Illias & Odyssee

Die womöglich wichtigsten literarischen Werke, die ich niemals lesen werde. Ich habe es versucht, doch war mir dieses etwa 800 v. Ch. erschaffene zweiteilige Epos um den trojanischen Krieg einfach zu anstrengend. Ein klein wenig beneide ich jeden, der gelernt hat, das Original zu lesen. Alle anderen, die wissen wollen, was es mit dem Trojanischen Pferd auf sich hat, was eine Achillesferse ist, oder ein Sirenengesang müssen jedoch auf Übersetzungen zurückgreifen. Die sind zwar sorgfältig gemacht und häufig sogar kostenlos zu haben (als eBook oder online) – aber das Versmaß und die Reime altgriechischer Epen lassen sich nun einmal nicht ohne Verlust übertragen.

Aus 24 Büchern mit mehr als 15000 Versen besteht allein die Ilias. Sie springt mitten hinein ins Geschehen vor die Tore der Stadt Troja, die – vermutlich etwa 1150 v. Ch. – im Krieg mit den Griechen lag. Die Geschichte wird aber nicht chronologisch erzählt, sondern beleuchtet nur 51 Tage zum Ende des zehnjährigen Krieges. In zahlreichen Vor- und Rückblenden sowie Abschweifungen, die auf die Hintergründe und den Ausgang des Konflikts verweisen, geht es um Helden- und um Gräueltaten, um den Schmerz der Besiegten, den Streit um schöne Frauen, und auch um die Fehler, Schwächen und Eitelkeiten der Menschen und ihrer Götter. Auf Seiten der Griechen stehen Athene und Hera, die Könige Agamemnon und Menelaos sowie der ebenso heldenhafte wie eigensinnige Achill. Die Troyer haben dagegen göttlichen Beistand von Apoll und Aphrodite und als Helden deren Sohn Äneas sowie Hektor, den Sohn des Königs Priamos. Unzählige Nachfolger haben in ihren großen Erzählungen die gleichen Elemente benutzt: Liebe und Treue, Hass und Gewalt, Betrug und Enttäuschung, Eitelkeit und Großmut. In einer Momentaufnahme der Geschichte wird so das ganze Spektrum menschlicher Stärken und Schwächen an einer Handvoll Figuren unter die Lupe genommen – als wären sie Stellvertreter für alle, die nach ihnen kommen.

Der zweite Teil des Epos ist nach dem griechischen Helden Odysseus benannt, und nach seiner, vom Zorn der Götter begleiteten zehnjährigen Irrfahrt zurück in die Heimat. Es ist „die erste Abenteuergeschichte, und vielleicht immer noch die beste“, urteilt Profi-Leser Clifton Fadiman in einem meiner Führer durch die Literatur. Die Stimmung ist hier deutlich entspannter, und es gibt das vielleicht erste Happy End der Literaturgeschichte. Gleichzeitig ist Odysseus wohl auch der erste Held, der die meisten seiner Herausforderungen mit dem Kopf gewinnt, statt mit dem Schwert. So überwindet er die selbstgefällige Behäbigkeit, die ihn und seine Männer im Land der Lotus-Esser überfällt, trickst den menschenfressenden Zyklopen aus, und entkommt gleich mehreren Liebschaften. Als die Heimkehr nach all den Rückschlägen endlich gelingt, besteht er auch die letzte Herausforderung: Er tötet eine ganze Schar von Nebenbuhlern und Schmarotzern, die sich in seinem Palast festgesetzt hatten. Weinend kehrt er in die Arme seiner treuen Frau Penelope zurück, mit der er gemeinsam alt wird.

Erstaunlicherweise ist die Frage offen, wer eigentlich die Ilias und die Odyssee überliefert hat. Zwar wird in der Regel der Dichter Homer als Autor dieser Pfeiler der westlichen Literatur genannt, allerdings sind die Angaben über diese Person sehr widersprüchlich. Man weiß weder, wer er war, noch gibt es eindeutige Belege, wo und wann er gelebt hat (oder ob überhaupt). Ob die Gedichte von ihm selbst verfasst wurden, oder ob er sie “nur” zusammengetragen hat und als Erster gesungen hat, ist somit ebenfalls fraglich. Immerhin eines ist sicher: Die Ilias und die Odyssee sind das bedeutendste literarische Vermächtnis des antiken Griechenlands.

Die Übersetzungen, Deutungen und Nacherzählungen der Ilias und der Odyssee füllen ganze Bibliotheken, und entsprechend lang ist die Abhandlung des Themas in der Wikipedia. Wer sich diesem Vermächtnis nähern mag, ohne gleich ein Studium des Altgriechischen zu unternehmen, kann es mit der deutschen Übersetzung von Johann Heinrich Voss versuchen. Mir war auch dies zu anstrengend, sodass ich stattdessen die Nacherzählungen „Die Sage von Trojas Fall“ und „Irrfahrt und Heimkehr des Odysseus“, empfehlen möchte, beide geschrieben von Franz Fühmann, mit Illustrationen von Susanne Janssen. Eine günstigere, aber etwas angestaubte Alternative ist „Troja“ von Gustav Schwab. Schließlich hat sich auch die Filmindustrie des Themas bemächtigt, zum Beispiel in der bislang aufwändigsten und erfolgreichsten Verfilmung „Troja“ (als Stream oder DVD bei Amazon), mit Brad Pit als Achill.