Kiyiköy – Geheimtipp am Schwarzen Meer

Soll ich oder soll ich nicht? Mit den „Geheimtipps“ ist das ja so eine Sache. Entweder, etwas ist geheim, oder man gibt einen Tipp. Und wenn der „Geheimtipp“ dann Jahre später von Touris überflutet und zubetoniert ist, will´s keiner gewesen sein. Sei´s drum, jetzt ist es sowieso zu spät. Kiyiköy ist schön, Kiyiköy ist anders, Kiyiköy ist sehenswert und ein prima Ort, um auszuspannen, die Seele baumeln zu lassen, einfach nur am Strand herum zu liegen – aber auch, um abseits der Massen auf eigene Faust ein liebenswertes Stück Türkei für sich zu entdecken.

Kiyiköy: Fischerhafen an der Schwarzmeerküste (Copyright 2009, Michael Simm)

Zweifellos hat Kiyiköy schon bessere Zeiten erlebt. Das Dorf, einstmals bekannt als Medea Salmydessos, war Sitz thrakischer Könige und wird schon in der Argonautensage erwähnt. Aus dem sechsten Jahrhundert stammen das Kloster St. Nicolas (Aya Nikola Manastiri), das unter der Herrschaft des Kaisers Justinian in den Fels gehauen wurde und die Überreste einer Burg (Kiyiköy Kalesi), deren Mauern teilweise noch heute den Ortskern umschließen. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts lebten hier vorwiegend Griechen, die dann unter Atatürk umsiedeln mussten und durch türkische Zuwanderer ersetzt wurden (Wer sich für diesen unseligen Zwangsaustausch zwischen den beiden Nationen interessiert, dem sei das – leider nur auf englisch erschienene – Buch Twice a Stranger von Bruce Clark empfohlen). Leider ließen die Neuankömmlinge viele der alten Holzhäuser zerfallen und setzten lieber ihre eigenen Neubauten neben die verlassenen Gebäude der früheren Einwohner, was dem Ortsbild stellenweise bis zum heutigen Tag einen desolat-romantischen Anstrich verleiht. Fischerei und Holzwirtschaft waren bis vor kurzem die Haupteinnahmequellen des Dorfes, ist der Wikipedia zu entnehmen. Jetzt aber genug mit dem Geschichtsunterricht…

Mit Kiyiköy scheint es aufwärts zu gehen, seit das Dorf sich zunehmend dem Tourismus öffnet. Noch sind es vorwiegend Wochenendausflügler und Gäste aus dem 160 Kilometer entfernten Istanbul, die die wenigen Pensionen und den Campingplatz des Örtchens in den Sommerferien unter sich aufteilen, aber das dürfte sich bald ändern… Auch ohne eigenes Auto ist Kiyiköy gut und preiswert mit dem Bus zu erreichen. Am besten fährt man von Istanbul für 12 türkische Lira (knapp sechs Euro) in gut zwei Stunden nach Saray, wo man nach maximal zwei weiteren Stunden einen Kleinbus nach Kiyiköy erwischt (ca. 30 Minuten, 4 Lira).

Genug Platz für Alle: Der Strand bei Kiyiköy Anfang Juni (Copyright 2009, Michael Simm)

Alles, was wir vor unserer Abreise schon über Kiyiköy wussten, passte auf eine halbe Seite und stammt aus der englischen Ausgabe des Lonely Planet Reiseführers Türkei. Bei dessen Autor Steve Fallon möchten wir uns an dieser Stelle herzlich bedanken, denn von ihm stammt der goldwerte Tipp, das Hotel Endorfina zu wählen. Mehmet, der Besitzer und Manager des Endorfina, erzählte uns später, dass Steve „undercover“ recherchiert hatte, statt sich wie manch anderer Reisejournalist vorher anzukündigen und im Gegenzug für einen netten Bericht hofieren zu lassen. Dank Steve wissen wir auch, dass es in Kiyiköy mehrere schlichte Pensionen gibt, die um die 40 Lira pro Übernachtung kosten. Steve erwähnt die Ender Pansiyon und die Midye Pansiyon. Einen sehr freundlichen Eindruck machte auf uns auch die Ayanikola Pansiyon, die gegenüber des Felsenklosters auf der anderen Seite des Flusses liegt.

Schön gelegen und ein idealer Ort für ein Bierchen ist das einfache Garten-Restaurant Kartal. Es liegt direkt hinter der Stadtmauer und bietet einen famosen Rundblick über die grünen Hügel der Umgebung, die fleißigen Gemüsegärtnerinnen am Ufer des Flusses und die weiten Sandstrände des Ortes. Von dem am anderen Ende des Dorfes gelegenen Restaurant Yakamoz hat man zwar eine hervorragende Aussicht auf die Steilklippen des Schwarzen Meeres. Die Erinnerung an das Fritösenmassaker, das man hier mit der hiesigen Spezialität, dem Steinbutt (Kalkan) veranstaltete, treibt mir jedoch noch immer Tränen in die Augen. Mit dem Kopf an die Wand hauen wollte ich einige Tage später, als uns Koch Mehmet im Restaurant des Hotel Endorfina seine Version eines Steinbutts servierte: Mariniert, vom offenen Eichenholzgrill, natürlich superlecker und – jetzt kommt´s – keinen Fatz teurer als die Fischstäbchenvariante im Yakamoz! Außerdem hat Mehmet natürlich jede Menge andere Fische und Meeresgetier im Programm, er zauberte feinste Vorspeisen und  Fleisch ebenso wie Suppen oder leckere Desserts  – und er kann sogar Spagetti, wie er uns bewiesen hat.

Und überhaupt, das Hotel Endorfina: Auf einem Hügel vor den Mauern des Dorfes gelegen, hat man von dort aus jedem der 20 modern gestylten Zimmer hervorragende Aussichten. Umsorgt und verhätschelt vom deutsch sprechenden Manager Mehmet und seinem freundlichen Team blieben wir eine ganze Woche und fühlten wir uns dabei, als wären wir zu Besuch bei Freunden. So folgten wie gerne auch der Einladung des Koches zum Fußballturnier, bei dem gleich vier örtliche Mannschaften á sieben Mann gegeneinander antraten, unbeirrt vom weniger als idealen Zustand des Rasens oder von gelegentlichen Spielunterbrechungen, verursacht durch eine Handvoll herumirrender Schafe.

Was gibt es sonst noch zu tun? Mehrere Anbieter vermieten am Fluss Tretboote und Kayaks und wer es etwas wilder mag, kann – wiederum im Hotel Endorfina – bei Onur einen Quad mieten oder mit ihm eine geführte Tour unternehmen. Dienstag ist Markttag in Kiyiköy. Eigentlich sind es aber nur die Stunden zwischen 11:00 und 14:00, in denen es neben Obst, Gemüse, Nüssen, Süßigkeiten und anderen Lebensmitteln auch Haushaltwaren und Kleidung zu kaufen gibt.

Hier gibt´s mehr als kaltes Bier: Strandhütte mit Charme, ca. 1,5 km westlich des Dorfes (Copyright 2009, Michael Simm)

Einen idyllischen Anblick bietet der Hafen mit seinen kleinen, bunten Fischerbooten und natürlich bieten sich die Strände vor allem westlich der Stadt zum Sonnenbaden und zum Schwimmen an. Wir fanden das Wasser Ende Mai angenehm erfrischend, aber nicht zu kalt. Die meisten Türken schienen da wohl anderer Meinung zu sein, und wagen sich laut unseren Erkundigungen erst im Juli und August ins blaue Schwarze Meer. Wer hinter dem Campingplatz am Strand entlang etwa einen Kilometer in westlicher Richtung läuft, trifft dort auf einen lässig zusammengezimmerten Holzschuppen, dessen freundlicher Betreiber dank eines Generators neben einer kleinen Speisekarte auch das eine oder andere kühle Bier oder einen Raki anbieten kann. Auch Fische grillt er gerne für Sie – die müssen Sie dann aber selbst mitbringen! Ein kleiner Hinweis auch an die Stadtverwaltung sei hier erlaubt: Auf dem feinen Muschelsand lagen leider auch immer wieder leere Plastikflaschen und anderer Zivilisationsmüll herum, der hier teils angeschwemmt, teils sorglos zurück gelassen wurde.

Zur „Kleiderordnung“ ist zu bemerken: Badeanzüge und Bikinis sind für Frauen am Strand ok, nacktbaden natürlich nicht.  Die türkischen Männer zeigen hier zwar ungeniert ihren Bauch, viele scheinen aber großen Wert darauf zu legen, dass ihre Frauen Fremden gegenüber nur ja nicht zuviel Haut zeigen. Ein wenig gewöhnungsdürftig sind auch die zahlreichen, ausschließlich von Männern besuchten Teestuben im Ort. Die Auswahl an Lokalitäten für allein reisende Frauen ist dagegen recht übersichtlich, kurze Röcke und freizügige Tops sind nicht wirklich angesagt. Auch ohne solches Blendwerk ernteten wir genug neugierige Blicke und fühlten uns ein wenig wie Botschafter aus einer anderen Welt.  Da außer den Schulkindern hier kaum jemand englisch spricht oder gar deutsch, lief die Verständigung zumeist mit Händen und Füßen, mit Blicken und mehr oder weniger kunstvollen Zeichnungen. Vielleicht war es gerade dieser Umstand, der den Aufenthalt in Kiyiköy so besonders machte. Unser Bemühen, uns freundlich und respektvoll zu verhalten, wurde jedenfalls immer belohnt. Und als wir nach sieben Tagen den Bus in Richtung Istanbul / Flughafen bestiegen, einte uns wohl am meisten das Gefühl, auf dieser Reise nicht nur viel gelernt zu haben, sondern sogar ein wenig gewachsen zu sein…

6 Gedanken zu „Kiyiköy – Geheimtipp am Schwarzen Meer“

  1. Lieber Michael ,

    Vielen vielen dank für Deinen wirklich ausführlichen bericht und Deine netten mitteilungen über uns .Schon lange wollen wir unsere Web seite neu gestalten .Nach Deinem mail haben wir uns endlich entschlossen es zu tun .Dein bericht war der letzte schubss den wir brauchten .Deswegen wollte ich für eine Antwort so lange warten bis unsere neue Web seite fertig ist . Mit einem klik auf “ Michaels Universum “ haben wir endlich nun alle infos über Kiyiköy auf Deutsch und ohne Rechtschreibfehler ! Danke !

    Mit herzlichen Grüssen

    Die ganze Endorfina Familie

  2. Lieber Michael ,

    Vielen vielen dank für Deinen wirklich ausführlichen bericht und Deine netten mitteilungen über uns .Schon lange wollen wir unsere Web seite neu gestalten .Nach Deinem mail haben wir uns endlich entschlossen es zu tun .Dein bericht war der letzte schubss den wir brauchten .Deswegen wollte ich für eine Antwort so lange warten bis unsere neue Web seite fertig ist . Mit einem klik auf “ Michaels Universum “ haben wir endlich nun alle infos über Kiyiköy auf Deutsch und ohne Rechtschreibfehler ! Danke !

    Mit herzlichen Grüssen

    Die ganze Endorfina Familie

  3. Hey, da war ich auch.
    Ist echt ne schöne Gegend. Die „Strandhütte mit Charme“ hab ich ganz unabhängig entdeckt. Wollte da gar nicht hin, aber der Inhaber hat mich auf nen Tee eingeladen. Ihm war wol langweilig, Vorsaison eben. Die hat echt Charme die Hütte, in Deutschland würde sie wohl vom gesundheitsamt geschlossen. Da kann man auch prima mit nem Wohnmobil parken.
    Supper sind auch die Ruinen der St. Nicholas Monastery und die Strände sowiso. Ich hab ein paar Tage am Hafen gewohnt, direckt neben der eingestürzten Brücke. Klasse! Morgens grasen die Schafe neben deinem Wagen und haufenweise liebe Strassenhunde zum streicheln, füttern und Zeckenrausdrehen.
    Leider lief dann irgendwann mein Visa ab und ich musster weiter.
    Hab auch nen kleinen Reisebericht drüber geschrieben, vieleicht interessiert es ja wen.
    Reisebericht Kijiköy

  4. Hey, da war ich auch.
    Ist echt ne schöne Gegend. Die „Strandhütte mit Charme“ hab ich ganz unabhängig entdeckt. Wollte da gar nicht hin, aber der Inhaber hat mich auf nen Tee eingeladen. Ihm war wol langweilig, Vorsaison eben. Die hat echt Charme die Hütte, in Deutschland würde sie wohl vom gesundheitsamt geschlossen. Da kann man auch prima mit nem Wohnmobil parken.
    Supper sind auch die Ruinen der St. Nicholas Monastery und die Strände sowiso. Ich hab ein paar Tage am Hafen gewohnt, direckt neben der eingestürzten Brücke. Klasse! Morgens grasen die Schafe neben deinem Wagen und haufenweise liebe Strassenhunde zum streicheln, füttern und Zeckenrausdrehen.
    Leider lief dann irgendwann mein Visa ab und ich musster weiter.
    Hab auch nen kleinen Reisebericht drüber geschrieben, vieleicht interessiert es ja wen.
    Reisebericht Kijiköy

  5. hallo michael
    schon lange wollte ich dir sagen wie super ich deinen bericht fand. wir waren letzten sommer in istanbul. da wir per zufall im internet deine seite gefunden haben, und du uns neugierig gemacht hast, sind wir nach kijiköy gefahren und haben die endorfina-familie kennengelernt. nach einer woche rummel in istanbul, war es für uns das schönste bei mehmet auszuspannen, die seele baumeln zu lassen, wie mehmet so schön zu sagen pflegt.
    wir wussten nicht wirklich was uns erwarten würde, da fanden wir uns im paradis wieder…
    herzliche grüsse aus der schweiz
    céline

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