Von Oristano geht es heute mit zwei Bussen nach Alghero. Der erste fährt bis nach Bosa, und da die Busse hier nicht so eindeutig gekennzeichnet sind (oder andere Nummern haben, als in der App), halte ich der Reihe nach drei von ihnen an, um nach dem Weg zu fragen. Schließlich habe ich den Richtigen, und genieße die Fahrt, die teils wunderschön am Meer entlang führt, und dann wieder in Bergdörfer, über denen große Kirchen thronen. Besonders an der Küste sind jede Menge Motorradfahrer unterwegs, deren Überholmanöver darauf hindeuten, dass sie lebensmüde sind. Hier und da sehe ich interessante Wandmalereien. Mehrfach zeigen sie kostümierte Gestalten mit Fell, Kuhglocken und Büffelmasken, die auch ganz gut auf unsere Fasent passen könnten.
Dann steigt ein Rudel Jugendlicher ein, und wiederum erscheinen sie mir relativ wohlerzogen im Vergleich zu jenen daheim. Alle Mädchen tragen ihre Haare lang, alle Jungs die Frisuren kurz. Ansonsten daddeln sie natürlich an den Handys oder schauen in die Schminkspiegel.
Umsteigestation ist ein Ort namens Bosa, der aus der Ferne mit einer Burg imponiert, unter der sich jede Menge kleine bunte Häuser drängen. Die knappe halbe Stunde nutze ich für ein Eis und einen Cappuccino, dann wundere ich mich, wo denn der Bus bleibt.
Laut Google ist er vor 3 Minuten abgefahren, und der nächste geht morgen früh um Fünf. Ich habe ein Deja-Vu. Und da die verbleibenden 50 Kilometer zu Fuß doch ein bisschen weit sind, sehe ich mich schon gezwungen, mein Glück als Anhalter zu versuchen. Da fahren, erkenntlich an ihren Uniformen, drei Angestellte der Busgesellschaft ARST vorbei, und rufen mir irgendetwas zu. Ich verstehe zwar nichts, antworte jedoch mit „Si“ und erhalte die erfreuliche Nachricht, dass der Bus gleich hinter ihnen kommen wird. Was er auch tut. Ich verarbeite die Schreckminute, und obwohl ich in dem ziemlich vollen Bus nur einen Platz hinter der schmutzigsten aller Scheiben kriege, genieße ich doch die tolle Aussicht auf die Küste.
Am frühen Abend erreichen wir mit Alghero eine der 12 Zwei-Sterne-Sehenswürdigkeiten in meinem Baedeker-Reiseführer (3-Sterne hat kein einziger Inselort geschafft, und das ist wohl auch ziemlich ehrlich). Das spanische Erbe Sardiniens sei hier am besten zu sehen, erfahre ich. Als Laie kann ich das nicht erkennen, aber es gibt eine schöne Altstadt mit hohen Gassen, vielen Läden und Restaurants und noch mehr Eisdielen für die zahlreichen Touristen. Zum Meer hin bietet Alghero eine ebenso hohe wie breite Stadtmauer, auf der man schön promenieren kann. Der Sonnenuntergang macht natürlich ein tolles Licht, und die alten Kanonen und nachgebauten Katapulte, die hier oben stehen, tragen zu der Atmosphäre bei.
Mein Zimmer liegt mitten in der Altstadt und das Palau de Rosa hat zwar nur ein Fenster auf die Gasse, durch das der Fischgeruch vom Restaurant darunter dringt, ist aber sonst geschmackvoll eingerichtet und hat – immer ein Pluspunkt für mich – eine Kaffeemaschine. Nachdem offenbar jede angesagte, preiswerte Pizzeria aus meinen beiden Reiseführern voll belegt ist, suche ich mir eine Alternative, gehe früh heim und buche von dort den Rückflug.
Am morgigen Feiertag („Tag der Befreiung“) wollte ich eigentlich zum Strand von Pelosa zu fahren. Der liegt am Ende des nordwestlichen Landzipfels. Laut einem Ranking der „Most Travelled People“ zählt La Pelosa zusammen mit zwei weiteren auf der Ostseite der Insel zu den 150 schönsten Stränden der Welt. Natürlich hätte es mich gejuckt, alle drei auf dieser Reise mitzunehmen und abzuhaken. Doch ich entscheide mich gegen die Hetze, zeige Mut zur Lücke und muss auch noch ein wenig arbeiten. In dem guten Gefühl, hier in Alghero alles „Wichtige“ gesehen zu haben, beschließe ich, am nächsten Tag nach Olbia zu fahren. Dort werde ich auf einen Mietwagen umsteigen, um für die letzten vier Tage flexibel zu sein, und noch ein paar Eindrücke zu sammeln.