Bekannt als Märchensammlung handelt es sich hier eigentlich um eine Rahmenerzählung, in der tatsächlich exakt 1001 Geschichten miteinander verknüpft werden, deren Gemeinsamkeit darin besteht, dass sie „orientalischen“ Ursprungs sind. Einige Inhalte scheinen aus Indien zu stammen, andere aus Persien, wo sie vermutlich gegen 500 n. Chr. erstmals niedergeschrieben und später ins Arabische übertragen wurden. Es gibt zahlreiche Übersetzungen, ich orientiere mich an der Gustav Weil-Ausgabe in der Kindle-Version.
Demnach wurde Schahseman (auf Wikipedia heißt er Schahriyâr) ein Königssohn von den Sassaniden „auf den Inseln Indiens und Chinas“ von seiner Frau mit einem schwarzen Sklaven betrogen und als er die beiden überrascht bringt er beide um. Zu Besuch bei seinem Bruder sieht Schahseman eine ganz ähnliche Szene: Diesmal ist es die Schwägerin, die sich inmitten von 20 Sklaven und Sklavinnen vergnügt. Derart enttäuscht von den Frauen lässt Schahseman sich nun jede Nacht eine Jungfrau bringen, die er am Morgen nach der Liebesnacht umbringt, damit sie ihm nicht untreu werden kann. Dies geht eine ganze Weile so, bis kaum noch Jungfrauen im Reich zu finden sind, und Scheherazade, die Tochter des Wesirs, sich mit dem König einlässt. Sie überlebt die erste Nacht, weil sie ihm eine Geschichte mit offenem Ausgang erzählt und den König auf den nächsten Abend vertröstet. So geht das 1001 Nächte lang, bis Scheherazade drei Kinder geboren, der König sich in sie verliebt und sie begnadigt hat.
Als Kinderbuch war das Ganze sicherlich nicht gedacht, und Geschichten wie Sindbad, der Seefahrer, Aladins Wunderlampe und Ali Baba und die 40 Räuber stammen eigentlich aus anderen Quellen und wurden erst mit der ersten europäischen Übersetzung hinzugefügt. Näher am Original waren wohl Sir Richard Francis Burton mit einer englischen Übersetzung 1888 und eine darauf basierende deutsche Ausgabe um 1910, die beide zensiert wurden.
Obwohl die Märchen aus 1001 Nacht auch zu meiner Kindheit gehörten, habe ich nicht die Geduld aufgebracht, das Werk vollständig zu lesen. Zu sehr wiederholen sich – zumindest in meiner entschärften Version – dabei viele Elemente wie die Ermahnungen zum rechten Glauben. Das ist zu weit entfernt von meiner Welt. Man kann diese Geschichte allerdings auch „kulturkritisch“ lesen. Dann wird man zwischen all den fantasievollen Erzählungen ständig an zwei abstoßende Gebräuche in der damaligen arabischen Welt erinnert: Die Sklavenhaltung, und die Geringschätzung der Frauen als rechtslose Lustobjekte.