Eigentlich wäre heute meine 9. Etappe auf dem GR 221 angesagt, und der 10. Wandertag in Folge. Aber ich will gar nicht lange drum herum reden: Der Michel hat verkackt. Und ist den Weg zum Cuber-Stausee bzw. nach Sa Font de Noguer NICHT gelaufen. Und das kam so:
Spät aufgestanden in Palma mit schweren Beinen habe ich zunächst noch einige dringende Mails beantwortet, und bin dann mit dem Bus erst zur Mittagszeit nach Soller gekommen, wo diese Etappe ihren Ausgang nehmen sollte. Unterwegs nochmal meinen Wanderführer studiert und das beeindruckende Höhenprofil angeschaut: Der Weg wird zwar in der umgekehrten Richtung beschreiben, in meiner Richtung wären es aber 990 Höhenmeter bergauf, die im Wesentlichen auf nur 5 der insgesamt 12 Kilometer Strecke entfallen.
Hier verläuft ein alter Pilgerweg durch die wilde Schlucht Barranc de Biniaraix. Über Felsabstürze, die jeden Aufstieg unmöglich zu machen scheinen, so das Tourbuch. Um Felsen herum, unter Felsen hindurch und in vielen Serpentinen bergauf. Das alles müsste ich in gut 5 Stunden hinkriegen, damit ich den einzigen Bus nicht verpasse, der in der zweiten Tageshälfte am Zielpunkt durchkommt und mich wieder hinunter bringen würde nach Soller.
Das war der Punkt, auf den der innere Schweinehund gewartet hatte. „Warum tust Du Dir das eigentlich an?“ hat er mich gefragt. „Macht Dir das etwa Spaß?“ Mit Bonuspunkten aus meinem Hotelprogramm hatte ich mir eine Übernachtung im Grand Hotel leisten können. Die haben nicht nur komfortable Zimmer, sondern auch ein Spa und einen Pool auf der Dachterrasse…
Und so kam es, dass der Schweinehund mich besiegt hat, und ich die eigentlich für heute geplante Etappe nur aus den Schilderungen anderer Wanderer kenne, die ich tags darauf in der Refugi Son Amer getroffen habe.
„Und – wie fühlt man sich so Versager?“ höre ich Euch fragen. „Ach, eigentlich ist es gar nicht so schlecht, hier auf der Dachterrasse“, antworte ich darauf. Man kann sogar direkt auf die lange steile Schlucht schauen, die ich ja eigentlich hinaufhecheln sollte. Doch wenn ich mir so die Nebelschwaden ansehe, die dort um den Gipfel jagen, sage ich mir: „Eins geschissen!“
Vielleicht ist so ein innerer Schweinehund manchmal ja auch ein guter Berater, sinniere ich dann in der Sauna. Und später, auf der Plaza des schönen Ortes Soller bei einem völlig unverdienten Bierchen: Man soll ja auch seine Feinde lieben.
Das also war Tag 11, und während ich mit drei Tagen Abstand diese Zeilen schreibe, will sich immer noch kein rechtes Schuldgefühl einstellen. Mal wieder habe ich mich an den Rat von Sean Brummel gehalten, der da sagte: „Einen Scheiß muss ich.“ Recht hat er.