GR 221 – 14. Deià – Refugi Muleta – Port de Soller

Einen „Klassiker“ nennt mein Wanderführer den Weg von Soller nach Deià. Ich will ihn in die andere Richtung laufen, schließlich folge ich ja dem GR 221. Darüber, wie lange diese Etappe sein soll, gehen die Angaben wieder einmal auseinander. Laut Dietrich Höllhuber, dem Autor des Wanderbüchleins, sind es 3:40 für 8,8 Kilometer, und in meiner Richtung 270 Meter Aufstieg und 400 Meter Abstieg. Noch in Deià sehe ich eines der Schilder des GR 221, wonach es bis nach Soller nur 2:30 sind.

Na prima, denke ich mir, da ist das Ankunftsbier ja nicht mehr weit. Aber der Weg zieht sich wie Kaugummi, und es quälen mich Heerscharen von Landsleuten. Statt Rucksäcken tragen die meisten schwere Kameras vor ihren Bäuchen, und manch einer wackelt hier auch mit Sandalen entlang. Alle scheinen sie nur das eine Ziel zu haben: Entlang des Weges einmal einen frisch gepressten Orangensaft zu trinken, dazu noch ein Törtchen ´reinzudrücken, und sich dabei gegenseitig fotografieren.

Allerlei Klischees gehen mir durch den Kopf: Walldorfschullehrer, vegane Fair-Trade-Gutmenschen. Weiß gar nicht, warum ich heute so mies ´drauf bin. Der Trubel geht mir auf die Nerven. Das muss er sein: Der Ort, an dem Gerhard Polt und Loriot sich ihre Inspirationen geholt haben. Also schnell einen Orangensaft mit Schokotörtchen bestellt und dann gleich weiter.

Immer dem GR 221 nach, der hier einen Abstecher an die Küste vorsieht, zum Refugi de Muleta. Dumm nur, dass es von dort nach Soller laut Schild noch 1:50 sein sollen. Dabei bin ich jetzt doch schon länger gelaufen, als die ganze Tagesstrecke dauern sollte! So hatte ich mir das nicht vorgestellt. Zur Besänftigung meiner selbst bestelle ich mir im Refugi „Pa amb oli“, das typische Brot mit Olivenöl und in diesem Fall Schinken und Käse. Und natürlich ein Bier dazu.

Vesper heißt auf mallorquinisch: Pa amb oli (Copyright 2017, Michael Simm)

Und während ich so in der Sonne sitze und aufs Meer hinaus schaue schwindet sie dahin, meine Willensstärke. Gemäß meinen eigenen Spielregeln dürfte ich heute eigentlich gar nicht ans Wasser. Statt dessen müsste ich jetzt auf dem GR 221 zurück bis zur Abzweigung, und dann nochmals 90 Minuten laufen bis nach Soller. Doch dann habe ich mich an ein Buch erinnert, das ich im Vorjahr mit großem Gewinn gelesen habe: „Einen Scheiss muss ich„.

Bloß weil da einer eine gestrichelte Linie eingezeichnet hat, darf ich nicht ans Meer? Pah! Also runtergewackelt am Leuchtturm Far de Cap Gros vorbei, an einigen fetten Villen durch, und mit schönen Ausblicken auf Port de Soller bis zum Strand hinunter. Ja, hier wäre ich gerne noch etwas verweilt. Hätte dann aber drei Stunden auf den nächsten Bus nach Palma warten müssen, und das wollte ich nun auch wieder nicht.

Mit dem Tag versöhnt habe ich mich dann spätabends in einer angesagten Tapas Bar ganz in der Nähe meiner Unterkunft. In der Casa Gallega genoss ich von meinem Platz am Tresen den Blick auf all die Leckereien und schaute den Obern bei der Arbeit zu. Sie hatten sogar einen, der den ganzen Abend nichts anderes tat, als hauchdünne Scheibchen von einem anfangs noch ziemlich großen Schinken ´runterzuschneiden.

Das war ein richtig schöner Ausklang für meinen letzten Abend auf Palma. Zwar tut sich durch die heutige Entscheidung jetzt auf meiner Route eine Lücke zwischen dem Refugi Muleta und Soller auf. Im Großen und Ganzen ist mein Plan bisher jedoch aufgegangen. Und morgen geht es dann wieder mit dem Bus nach Soller, und von dort erneut in die Berge, wo noch drei große Etappen auf mich warten.

GR 221 – 13. Valldemossa – Deià

Von Valdemossa, dem meistbesuchten Dorf Mallorcas ging es heute über den Berg nach Deià. Eigentlich ist diese Route, die vom Wanderführer als „eine der großartigsten Touren, die man auf Mallorca machen kann, ohne zu klettern“, gelobt wird, nur 9,3 Kilometer lang und in gut vier Stunden zu bewältigen. Dann kamen einige Schlaumeier auf den Gedanken, eine Stiftung zu gründen, deren Ziel es sein soll, den Mönchsgeier hier wieder anzusiedeln. Sagt mein Wanderführer. Und das ist natürlich eine hervorragende Begründung dafür, den Zugang zu beschränken und nur eine begrenzte Zahl von Wandern pro Tag durchzulassen.

Da der Michel aber eher ein Skeptiker ist, und nicht alles glaubt, was man ihm erzählt, hat er die Sache hinterfragt. Und herausgefunden, dass hinter dem Verein Muntanya del Voltor einfach nur drei Fincas mit zusammen 300 Hektar Fläche stecken. Sieht für mich nach Großgrundbesitzern aus, die der Meinung waren, dass zu viele Wanderer über ihr Gebiet tappen würden. Einen Hinweis, dass irgendjemand ernsthaft hier Mönchsgeier wieder ansiedeln möchte, habe ich auf der Webseite nicht gefunden. Aber es gibt sie auf Mallorca. Übermorgen werde ich wohl durch deren bevorzugtes Gebiet marschieren, wenn ich einem älteren Spiegel-Artikel glauben darf. Und ich werde dafür keine Erlaubnis brauchen.

Für heute werde ich das vermeintliche Schutzgebiet nördich von Valldemossa umlaufen. Das tut auch der GR 221, der auf dieser Etappe laut offizieller Webseite noch geplant ist, auf meiner Wanderkarte (Stand Februar 2017) jedoch bereits fertig – zumindest bis kurz hinter dem Gipfel Puig de Caragoli. Die typischen hölzernen Wegweiser des GR 221 habe ich zwar vergebens gesucht, konnte mich auf dem langen Aufstieg über einen arg ramponierten Fahrweg jedoch nicht wirklich verlaufen.

Auf dem Hochplateau angekommen umschwirren mich Mauersegler, Boten des Sommers, deren Ankunft mich daheim immer in Hochstimmung versetzt. Eine Zeitlang verläuft der Weg ziemlich plan, mit tollen Ausblicken in alle Richtungen. Einzig, dass hier oben solch ein Trubel herrscht, trübt ein wenig die Entdeckerfreude. Besser wird es erst, als ich den Puig de Caragoli passiere, der mit seinen 944 Metern in Schottland als Munro durchgehen würde.

Ein Abstieg von mehr als 700 Metern erwartet den Wanderer auf dieser Tour nach Deià (Copyright 2017, Michael Simm)

Ein kleines Stück geht es noch eher sanft bergab, dann aber kommt der Ausblick, auf den mein Wanderführer mich vorzubereiten versucht hat: 700 Meter unter mir liegt Deià, das Ziel meiner heutigen Wanderung. „Der Weg windet sich in die Steilwand, die senkrecht bis überhängend abbricht“, heißt es. Die Warnung, dass man schwindelfrei und trittfest sein muss, hat mich im Vorfeld schon etwas eingeschüchtert. Abgesehen davon, dass meine Knie sich beschweren, ging es dann aber doch besser als erwartet.

Die Rückfahrt mit dem Bus klappte reibungslos. Am Ende hatte ich für die 12,5 Kilometer 5:20 gebraucht, was einerseits den 670 Höhenmetern bergauf zu verdanken war, und mehr noch den 940 bergab. Morgen geht es von Deia nach Port de Soller, dann sind es nur noch drei Etappen. Die Knie schmerzen, aber dafür kann ich unter meiner Wampe schon wieder die Füße sehen. Alles wird gut…