen belohnt. Ein Blick in den Bundestag zeigt, dass eine SDV-Infektion verheerende Folgen haben kann: Nicht selten geht das kritische Denkvermögen dabei völlig verloren. Andere menschliche Tugenden wie Gerechtigkeitsempfinden, Schuldgefühle, Mitleid oder Gewissen bleiben oft auf Dauer unterdrückt.

Leider sind auch neue Parteien nicht vor dem Virus geschützt. So wurde ich bald nach meinem Eintritt in die Alternative für Deutschland (AfD) von einer Freundin angegriffen, die lange Zeit für die Grünen Politik gemacht hat, und die allen Ernstes behauptete, wir seien Rechtsradikale. Dass ich niemals einer ausländerfeindlichen Partei beitreten würde, hat sie mir zwar geglaubt, das Wahlprogramm der AfD kannte sie aber nicht.

Den polititschen Gegner in die (vorzugsweise rechte) Ecke zu stellen, statt Argumente auszutauschen, ist leider gegenüber der AfD zur Regel geworden – was mir beweist, wie sehr Deutschland bereits vom SDV durchseucht ist. Ein typisches Beispiel ist Norbert Hense, seines Zeichens Direktkandidat der Piraten für den Wahlkreis Offenburg. Der hat sich nach meinem Austritt bei den Piraten nicht entblödet, mich einen Rechtspopulisten zu nennen, ohne mich überhaupt zu kennen. Mehr als linientreu befolgte Hense damit eine „Unvereinbarkeitserklärung„, die die Piraten am 13.5. beschlossen hatten. Der Vorsitzende der Piratenpartei Bernd Schlömer nannte die AfD einfallslos, kleinkariert und wenig zukunftsweisend. Außerdem würde die AfD die Bürger verunsichern, statt eine Perspektive aufzuzeigen. Einem Piraten möchte ich nicht unterstellen, er sei zu blöd zum googeln. Schlömer kennt also das Wahlprogramm der AfD. Es ist übrigens in der Forderung nach direkter Demokratie identisch mit dem der Piraten. Doch statt wenigstens in diesem Punkt sachdienlich zusammen zu arbeiten, baut man lieber Feindbilder. Ganz besonders tun sich damit die Berliner Piraten und die dortige Linke hervor. Als z.B. das Nachbarschaftszentrum Rudi eine Podiumsdiskussion mit Direktkandidaten dieser beiden Parteien, plus Grüne und SPD und AfD organiseren wollte, verweigerten sie die Teilnahme, bis die AfD wieder ausgeladen wurde (Wer´s nicht glaubt kann die „Argumente“ hier auf Twitter nachlesen). Wie war das noch mal mit der Toleranz und der Meinungsfreiheit, die Ihr angeblich verteidigt? Wahrscheinlich können sie aber nichts dafür. Sicher nur ein paar weitere SDV-Infizierte.

Nachtrag: Ich bin bereits 2016 aus der AfD ausgetreten, nachdem bernd Lucke als Vorsitzender abgewählt wurde. Das alte Lied: Zu viele Fanatiker, zu wenige Konstruktive. War vielleicht auch ein bisschen naiv zu denken, dass diese Partei vom SDV verschont bleiben würde…

59-info@2x

Nichtwähler sind die größte Partei

Hurra, meine Partei hat gewonnen. Nein, ich rede nicht von der FDP, sondern von der größten aller Parteien – den Nichtwählern. Die haben z.B. in meinem Wahlkreis Offenburg 30,8 Prozent geholt und damit die CDU als zweitstärkste Partei mit 26 Prozent klar geschlagen. Für SPD und FDP haben hier jeweils 12 Prozent gestimmt, für die Grünen 9 und für die Linken 5 Prozent aller Wahlberechtigten. Dass es bundesweit mal mehr und mal weniger Stimmen für die genannten Parteien gab, ist nicht mein Thema.

Vielmehr ärgere ich mich darüber, dass in den Analysen zur Wahl wieder einmal der ständig wachsende Anteil der Bevölkerung ignoriert wird, der von unserem Parteiensystem die Nase voll hat und keine positiven Veränderung mehr erwartet. Warum sonst sollte ein knappes Drittel der Wahlberechtigen auf sein Stimmrecht verzichten? Am Wetter wird es ja wohl kaum gelegen haben, denn das war deutschlandweit Spitze.

Brav wie immer haben die Staatssender an uns Bürger appelliert, zur Wahl zu gehen. Natürlich hat auch Bundespräsident Köhler es sich nicht nehmen lassen, uns am Vorabend dieses Tages zum Urnengang aufzufordern. Kein Wunder, denn sein Amt hängt ebenso wie der aus Zwangsgebühren finanzierte 7-Milliarden-Etat von ARD, ZDF & Co. vom guten Willen der Parteien ab, mit denen sich hierzulande keiner mehr anlegen mag. Außer mir, natürlich 😉

Wussten Sie eigentlich, dass Köhler in seiner ersten Amtsperiode 588 Besuche in Deutschland und 81 Auslandsreisen auf Kosten der Steuerzahler unternommen hat? Oder dass sein Amtssitz, das Schloss Bellevue in Berlin gerade für 24,3 Millionen renoviert wurde? Ich finde, das ist ziemlich viel Geld für jemanden, der – sorry Herr Köhler – lediglich die Funktion eines Grüß-August hat und der dafür eben nicht von der Bevölkerung gewählt wurde sondern von der Mitgliedern der Bundesversammlung die widerum de facto von den Parteien entsandt werden. Ich scheife ´mal wieder ab.

Klar hätte ich Angie wählen können, weil sie mir als kleinstes Übel erscheint. Oder die Grünen, weil die ans Klima denken. Aber ich denke, man hätte die maroden Banken einfach sterben lassen sollen, statt die von Abzockern verursachten Billionen-Schäden auf die Allgemeinheit abzuwälzen. Ich will keinen Aussenminister Westerwelle, der mehr Talkshowbesuche vorzuweisen hat, als Auslandsreisen. In den Reihen der Grünen stören mich zahlreiche wissenschaftsfeindliche Ideologen, bei den Linken stört mich Lafontaine und einen Kanzler Steinmeier wollte ich nicht, weil er den Dalai Lama weggeschickt hat und lieber dem menschenverachtenden chinesischem Regime in den Hintern gekrochen ist. Was also tun?

Ich will meine Stimme nicht „abgeben“, und dann die nächsten vier Jahre zusehen müssen, wie gegen meinen Willen und den gegen den Willen der Mehrheit ein Gesetz nach dem anderen erlassen wird. Ich will Menschen, die Probleme lösen wollen und keine Parteien, die selbstständiges Denken mit Ausschluß bestrafen. Ich will mehr direkte Demokratie, ich will Volksabstimmungen über alle wichtigen Fragen (Afganisthan, EU-Verfassung, Euro, Rechtschreibreform, CO2-Steuer…) und ich will, dass die Ergebnisse dieser Abstimmungen für die Politiker bindend sind. Wenn es soweit ist, sehen wir uns an der Wahlurne.

Märchenstunde nach der Europa-Wahl

Ok, ok – manchmal neige ich zu Übertreibungen. Diplomatie ist nicht meine Stärke. Und manchmal rege ich mich unnötig auf. „Schone Deine Nerven“, sagte ich mir deshalb im Vorfeld der Europawahl, „ändern kannst Du ja doch nichts“. Also ging ich nicht hin und war damit in bester Gesellschaft. 58 Prozent der stimmberechtigten Deutschen haben auf diese Wahl geschissen, in den EU-Ländern insgesamt waren es 57 Prozent und in Berlin sogar 67 Prozent. 30 Jahre nach der ersten Europa-Direktwahl ist die Ablehnung der EU so groß wie noch nie. Deutlicher kann man einen Denkzettel kaum formulieren, dachte ich mir und gab mich für einen Moment der Illusion hin, dass diese Form der Kritik bei den Mächtigen wie auch bei den Meinungsmachern ankäme.

Was aber muss ich in der Zeitung lesen? Es sei im Wahlkampf ja gar nicht um Europa gegangen, bemüht sich „Bild“ um eine Erklärung. Europa sei für die Nachkriegsgeneration selbstverständlich, mit Reisen ohne Pass, stabiler Währung und Frieden. Außerdem sei der Wahlkampf öde und ohne prominente Gesichter verlaufen, fügt Bild entschuldigend hinzu. „Wie bitte?“, frage ich – und spüre, wie mein Blutdruck steigt. Doch es kommt noch besser: Die Wahlmüdigkeit sei ein Zeichen grundsätzlicher Zufriedenheit mit Europa, fabuliert „Der Standard“ aus Wien und mein: „Es besteht kein wesentlicher Änderungsbedarf.“

STOPP! JETZT REICHT ES MIR!

Es ist schlimm genug, dass ich mit meinen Steuern einen Club finanzieren muss, dem ich nicht angehören will. Die EU ist noch immer ein gigantischer Geldverschiebebahnhof, der 40 Prozent seines Etats für Subventionen der Landwirtschaft verpulvert, statt eine soziale Marktwirtschaft zu fördern. Ein Schweinetrog, an dem die Schnellsten, die Cleversten, die Lautesten und die Unverschämtesten sich satt fressen. Ein Verein, dessen Mitglieder sich nicht einmal auf einen gemeinsamen Tagungsort einigen konnten, sodass EU-Parlamentarier mitsamt ihren Heerscharen von Übersetzern wohl noch bis in alle Ewigkeit in einer absurden Prozession zwischen Brüssel und Straßburg auf unsere Kosten hin und her pendeln werden.

Das Schlimmste aber ist: Die EU ist keine echte Demokratie und insbesondere die deutschen Wähler haben mit ihren Stimmen dort fast keinen Einfluss (laut einer Emnid-Umfrage glauben dies 79 Prozent aller Befragten). Warum gab es bei uns keine Volksabstimmung über den EU-Beitritt? Wurden Sie nach Ihrer Meinung gefragt, bevor man die Mark abgeschafft und den Euro eingeführt hat? Wen hätte ich wählen können, um die Osterweiterung der EU zu verhindern? Warum durfte ich nicht mit entscheiden, ob Europa eine Verfassung braucht?

Wer angesichts solcher Missstände keinen „Änderungsbedarf“ erkennen kann, muss sich nicht nur fragen lassen, ob er das Wort „Demokratie“ wirklich verstanden hat. Und wer die offensichtliche Ablehnung der politischen Institution EU durch deren Bürger als „Zufriedenheit“ umdeutet, sollte statt Kommentaren lieber gleich Märchen schreiben. Ich jedenfalls habe die Europawahl nicht aus Faulheit versäumt. Vorsätzlich, bewusst, und um ein Zeichen zu setzen, bin ich nicht zu dieser Wahl gegangen. Im Wahl-Boykott sehe ich die einzige verbliebene Möglichkeit, um gegen eine Politik zu protestieren, die in erschreckender Weise den Willen der Mehrheit ignoriert.

Aber eigentlich wollte ich mich ja gar nicht aufregen. Und bevor Sie mich nun als Nationalisten beschimpfen oder gar in die Braune Ecke stellen, möchte ich klar stellen, dass ich an Freiheit, (Chancen-)Gleichheit und Gerechtigkeit glaube. In diesem Sinne hier ein paar Lesetipps und Links zum Thema Demokratie:

Abwrackprämie: 39 für Einen

Jetzt ist es also beschlossen: Nicht nur 1,5 Milliarden Euro sondern mehr als die dreifache Summe müssen wir Steuerzahler in den nächsten Jahren, vielleicht Jahrzehnten bezahlen, damit andere sich neue Autos kaufen dürfen. 5 000 000 000, weil Lobbyisten wieder einmal erfolgreich waren und weil die regierenden Parteien beschlossen haben, lieber Wahlkampfgeschenke zu verteilen, als mit unserem Geld sorgfältig zu wirtschaften. Zugute kommt dies immer noch nur einer kleinen Minderheit, auch wenn die Zahl von zwei Millionen Autos zunächst beeindruckend erscheint. Eine einfache Überschlagsrechnung zeigt nämlich, dass damit nur etwa jeder vierzigste Einwohner in den Genuss dieser Subvention kommt. Anders gesagt: 39 Menschen zahlen, einer macht Gewinn. Geht man von etwa 50 Millionen Steuerzahlern aus, so berappen diese pro Kopf 100 Euro für die Abwrackprämie – Zinsen nicht eingerechnet.

Genau so ungerecht geht es in der Wirtschaft zu: Heute profitieren Gebrauchtwagenhändler und die vorwiegend ausländischen Hersteller kleiner Wagen – alle anderen Branchen gehen leer aus. Selbst die Subventionsempfänger jammern schon ´mal vorsorglich, weil natürlich die Nachfrage ab dem 1. Januar 2010 zusammenbrechen wird, denn schließlich ist der Markt dann auf Jahre gesättigt. Wie kurzsichtig darf Politik eigentlich sein? Ist es nicht offensichtlich, dass die allermeisten derjenigen, die sich von der Abwrackprämie zum Autokauf verlocken lassen, dann eben kein Geld mehr haben, um beispielsweise ihr Dach zu renovieren, ihre Garderobe zu erneuern, in die Wirtschaft zu gehen oder einen neuen Computer zu kaufen? Subventionen – und um nichts anderes handelt es sich hier – sind das Gegenteil von Solidarität.

„Dies ist nun einmal der Preis, den wir zahlen müssen, damit es uns bald allen wieder besser geht“, höre ich Sie sagen. Mir wäre es wohler, ich hätte dieses Geld behalten dürfen. Aber wenn diese Regierung es sich schon anmaßt, die Steuereinnahmen und Steuererhöhungen der Zukunft in „Konjunkturprogramme“ zu stecken, dann bitte so, dass alle davon profitieren. Ein Vorschlag, der bereits auf dem Tisch lag und zugunsten erfolgreicher Lobbyisten beiseite gefegt wurde lautet: Zumindest die Hälfte aller Gelder zu Rettung der Konjunktur sollte in Form von Konsumgutscheinen verteilt werden, über deren Verwendung die Empfänger frei entscheiden können.

Ich würde damit zuerst ins Eiscafé gehen und mit dem Rest in den Biergarten 😉

Und wie sieht Ihr Traum von einem gerechten Konjunkturpaket aus?

P.S.: Am besten bringt es Winand von Petersdorf heute in einem Kommentar der Frankfurter Allgemeinen Zeitung Online auf den Punkt: „Einige Menschen in diesem Land zahlen fleißig Steuern, haben kein Auto zum Abwracken, sind nicht systemrelevant und darüber hinaus nicht mit der Macht und Chuzpe gesegnet, die Politiker zu erpressen. Sie beziehen keine Sozialhilfe. Sie arbeiten und wappnen sich gegen schlechte Zeiten durch Sparsamkeit. Sie gehören in diesem Land zu den ärmsten Hunden.“