Angesichts einer etwas längeren Etappe habe ich den Wecker auf 7:15 gestellt – und prompt überhört. Dann kam auch noch per Mail zur Frühstückszeit Arbeit ins Haus. Aber da ich diese Tour ja auch als Probelauf für einen möglichen späteren Lebensabschnitt als digitaler Nomade betrachte, war dies eine ganz gute Übung. Einfach noch den Text redigieren und dafür den Abmarsch eine Stunde nach hinten verlegen. Habe ich gedacht.
Und jetzt ratet mal, wer am dritten Tag seiner Tour zum zweiten Mal vergeblich auf den Bus wartet? Inzwischen ist 12 Uhr durch, und ich sehe keine andere Möglichkeit, als wieder ein Taxi zu nehmen. Der Fahrer verdient sich seine 12 Euro in Rekordzeit. Anders gesagt: Er fährt wie eine gesengte Sau von Port d´Andraxt nach Sant Elm.
Na ja. Um 12:30 beginne ich endlich die heutige Etappe von der Bushaltestelle in Sant Elms über das zerfallene Kloster Sa Trappa zur Wanderherberge Ses Fontanelles. Der erste Kilometer führt sanft auf einer Fahrstraße durch den Wald bergan. Ab dem zweiten Kilometer beginnt der „richtige“ Wanderweg, dessen Grenzen durch viele längs liegende Äste und gelegentliche Steinmännchen markiert sind. Steil geht es bergauf und bei Kilometer 2,5 fließt zusätzlich zum Schweiß auch noch das Adrenalin.
Hier gibt es eine kurze, laut Wanderführer leichte, Kletterpassage die über die Felsen sehr nah an einem ziemlich tiefen Abgrund entlang führt. Nicht so gut für Leute mit Höhenangst, aber für so manches ergraute Pärchen offenbar kein Problem. Kurz danach blickt man auch schon auf die Ruine des Kloster Sa Trappa. Hier soll irgendwann einmal eine Wanderherberge entstehen. Geplant ist sie seit 2009. Meinem Wanderführer „präsentierte sie sich mehrfach als Baustelle“, und als ich dort vorbei lief, waren dort zwar viele Wanderer, aber keine Bauarbeiter. Pfui.
Die Aussichten aber waren wieder toll, der Weg ab hier nur sanft an- und absteigend und schwer zu verfehlen. Nächster Höhepunkt war dann der Mirador (=Ausssichtspunkt) d´en Josep Sastre. 450 Meter unter mir liegt das Meer, und im Westen wirkt die Insel Sa Dragonera aus dieser Perspektive noch zackiger, als sie ohnehin schon ist.
Eine Einzelwanderin beschämt mich damit, dass sie heute früh mit dem Bus von Palma nach Port d´Andraxt gefahren und dort in den GR 221 eingestiegen ist. Somit hat sie schon ´mal 7,5 Kilometer mehr als ich in den Beinen und ist an diesem Tag auch noch die einzige, die mich überholt! Später treffe ich Sandra wieder, wir stellen fest, dass wir heute das gleiche Ziel haben, und die Schmach lässt etwas nach als ich erfahre, dass sie bereits im Kaukasus und im Himalaya trecken war…
Erst am Putxet des Guixers – ca. 14 Kilometer nach dem Beginn des GR 221 – sehe ich das erste Schild, auf dem dieser Fernwanderweg ausgezeichnet ist. Von hier geht es dann recht easy auf einem Fahrweg bis zum Coll de Sa Gramola, wo ich die Straße Ma-10 treffe. Auf der Karte verläuft der Weg gestrichelt (für „in Planung“) an der Straße entlang, und es bleibt mir nichts anderes übrig, als den unzähligen Mietwagen und Rennradfahrern entgegen zu laufen, die hier hochkommen. Erst nach einem Kilometer gibt es wenigstens einen Grünstreifen an der Straße, und bald darauf erreiche ich die schön gelegene Herberge Ses Fontahelles.
Etwa 12 Kilometer und 650 Höhenmeter liegen hinter mir, gebraucht habe ich dafür 4:20 netto.
Freundlich begrüßt uns der deutsche Inhaber und zeigt uns die Räumlichkeiten: Den großen Schlafsaal für 12 Leute – heute nur mit vier Wanderern belegt, den Frühstücksaal und das Glöckchen am Haupthaus, das man läuten muss, um ein Bier zu bekommen. Alles sehr gepflegt, mit Chill-Out-Area, einem hauseigenen Mirador mit Blick aufs Meer, und nicht zuletzt: Einem ordentlichen Bad, heißes Wasser inklusive.
Noch zwei Wanderer sind heute hier: Vater & Sohn alias Martin & Tim. Die haben etwas größere Rucksäcke als ich und holen daraus zu meiner Überraschung allerlei Grillzeug hervor, das sie sogar teilen wollen. Die Versuchung ist groß, aber ich bleibe bei meiner Diät, die heute und morgen aus zwei mitgebrachten Baguettes und ein paar Nüssen besteht.
Morgen wird´s dann richtig hart, erfahre ich übereinstimmend von meinen Mitwanderern: Sandra hat eine Spezialkarte nur für den GR 221, deren Maßstab zwar 1:50000 ist, dafür aber auch alle Tagesetappen beschreibt. Was da drin steht, verrate ich Euch im nächsten Bericht zur Strecke Ses Fontahelles nach Estellencs. Und wer´s verpasst hat findet hier eine Übersicht zu den bislang sieben Beiträgen für meine Wanderung auf dem Trockenmauerweg.