Facebook: Ich zeig Dir meins…

Von der Titelgeschichte „Generation Facebook – Wie sich Millionen Deutsche im Internet vernetzen“ habe ich mich dazu verführen lassen, wieder einmal den „Stern“ zu kaufen. Bevor Sie nun den gleichen Fehler machen und nur wegen dieser Geschichte 3,20 Euro investieren, seien Sie gewarnt: Wer schon bei Facebook ist, erfährt hier kaum etwas neues und wer sich für andere soziale Netzwerke im Internet interessesiert muss mit einer einzigen Doppelspalte vorlieb nehmen, in der Twitter & Co. mit jeweils einigen wenigen Zeilen abgehandelt sind. Statt dessen gibt es aber eine Handvoll ganzseitiger Porträts von Menschen, die bereits Facebook oder andere Dienste benutzen. Nun ist zwar der „Stern“ nicht zu Unrecht für seine Bildreportagen berühmt, hier aber frage ich mich, warum für so etwas Bäume sterben müssen.

Bei Licht betrachtet steht in der Titelgeschichte über Facebook fast nichts, was ich nicht schon wusste. Und weil mich so etwas ärgert, mache ich im Folgenden ein wenig von meinem Zitatrecht Gebrauch, erhöhe den Nutzwert dieses Blogs und schone damit womöglich sogar Ihren Geldbeutel.

Aaalllso: Facebook ist Weltmarktführer bei den sozialen Netzwerken des Internets. An die 1000 Mitarbeiter im kalifornischen Palo Alto arbeiten an der Verbesserung der Webseite und zermattern sich das Hirn, wie man damit richtig Geld verdienen kann. Ob der 25-jährige Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nun Milliardär ist oder nicht, will er im Interview mit dem Stern nicht verraten.

Aber wussten Sie, dass die Mitglieder bei Facebook bis zu 90 Angaben über ihre Person freiwillig machen dürfen? Viele tun das auch, was sie aber nicht davon abhält, gegen Volkszählungen und andere staatliche „Überwachungsaktionen“ zu protestieren. Der Stern bringt hier einen netten Vergleich: Die Erfassungsbögen der Stasi erfassten gerade einmal 48 persönliche Daten der Überwachten.

Wir erfahren außerdem: Das Internet wird derzeit von 1,1 Milliarden Menschen weltweit genutzt, die sozialen Netzwerke von 734 Millionen. Die Zahlen für Deutschland lauten: 40 Millionen Internetnutzer, von denen drei Viertel soziale Netzwerke gebrauchen. Facebok selbst hat 250 Millionen Mitglieder weltweit, im Juli besuchten 7,4 Millionen Deutsche die Website. Und warum?

Der Stern-Artikel macht hier einen psychologischen Exkurs und teilt die User in zwei Gruppen ein. Die einen sehen in Facebook eine Bühne, auf der sie sich austoben können und wo man auch nicht davor zurück schreckt, die letzten Banalitäten zu verbreiten. („Twitter – Ich esse gerade ein Brot“, fasste die Frankfurter Allgemeine Zeitung eine Studie zusammen, wonach 40-Prozent der hier abgesetzen Kurznachrichten in die Kategorie „nichtiges Geschwätz“ fielen).

Mit solchen Leuten will ich natürlich nichts zu tun haben und identifizierte mich daher spontan mit der zweiten Gruppe, die laut „Stern“ Facebook und andere soziale Websites wie Xing, Twitter, studieVZ / meinVZ, wer-kennt-wen, myspace oder flickr als „Multiplikatoren ihrer Interessen benutzen“.

Nun ja, wenn ich so darüber nachdenke, verschwimmt die Trennungslinie zwischen den zwei Gruppen doch ziemlich. Jedenfalls denken beide, dass sie unheimlich wichtige Dinge zu sagen haben – oder? Nebenbei: Falls das hier hochnäsig klingt, gebe ich hiermit zu wissen kund, dass ich bei allen genannten Diensten Mitglied bin – auch wenn ich derzeit noch in der Experimentierphase bin und den einen oder anderen vermutlich wieder aussortieren werde.

Wie dem auch sei wird beim Stern als Beispiel für die zweite Gruppe (Facebook als Multiplikator) nicht meine Wenigkeit genannt, sondern Renate Künast und Karl-Theodor zu Guttenberg. Ob Frau Künast nun kund tut, dass sie gerade ein Wahlvideo gedreht hat, oder ob Herr zu Guttenberg verrät, in welchem Bierzelt er seinen nächsten Auftritt hat – ich frage mich, wie groß ist eigentlich der Unterschied zur 16-jährigen Nachbarstochter, die sich auf ihrer Bildergalerie in Facebook von aller Welt ins Dekolleté glotzen läßt?

Dann kommt in der Geschichte noch der wohl bekannte Sermon, wie Facebook & Co trotz repressiver Regierungen dazu beitragen, die Wahrheit ans Licht zu bringen, etwa zur Unterdrückung der Opposition im Iran. Dass z.B. China mit aktiver Mithilfe westlicher Firmen den Spieß längst umgedreht hat, lese ich hier leider nicht.

Was weiß der „Stern“ sonst, was wir nicht wissen? Facebook funktioniert ebenso wie DSDS und „Germany´s Next Topmodel“ nach dem Prinzip: „Man sieht mich, also bin ich“ Und während ältere Leute diese Geisteshaltung mit einem Kopfschütteln bedenken, gehört für jüngere Menschen „das Teilen intimster Dinge mit einem großen Freundeskreis“ zu ihrer Persönlichkeit. Fragt sich halt, was zuerst da war: Die narzisstische Geisteshaltung oder DSDS, Big Brother und jetzt eben Facebook.

Meine eigene Bilanz zum Nutzen der sozialen Netzwerke ist vorläufig: Noch nimmt zwar die Zahl meiner Kontakte zu, und – ja es ist ganz nett, den einen oder anderen verschollenen Klassenkamerad wieder zu finden oder zuzuschauen, wie andere sich hier darstellen. Abgesehen von dem fast immer oberflächlichen Gedankenaustausch, den ich hier pflege, bringen Facebook und Co mich aber auch ins Grübeln, ob ich überhaupt etwas von Belang zu sagen habe – und wenn ja, was.

Schon haben die ersten Leute wieder genug von den sozialen Netzwerken. Sie lassen ihre Konton löschen (oder versuchen es zumindest) und sorgen sich um das eine oder andere Bild, das voraussichtlich bis in alle Ewigkeit unrückholbar im Internet kursieren wird und ihrer nächsten Bewerbung im Wege stehen könnte. Und die Moral von der Geschicht: Wer die Hosen ´runter läßt, macht sich eben leicht zum Deppen. Nicht nur im Internet.

Helft mir in die Achterbahn – ich bin 47!

Gestern im Europapark Rust: Strahlende Sonne bei 28 Grad, gefühlte 40000 Besucher und der älteste Sack von allen – bin ich  😯 

Der Blue Fire ist eine von derzeit 13 Achterbahnen im Europapark Rust.

Aber was soll´s, versprochen ist versprochen und außerdem wollte ich es noch einmal wissen. Manche Leute kommen hierher, weil sie es süß finden, wie hier halb Europa in Form von liebevollen Nachbauten reproduziert wird, andere kommen wegen der Eventhotels und wieder andere wegen Partys, Kino oder Konzerten. Von mir aus. Ich aber bereise Europa lieber selbst, bevorzuge die Originale gegenüber den Kopien und hatte eigentlich nur einen Grund hierher zu kommen: Wer so wie ich ein eingefleischter Achterbahn-Fan ist, muss den Europapark in Rust einfach besucht haben, denn dort steht gleich ein halbes Dutzend dieser Teile (Anmerkung: Im Sommer 2017 sind es 13!).

In mehreren Hundert Kilometern Umkreis gibt es nichts vergleichbares, was auch die Schweizer und Franzosen längst entdeckt haben. Ob ich nicht ein wenig zu alt bin für solchen Kinderkram, höre ich Sie kopfschüttelnd fragen. Ach was! Schließlich hat es der NASA-Astronaut John Glenn mit 77 Jahren zum vorläufig letzten Mal in den Orbit und zurück geschafft. Warum sollte dann nicht ein halbwegs fitter 47-Jähriger ein paar Sekunden freien Fall durchstehen, gewaltige Beschleunigungen, Loopings und pulstreibende Ausblicke aus schwindelerregender Höhe?

Also los mit Nichte Kira, deren Freundin Celina und dem fast schon 15-jährigen Nicolas, der uns als Routinier durch die Besuchermassen von einer Attraktion zur anderen lotste, während die technischen Details und allgemein Wissenswertes aus ihm heraus sprudelten, als wäre er ein wandelndes Lexikon. Danke, Kids, das war ein gelungener Tag! Leider ist das Gefühl, in einer richtig guten Achterbahn zu fahren, nahezu unbeschreiblich. Deshalb kann ich jedem nur raten, es selbst einmal zu versuchen.

Trotz der ätzenden Ansteherei hat es Kira, Celina, Nicolas und mir gewaltigen Spaß gemacht und – nein, keinem von uns ist es so schlecht geworden, dass uns Zuckerwatte, Eis, Hotdogs oder sonstige Snacks aus dem Gesicht gefallen wären. Im Gegenteil: Ich habe Lust auf mehr und dies war sicher nicht mein letzter Besuch im Europapark. Nur eins habe ich mir geschworen: In den großen Ferien lockt mich so schnell keiner mehr hierher. Muss ich ja auch nicht, denke ich mir schelmisch auf der Heimfahrt. Ich komme in der Nachsaison oder in der nächsten Vorsaison und muss dafür nicht einmal die Schule schwänzen. Manchmal ist es eben doch ganz prima, ein alter Sack zu sein  😛 

Warum ich kein Bayern-Fan mehr bin

Sorry Philipp Lahm, sorry Froonnnnck Ribéry. Das geht jetzt nicht gegen Euch. Euch zuzuschauen hat mir meistens einen Riesenspaß gemacht. Uli Hoeneß habe ich immer verteidigt. Auch wenn er rot-gumpfig schäumend ab und zu über´s Ziel hinaus geschossen sein mag, halte ich den Manager nach wie vor für einen fairen Sportsmann. Nein, ich habe auch nichts gegen Schweini, Miro oder Luca und von mir aus soll auch Mario versuchen, wenigstens ab und zu einen Ball ins Tor zu stolpern.

Jürgen Klinsmann? Da habe ich schon geschluckt aber weder gemeckert noch protestiert. Wegen der Mannschaftsdisziplin. Na gut, ich habe manchmal leise vor mich hin gegrummelt, und mich gefragt, was denn dieser überbewertete Schwabe beim FCB besser machen soll als ein Ottmar Hitzfeld oder ein Felix Magath. Aber gesagt hab ich nix bis zum Schluss. Und dass man gegen Barcelona auch ´mal 4:0 verlieren kann und nicht jedes Jahr drei Titel holen – geschenkt!

Aber was zu weit geht geht zu weit. Ein Holländer Mark van Bommel – als Mannschaftskapitän? Noch dazu einer, dessen Ellbogen schneller sind als seine Füße? Und obendrauf ein griesgrämiger holländischer Trainer – Louis van Gaal– und auf dem Platz zusätzlich Edson Braafheid und Daniel van Buyten? Sage mir jetzt keiner, van Buyten sei Belgier. So leicht könnt ihr mich nicht täuschen und wo der Mann wirklich herkommt, verrät ja schon sein Name. Im Kleingedruckten auf der Webseite des FCB steht übrigens auch, wie der Trainingspsychologe heißt: Nämlich Jos van Dijk! Ok, dort steht eigentlich, von Dijk sei Trainingsphysiologe. Aber das bestärkt mich nur in meinem Verdacht, dass hier etwas vertuscht werden soll.

Ich glaube nämlich, dass hier eine große Verschwörung im Gange ist! Wenn ich so darüber nachdenke, waren die Holländer ja schon immer sauer auf unsere drei WM-Titel. Und weil spucken, Blutgrätschen und Buh-Rufe nicht geholfen haben, versuchen sie nun eine neue Strategie, um den Feind zu schwächen. Sie wollen die Bundesliga übernehmen! Haben nach jahrelanger Enthaltsamkeit ganz unauffällig ein paar Leutchen bei kleinen, unbedeutenden Clubs spielen lassen, haben dann versucht, den FCB mit Roy Makaay einzulullen und sich zuletzt mit Rafael van der Vaart unter Huub Stevens wieder an die Großen heran gepirscht. Und holen nun zum entscheidenden Schlag aus, indem sie den deutschen Rekordmeister zu Fall bringen. Schon steigen die Einschaltquoten im Nachbarland, weil die Oranjes sich dieses Schauspiel nicht entgehen lassen wollen.

Aber nicht mit mir! „Nieder-trächtig“ möchte ich da schreien und sehe nur eine Möglichkeit der Gegenwehr: Den Austritt aller 152700 Mitglieder aus dem Verein. „Offiziell“ war ich zwar nie dabei, gehe dafür jetzt aber umso forscher voran, um das Schlimmste zu verhindern 😉

P.S.: Eigentlich wollte ich dieses öffentliche Gelöbnis noch durch einen dramatisch-symbolträchtigen Akt unterstreichen. Doch den drei Meter langen, blau-weiss-roten Schal, den mir meine erste Feundin Gabi vor ca. 30 Jahren gestrickt hat, konnte ich trotz aller Mühe nicht mehr finden. Sonst hätte ich den doch tatsächlich auf dem Scheiterhaufen verbrannt oder – fieser noch – meinem Freund Grillo zur Hochzeit geschenkt.

Neue Vogelart entdeckt: Der glatzköpfige Bülbül

Erst wusste ich nicht so recht, ob ich diese Meldung auf meinem Blog aufgreifen sollte. Andererseits gibt es eine Entdeckung zu vermelden (siehe Untertitel), ich bin ein Vogelfreund, freue mich immer wieder an der Vielfalt der Natur im Allgemeinen und an neu entdeckten Arten im Besonderen. Und dann sieht dieser Piepmatz auch noch ziemlich lustig aus und hat ebenso wie ich kaum noch Haare auf dem Kopf. Dass der Glatzkopf zur Familie der Bülbüls gehört, die auch Haarvögel genannt werden, passt wie die Faust auf´s Auge, also gebe ich hier wieder, was die englischsprachige Pressemitteilung der Wildlife Conservation Society hergibt:

Entdeckt wurde die neue Vogelart von Forschern eben dieser Wildlife Conservation Society (WCS) und der Universität Melbourne in einer selten besuchten, kargen Waldregion in Laos.  Es sei der einzige kahle Singvogel auf dem gesamten asiatischen Kontinent, so die WCS. „Diese Entdeckung macht wieder einmal deutlich, wie viel es noch auf der ganzen Welt zu lernen gibt“, freute sich der WCS-Direktor für Asien,  Colin Poole. Der etwa Amsel-große Vogel hat ein grünlich-olives Gefieder und eine hell gefärbte Brust, ein charakteristisches federloses pinkfarbenes Gesicht, und um die Augen eine blau gefärbte Haut, sowie auf dem Scheitel eine schmale Linie haarähnlicher Federn. „Trotz seiner auffälligen Verhaltensweise und Rufe ist dieser Vogel unbemerkt geblieben, weil er in einer für Menschen wenig reizvollen Umgebung lebt“, vermutet Mitentdecker Iain Woxvold von der Universität Melbourne.

Noch hat das Tier keinen offiziellen wissenschaftlichen Namen, doch die vorläufige englische Bezeichnung könnte man mit „Kahlgesichtiger Bülbül“ übersetzen. Ich fände Glatzkopf-Bülbül aber viel passender. Also wenn dies einer jener deutschen Ornithologen lesen sollte, die bei der Namensgebung mit entscheiden dürfen, bitte ich hiermit um Beachtung meines Vorschlages.

Achtung Werbung! Wenn Sie bis zu dieser Stelle gelesen haben, gehe ich davon aus, dass auch Sie sich für Vögel interessieren und möchte Ihnen deshalb die folgenden Bücher und Filme empfehlen:

Unter vielen der Beste: Der Kosmos Vogelführer ist das einzige Buch, das Sie brauchen, um sämtliche bei uns vorkommenden Piepmätze zu bestimmen und außerdem alle Arten, die beim Urlaub in Europa, Nordafrika und Vorderasien an Ihnen vorbeifliegen, -wackeln oder -schwimmen könnten. 758 Arten auf 400 Seiten, mit mehreren Tausend Zeichnungen plus Verbreitungskarten ist dieser Schmöker die „Bibel aller Birder“, wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung zu Recht urteilte.

Wo fliegen sie denn? Wer sich nicht damit begnügen mag, Vögel am winterlichen Futterhäuschen, am Ententeich im Park oder hinter Draht im Zoo zu beobachten, wird begeistert sein von der Kosmos Naturführer-Reihe „Vögel beobachten in…“. Ich habe mich von Christoph Moning und Christian Wagner mit „Vögel beobachten in Süddeutschland“ dazu verführen lassen, einige der „besten Beobachtungsgebiete zwischen Mosel und Watzmann“ aufzusuchen. In übersichtlichen Karten sind nicht nur Anfahrtswege und Parkmöglichkeiten dargestellt, sondern auch Rundgänge und Wanderungen mit exakten Markierung für jene Stellen, an denen es beispielsweise Eisvögel oder Neuntöter, Blaukelchen oder Beutelmeisen zu sehen gibt. Wer das Pech hat, nicht in Süddeutschland zu wohnen, braucht nicht traurig zu sein: Das Konzept war offensichtlich so erfolgreich, dass in kurzer Folge auch Bücher für den Rest von Deutschland vorgelegt wurden, nämlich „Vögel beobachten in Nordeutschland: Die besten Beobachtungsgebiete zwischen Sylt und Niederrhein“ und  „Vögel beobachten in Ostdeutschland: Die besten Beobachtungsgebiete zwischen Rügen und Thüringer Wald

Geadelt für seine Naturfilme: Sir David Attenborough (Foto: www.wildscreen.org, (c) 2003)
Geadelt für seine Naturfilme: Sir David Attenborough (Foto: www.wildscreen.org, (c) 2003)

Eigentlich wollte ich hier ja nur über den Glatzköpfigen Bülbül erzählen. Aber nachdem Sie mir nun schon so weit gefolgt sind, schreibe ich einfach weiter und lobe noch einen Menschen über den grünen Klee, der die für mich eindrucksvollste Doku-Serie über die Vogelwelt produziert hat: Was für die Deutschen Bernhard Grzimek ist der geadelte Tierfilmer Sir David Attenborough für Großbritannien und darüber hinaus.

Mit seinen unnachahmlichen, gleichermaßen liebenswerten wie lehrreichen Moderationen zu Filmaufnahmen auf höchstem technischen Niveau hat der mittlerweile 90-jährige sich eine riesige Fangemeinde erobert. Die schlechte Nachricht ist, dass Attenboroughs Werke in Deutschland (und auf deutsch) nur zum Teil erhältlich sind und dann oft nur zu überhöhten Preisen. So kostet das deutsche DVD-Set zur BBC-Reihe „Das geheime Leben der Vögel“ stolze 116 Euro. Nicht viel besser sieht es mit den Büchern zur Serie aus. „Das geheime Leben der Vögel“ wird wohl nicht mehr gedruckt und muss ebenso wie das englische Original „The Life of Birds“ z.B. bei Amazon indirekt über Zweitanbieter erworben werden.

Mein Tipp lautet daher 1. Abwarten und die TV-Zeitschrift studieren, bis einer unserer Staatssender sich bequemt, neben den Unmengen von Gebühren-finanziertem Müll auch Attenboroughs Vogel-Serie zu wiederholen. Dann mitschneiden und aufheben für einen schönen, lehrreichen und unterhaltsamen Familienabend. Und der zweite Tipp: Da es noch jede Menge andere Bücher und Filme (als DVDs) von David Attenborough gibt, suchen Sie sich diejenigen aus, die zu fairen Preisen angeboten werden. Meine Favoriten sind die DVD-Box „Verborgene Welten – Das geheime Leben der Insekten“ und das Buch „Das geheime Leben der Pflanzen„. Der dritte Tipp lautet: Lernen Sie englisch und genießen Sie Attenborough im Original. Oder umgekehrt: Genießen Sie Attenborough im Original und lernen Sie dabei englisch. Am besten und – im Vergleich zu den obigen Angeboten – auch noch äußerst preiswert geht das mit: „David Attenborough: The Life Collection„. Die von der BBC veröffentlichte Sammlung von Meilensteinen des Naturfilms umfasst auf 24 DVDs acht von neun „Life“-Serien Attenboroughs, nämlich Life on Earth (1979), The Living Planet (1984), The Trials of Life (1990), Life in the Freezer (1993), The Private Life of Plants (1995), The Life of Birds (1998), The Life of Mammals (2002) und Life in the Undergrowth (2005). Es fehlt lediglich die jüngste Produktion „Live In Cold Blood“ über Amphibien und Reptilien und die ist – sorry Sir David – zwar ebenfalls gut, aber für mich längst nicht so toll wie die Vögel-, Pflanzen- und Insektenserie.

Buchtipp: Mauergewinner von Mark Scheppert

Vorbemerkung: Dies ist der erste Gastbeitrag auf meinem Blog. Danke, Antje, für Deinen Mut und für diese ganz besondere Rezension. Hier also die Buchbesprechung von Einer, die mitreden kann, weil sie dabei war! (MS):

Es ist schwierig dieses Buch für eine ganze Nation zu empfehlen, da es sich ausschließlich um die erlebte Kindheit eines 1972 Geborenen, in Ostberlin, handelt. Diese Geschichte  ist aber so genial und ehrlich geschrieben, dass ich meine verlorene Kindheit in den Zeilen wiederfinde. Schon dafür möchte ich dem Autor ganz herzlich danken. In „Mauergewinner – 30 DDR Sättigungsbeilagen“ ist es Mark Scheppert gelungen, so zu schreiben, wie wir es als Kinder in der DDR empfunden haben, es erdulden mussten und wie es wirklich war. Ganz ehrlich und direkt, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, denn das mussten wir ja lange genug.

Alle Erzählungen und Erinnerungen habe ich fast 1:1 erlebt. Es ist als hätte man nach 20 Jahren sein eigenes Tagebuch wiedergefunden. Mark Scheppert beschreibt den gnadenlosen DDR-Alltag mit all seinen schönen und weniger schönen Facetten. Natürlich ging es bei mir um Jungs-Geschichten wenn Mark von seinen Mädchen-Geschichten schreibt, aber das ist ja klar. Wenn er eine Schlägerei in der Mahrzahner Disco beschreibt, dann haben wir Mädchen um unsere Freunde gebangt und uns hinter dem nächsten Häuserblock versteckt. Die Alkohol- Exzesse seines Vaters kenne ich zum Glück nicht aus der eigenen Familie aber aus dem erweiterten Kollektiv meiner Eltern. Von den Details zur Stasi möchte ich mich distanzieren, da Mark diese Betrachtung aus meiner Sicht etwas verharmlost. Aber alles was wir als unschuldige Kinder sonst erlebt haben, ist in diesem Buch endlich mal festgehalten.

Was mir nach so viel Jahren beim Lesen aufgefallen ist, ist die einzigartige Sprache, die sich in diesem abgeschotteten Ossi-Land entwickelt hat und sich nach der Wende aber ebenso zurück entwickelt hat. Ich bin auf Bezeichnungen und Wörter gestoßen, die ich quasi 20 Jahre nicht mehr gehört oder gesprochen habe, das ist schon ein ganz besonderes Gefühl des Verlustes.

Da ich von einem guten „Wessi“ Freund aufgefordert wurde: „Hey schreib doch zu diesem Buch eine Rezension“, habe ich mich gefragt: Warum sollte ein sogenannter „Wessi“ dieses Buch lesen? Als 1972 gebürtige Ostberlinerin, die seit 19 Jahren in der BRD lebt und ihr Herz ans Badische Land verloren hat, war das Buch eine Offenbarung, eine Zeitreise in die Vergangenheit, ein unverfälscht-ehrlicher Blick auf die eigene Kindheit. Vielleicht hilft dieses Buch den Wessis, ihre Ossi-Freunde noch besser zu verstehen? Denn in  „Mauergewinner“ spürt man die Angst schon beim Lesen, die von unseren Lehrern, Eltern und Vorgesetzten verbreitet wurde, man spürt das Vergessene, Tragische, was nie mehr wiederkommt, was aber auch niemand will. Dennoch fühlt es sich wie eine verlorene Kindheit an, die nur einzig und allein in diesem lustigen, manchmal sprachlich sehr derben, aber liebevollen Buch beschrieben ist.

Es ist ein sehr persönliches Buch. Es ist ein lustiges Buch. Es ist ein politisches Buch. Es ist ein geschichtliches Buch und es ist ein Stück Vergangenheit von 17 Millionen Deutschen. Vielleicht reichen diese fünf Gründe ja, sich den „Mauergewinnern“ hinzugeben.

Doppelmoral beim Geldverkehr

Darüber, dass die Banken von uns Steuerzahlern finanzierte Kredite nicht weiterreichen, habe ich mich bereits in der vergangenen Woche ereifert (siehe die Glosse „Michels Konjunkturplan„), und dies war auch für viele andere Kommentatoren ein Stein des Anstoßes. Drum sei hier gleich noch ein kleiner Erfahrungsbericht nachgeschoben, eine Geschichte, die so oder ganz ähnlich tagtäglich sicher millionenfach abläuft und die ein weiteres Licht auf die Art wirft, wie unsere Geldhäuser Kasse machen:

Am Mittwoch, dem ersten Juli erhalte ich einen Scheck über 657 Euro, den ich noch am gleichen Tag in ein Couvert der Postbank stecke und am Nachmittag in den Briefkasten der hiesigen Hauptpoststelle einwerfe. Ich hoffe auf umgehende Gutschrift, denn die Entfernung von Offenburg nach Karlsruhe zu dortigen Postbank beträgt nur ca. 65 Kilometer und angeblich erreichen ja fast alle Briefe deutschlandweit ihre Adressaten binnen eines Tages. Nun sind fünf Tage vergangenen, es ist Montag-Nachmittag und mich beschleicht der Verdacht, dass die Postbank seit vier Tagen die Zinsen auf jene 657 Euro einstreicht, die ich sauer verdient habe. „So schnell geht das nicht“, höre ich Sie sagen und will Ihnen deshalb auch den zweiten Teil meiner Geschichte erzählen:

Am Freitag, dem dritten Juli, hebe ich um 14:00 am Bargeldautomaten der hiesigen Postbank 50 Euro ab. Ich laufe binnen einer Viertel Stunde nach Hause, werfe mein Homebanking-Programm an, um nach der ausstehenden Gutschrift zu schauen und siehe da: Die 50 Euro sind weg, abgebucht und sauber registriert. Spätestens eine halbe Stunde nach der Abhebung verdient die Postbank also an den Zinsen jener 50 Euro denn ich bin – wie Sie mittlerweile ahnen werden – in den roten Zahlen und berappe dafür 14,25 Prozent.

Wofür, frage ich mich, gibt es eigentlich ein Ministerium für Verbraucherschutz? Und: Bin ich der Einzige, dem solche Geschichten passieren, oder steckt da etwa ein System dahinter?

Buchbesprechung: Tipping Point von Malcolm Gladwell

Darf man das? Ein Buch besprechen, das man nicht zu Ende gelesen hat? Sei´s drum – dies ist mein Blog und hier mache ich, was ich will. Auf Seite 213 von 300 war meine Geduld mit „The Tipping Point“ von Malcolm Gladwell (gelesen habe ich die englischsprachige Taschenbuchausgabe) jedenfalls zu Ende und wenn ich es recht bedenke, verlor ich das Interesse an diesem US-Nationalen Nr. 1-Bestseller wohl schon in der Mitte des Buches. „Wie kleine Dinge Großes bewirken können“ lautet der Untertitel des Schmökers. Dies ist ein Thema, das mich interessiert und außerdem lag das Buch auf dem Tisch mit dem großen Schild „buy 1, get 1 half price“. Jetzt aber genug der Entschuldigungen.

Der „Tipping Point“, das ist laut Buchdeckel jener „magische Moment, an dem eine Idee, ein Trend oder ein soziales Verhalten eine Schwelle überschreitet, umkippt, und sich wie ein Flächenbrand ausbreitet.“ Die Suche nach Gesetzmäßigkeiten, die erklären könnten, wie es zu diesem Umkippen kommt, beschäftigt den Autor Malcom Gladwell, der zehn Jahre lang als Reporter für die Washington Post gearbeitet hat, erst als Wissenschaftsjournalist, und dann als Leiter des New Yorker Büros. Als Business-Ratgeber sei das Buch großartig, lobte denn auch ein Kritiker, denn der „Tipping Point“ stecke voller neuer Theorien über die Wissenschaft der Manipulation.

Epidemien, behauptet Gladwell, gingen immer von einigen wenigen Leuten aus. Claro, würde ich entgegnen, denn sonst wären es ja keine Epidemien. Aber Gladwell hat noch mehr entdeckt: die Schlüsselpersonen, die eine Epidemie verbreiten, ließen sich anhand ihres speziellen Charakters und ihrer Talente in drei Gruppen unterscheiden: Die „Connectors“, das sind grob gesagt Leute, die sehr viele Leute kennen. Die „Mavens“ sind diejenigen mit Ahnung. Experten also, oder wandelnde Lexika, die noch dazu ein tiefes Bedürfnis haben, ihr Wissen anderen mitzuteilen. Und natürlich dürfen auch die „Salesmen“ nicht fehlen – gute Verkäufer die eine Idee oder ein Produkt an den Mann bringen. Als Beispiel muss die Wiederentdeckung der Hush Puppies herhalten, einer Reihe von Schuhen, die jahrzehntelang immer weniger verkauft wurden und dann binnen weniger Jahre Bestseller wurden, nachdem ein paar New Yorker Jugendliche sie für cool befunden hatten. Auch die amerikanische Revolution, hätte Gladwells Logik zufolge nicht stattgefunden oder wäre anders verlaufen, wenn Paul Revere (er warnte die Kolonialisten vor den heran rückenden britischen Truppen) ein anderer Mann gewesen wäre.

Dann ist da noch die Feststellung „Little things can make a big difference“. Natürlich kann man, wie Gladwell das tut, große Ereignisse so lange unter die Lupe nehmen, bis man einen scheinbaren Schlüsselfaktor entdeckt, ohne den das Ganze nicht statt gefunden hätte. Man kann aber auch den Standpunkt vertreten, dass irgendwann das Fass voll ist und dass der berühmte Tropfen, der zum Überlaufen führt, jede x-beliebige Kleinigkeit sein kann. Gladwell geht den ersten Weg und arbeitet nach dem Motto: „Was nicht passt, wird passend gemacht“.

Zugegeben: Gladwell schreibt angenehm flüssig, sei Stil ist lebendig und er ist leicht verständlich. Aber sein Bemühen – oder sollte ich sagen, seine Masche? – Gesetzmäßigkeiten herzuleiten, wo andere lediglich den Zufall am Werk sehen, wirkt streckenweise sehr ermüdend und vor allem sehr unwissenschaftlich. Spannend wird es dort, wo der Autor über die Verbreitung von Aids und Syphilis schreibt oder über das plötzliche Verebben eine Welle von Gewaltverbrechen in New York City, nachdem Bernie Goetz in der U-Bahn vier Schwarze nieder schoss und dadurch fast zum Volksheld wurde. Allerdings hat man diese Erzählungen anderswo auch schon gelesen und es beschleicht einen der Verdacht, dass hier Dinge in ein Schema gepresst werden, um eine vorgefasste Meinung zu untermauern. Eine saubere Recherche oder gar wissenschaftliche Arbeit, bei der auch andere Erklärungsmöglichkeiten überprüft würden, sieht jedenfalls anders aus.

Geradezu absurd wird es, wenn am Beispiel der Sesamstraße minutiös-langatmig erklärt wird, wie deren Macher durch fleißiges herum experimentieren zum Erfolg kamen oder wenn die religiöse Gemeinschaft der Hutterer, die Armee und die Firma Gore-Tex dafür herhalten müssen, die Zahl 150 zur magischen Obergrenze für erfolgreiche Gruppenarbeit zu erklären.

Nein, Herr Gladwell, so geht das nicht. Der Ansatz ist löblich, die Frage wichtig, doch in der Ausführung halte ich dieses Projekt für gescheitert. Abgesehen von einigen netten Anekdoten habe ich von dieser Lektüre nichts zurück behalten außer der Verwunderung darüber, wie ein Buch mit derart löchriger und angreifbarer Argumentation auf Platz 1 der (amerikanischen) Bestsellerliste klettern konnte. Wer mir nicht glaubt und sich lieber eine eigene Meinung bildet, kann hier das Original oder die deutsche Übersetzung bestellen und hilft damit, weitere Kritiken zu finanzieren.

Michels Konjunkturplan oder: Volkswirtschaft für Fortgeschrittene

Habe ich das recht verstanden? Den Banken ist das Risiko für Kredite zu groß, und deshalb brauchen sie staatliche Garantien und unser aller Unterstützung, um ihren Job zu machen. Man schnürt Rettungspakete in Höhe von 3700 Milliarden Euro für den EU-Raum und wenige Tage später muss Steinbrück kleinlaut zugeben, dass sich unsere Neuverschuldung gerade schlagartig verdoppelt hat.

Kredite wollen die Banken uns aber trotzdem keine geben, und so beschließen unsere Politiker, dass Sparkasse und Co. bei der Mutter aller Banken – der Europäischen Zentralbank – sich ab sofort Geld in nahezu beliebigen Mengen nahe dem Nulltarif leihen dürfen. Das Risiko für diese Kredite trägt dann – richtig geraten – die Gemeinschaft der Steuerzahler, denn Banken dürfen  ja nicht Pleite gehen.

Im dritten Schritt leiht sich z.B. die Postbank 3000 Euro für 0,5 Prozent Zinsen und gibt mir – weil ich schon so lange ein guter Kunde bin – einen Dispokredit in Höhe von 14,25 Prozent. So verdient die Postbank ohne Risiko 427 Euro im Jahr. Aber geht das nicht auch einfacher? Hier kommt mein alternativer Plan zur Rettung der Wirtschaft: Alle, denen die Banken keine Kredite geben wollen, dürfen sich die Kohle direkt bei der Europäischen Zentralbank abholen, und zwar zum gleichen Zinssatz wie unsere Banken. Ach was, wir wollen nicht so kleinlich sein: Ich zahle freiwillig doppelt so hohe Zinsen, wie die Postbank. Und damit die Sache sich auch lohnt, leihe ich mir keine 3000 Euro sondern 3 Millionen. Die lege ich dann auf ein Tagesgeldkonto mit 5 Prozent (vielleicht bei der Postbank?). Daraus kriege ich pro Jahr 120000 Euro an Zinsen, aber wegen der Inflation und der unsicheren Rente nehme ich mir nur 100000 ´raus. Die Hälfte davon geht zwar drauf für Steuern und Abgaben, aber ich bin trotzdem zufrieden und trete vorzeitig in den Ruhestand. Weil das ein genialer Plan ist, machen das alle so, keiner muss mehr arbeiten und jeder ist glücklich 😕

Und als nächstes erfinde ich dann das Perpetuum mobile…

Reich und berühmt mit Blog und Twitter?

Wer bloggt möchte gelesen werden – da bin ich keine Ausnahme. Theoretisch hätte ich an dieser Stelle eine kleine Umfrage einbauen und erkunden können, ob ich diese Seiten ihrer Meinung nach wohl aus Geltungssucht, Größenwahn oder fehlgeleitetem Gutmenschentum erstellt habe? Aber dann graute es mir vor dem möglichen Ergebnis. Und noch mehr davor, dass sich keiner auch nur für die Frage interessiert. Laut einer Allensbach-Umfrage betrieb bereits im Jahr 2007 etwa jeder zwölfte Internet-Nutzer sein eigenes Blog. Gefühlsstatistisch scheint das Verhältnis zwischen Nachfrage und Angebot jedoch eher unausgewogen. Ich zumindest besuche „normale“ Webseiten mit Nachrichten oder die Wikipedia sicher 100 Mal öfter als Blogs. Dazu passt eine aktuelle Meldung, wonach etwa die Hälfte aller Blogs „Web-Leichen“ sind, also von ihren Besitzern nicht mehr gepflegt werden. Auch die handvoll RSS-Feeds, die ich abonniert habe, sind inhaltlich meist enttäuschend. Ist der Zug also schon abgefahren? Das Blog ist tot, es lebe der Twitter? Noch vor wenigen Tagen hielt ich Twitter übrigens für eine Spielerei, und lese nun erstaunt, dass dieser Service zum Verbreiten von Kurznachrichten mehr News und Eindrücke zu den Wahlen im Iran geliefert hat, als so mancher große Fernsehsender. Tja, „Vorhersagen sind schwierig, vor allem was die Zukunft betrifft“, soll Mark Twain gesagt haben. Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, dass dieser Blog-Beitrag irgendwie typisch ist? Sie lesen und lesen und noch immer ist nichts passiert. Denn ich bin abgeschweift. Habe mich im Allgemeinen verloren, obwohl ich doch eigentlich ein Experiment in Sachen Eigenvermarktung schildern wollte. Also nochmal einmal von vorne:

Wer bloggt möchte gelesen werden, besser noch berühmt oder sogar reich. Letzterer Gedanke kam mir, als ich in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die Geschichte von Robert Basic las, der mit seinem Blog „Basic Thinking“ einer der meistgelesenen war und nach eigenen Angaben einen Jahresumsatz von 37000 Euro erzielte, bevor er das Teil bei Ebay für 47000 Euro versteigerte. „Herzlichen Glückwunsch“ und „das kann doch nicht so schwer sein“, dachte ich mir nach einem Blick auf die Seite. Und weiter: „Wenn der mit so einer Kraut-und-Rüben-Sammlung Geld verdienen kann, kann ich das auch!“ Zimmerte mit WordPress mein eigenes Blog zusammen, schrieb schwupps ein Dutzend Beiträge über alles Mögliche, was mir gerade so einfiel – und warte seitdem auf meinen Durchbruch als Medienstar. Hmmm.

Ach ja, das Experiment in Sachen Eigenvermarktung: Systematisch habe ich mich bei einem halben Dutzend Communities angemeldet und deren User über die Existenz dreier willkürlich ausgewählter Beiträge auf diesem Blog informiert. Zuerst die Buchbesprechung zu „Atatürks Kinder“, zwei Tage später dann die Reiseseite über das Dorf Kiyiköy am Schwarzen Meer und schließlich nochmals zwei Tage später den Beitrag, den Sie gerade lesen. Das Ergebnis würden PR-Leute wohl als „Zuwachsraten im zweistelligen Prozentbereich“, verkaufen. Man könnte aber auch sagen, dass zu einer Handvoll Besucher noch zwei oder drei dazu gekommen sind. Bei Twitter habe ich jetzt zwei „Follower“, und da ich vorher keine hatte, ist das ein Anstieg ins Unendliche. Jetzt Obacht, denn ich verrate ein Betriebsgeheimnis: Die gesamten Werbeeinnahmen für diesen Blog liegen bisher bei 30 Cent. Da die Auszahlung durch Google aber erst erfolgt, wenn ich 70 Euro erreicht habe, werde ich diesen Tag jedoch vermutlich nicht mehr erleben 🙁

Wo liegt der Fehler? Meist sind es nicht die Goldgräber, die reich werden, sondern die Händler, die Schaufeln verkaufen. Das wäre eine Erklärung. Haben Sie eine bessere? Dann freue ich mich über ihren Kommentar, ihre Erfahrungen und Berichte zum Thema „Lust und Frust mit meinem Blog“.

Buchbesprechung: Atatürks Kinder von Hans-Joachim Löwer

Was sind das eigentlich für Menschen, die Türken? Wie leben sie in ihrem Land? Und wie denken sie über sich, über uns, über Gott und die Welt? Fragen, die mich bislang allenfalls am Rande interessierten, wurden im Frühsommer 2009 auf einmal wichtig. Nicht als ahnungsloser Touri wollte ich den zweiwöchigen Urlaub in  Istanbul und in Kiyiköy am Schwarzen Meer verbringen, sondern als Reisender. Respektvoll, aber nicht unkritisch. Mit wachen Sinnen und stets bereit, Neues zu lernen, meine Vorurteile zu überprüfen und gegebenenfalls auch zu korrigieren.

Wenn es Ihnen genau so geht, kann ich „Atatürks Kinder“ von Hans-Joachim Löwer nur wärmstens empfehlen.

Löwer, der 16 Jahre lang Auslandsreporter des „Stern“ war, durchreiste für dieses Buch die Türkei von Ost nach West mit leichtem Gepäck um – so der Klappentext – „ihren Menschen nahe zu kommen und zu verstehen, wie sie sich und ihre Zukunft in Europa sehen“. Das Ergebnis sind 30 einfühlsame, elegant geschriebene Porträts äußerst unterschiedlicher Menschen. Der Weg führt von ebenso armen wie bescheidenen Bergbauern im Karcal-Gebirge an der Grenze zu Georgien über den bedrohlich-verschlossenen und ungastlichen Scheich Seyed Abdul Bakir in dem Dorf Menzil bis zur Powerfrau Zeynep Gül Aktas, die an der Börse von Istanbul täglich Millionen bewegt. Dazwischen mischt Löwer sich unter die Scharen von Touristen, die bei Sonnenaufgang die gewaltigen Steinskulpturen auf dem 2150 Meter hohen Berg Nemrut Dagi bewundern, und er trifft in Derinkuyu auf den einsamen Forscher Metin Göksen, der ihm seine Theorien über die unterirdischen Höhlenstädte Kappadokiens erläutert.

Löwer spricht mit strengen Militärs und ebenso strengen Vätern, mit Baulöwen am Atatürk-Staudamm wie auch mit Gastarbeitern, die nach Jahrzehnten harter Arbeit als alte Mäner aus Deutschland in ihr sterbendes Heimatdorf Mentes zurück gekehrt sind, um dort ihren Lebensabend zu beschließen. Der Autor widmet ein Kapitel den Nöten der Istanbuler Hausfrau Perihan Pinar und beschreibt deren Alltag ebenso spannend wie in einem anderen Kapitel den traumhaften Aufstieg des Teppichhändlers Fettah Tamince zum Besitzer der Nobelhotelgruppe Rixos. Löwer ist ein exzellenter Schreiber und so schafft er es, auf jeweils einigen wenigen Seiten, den unbequemen, weil kurdischen Verleger Fatih Tas genau so eindrucksvoll zu porträtieren wie den Umweltschützer Hayrettin Karaca, den jedes Schulkind in der Türkei als „Herr der Eichen“ kennt und dessen Stiftung TEMA heute mit 264000 Mitgliedern die zweitgrößte zivile Vereinigung des Landes ist.

Hans-Joachim Löwer gelingt das Kunststück, mit leichter Feder auf gerade einmal 200 Seiten mehr Wissen und Verständnis über die Türkei zu vermitteln, als jeder noch so gute Reiseführer. Sein Buch „Atatürks Kinder“ ist das Beste, das ich seit langem gelesen habe und es hat mir große Lust gemacht auf weitere Reiseberichte dieses hervorragenden Journalisten.

Nachtrag: Wenn wir von hervorragenden Journalisten reden, darf Peter Scholl-Latour nicht fehlen. Der hat sich nämlich früher als andere mit dem heraufziehenden Konflikt zwischen dem Islam und der westlichen Welt befasst. Sein Reisebericht „Allahs Schatten über Atatürk: Die Türkei in der Zerreißprobe. Zwischen Kurdistan und Kosovo“ stammt zwar aus dem Jahr 1999 und ist damit nicht mehr ganz taufrisch. Angesichts des immensen Wissens und des gewaltigen Erfahrungsschatzes Scholl-Latours steht dieses Buch jedoch in meiner „Leseliste Türkei“ noch immer ganz weit oben.