Bahn frei zur Großen Deutschland-Tour

So Freunde. Es ist soweit. Nach diversen Ärgernissen habe ich rechtzeitig zu Beginn des Monats mein Deutschlandticket erhalten. Die ersten 10 Fahrten mit Bus und Bahn nahe meiner Wahlheimat Offenburg haben allesamt geklappt, zwei Mal auch mit Fahrradmitnahme. Und die einzige Verspätung (von 13 Minuten) kam mir gerade recht, weil ich dadurch einen Zug noch erreicht habe, der sonst buchstäblich abgefahren wäre.

Und jetzt? Natürlich ärgere ich mich über den Streik der Bahn-Gewerkschaft. Nicht nur wegen Zugausfällen, sondern auch, weil ich deren Forderungen absolut überzogen und unsolidarisch finde. Wie immer wird man am Ende der Erpressung nachgeben. Und dann dürfen die Steuerzahler die Zeche übernehmen (und natürlich die Kunden, mit höheren Ticketpreisen).

Zum Glück habe ich kürzlich die Selbstbetrachtungen des Marc Aurelius gelesen. Der alte Römerkaiser hat schon vor fast 2000 Jahren erkannt, dass die ganze Aufregung ja ´eh nichts bringt, und er lehrt, dem Leben mit heiterer Gelassenheit zu begegnen. Und das heißt für mich: Bahn-Ärger hin oder her – ich werde mein Deutschlandticket ausreizen und genießen.

Natürlich kann der Michel nicht einfach so losfahren und sich überraschen lassen. Nein, er muss einen möglichst grandiosen Plan machen und seiner Liebe zum Enzyklopädischen frönen. Das Ergebnis ist der Entschluss, mit dem Deutschlandticket meine Heimat „komplett“ zu bereisen, und möglichst alles „Wichtige“ zu sehen.

Bei der Zusammenstellung habe ich mich an Leuten orientiert, die Ahnung haben. Also in meinen nicht wenigen Reiseführern und Lexika geschmökert, mein Textarchiv konsultiert und natürlich auch die Wikipedia und Google befragt. Und um dem Ganzen auch noch ein sportliches Element zu verleihen, habe ich versucht, eine Rundreise zu  entwerfen, die mit möglichst wenigen Kilometern alles abdeckt.

Für Insider: es geht hier um das „Problem des Handelsreisenden„. Start und Ziel sind gleich, alle anderen Orte werden nur einmal besucht, und die gesamte Reisestrecke soll so kurz wie möglich sein. Auf Papier bin ich mit meiner Lösung schon ziemlich weit, und eine Landkarte habe ich ebenfalls gebastelt. Hier sind allerdings in einem ersten Schritt nur die ersten 15 Top-Sehenswürdigkeiten (UNESCO-Welterbe) verzeichnet. Ich habe nämlich beschlossen, einfach mal loszufahren, statt immer nur zu planen. Den Rest ergänze ich dann von unterwegs, anhand meiner Recherchen vor Ort und gerne auch mit Euren Vorschlägen:

 

Ärgernis Deutschlandticket

Heute sind es 16 Tage, dass ich bei der Deutschen Bahn ein Abo für 588 Euro abgeschlossen und eine Einzugsermächtigung erteilt habe. Meine Hoffnung war, dass mir als einer der Ersten die Gnade eines Deutschlandtickets zuteil würde. Offenbar ist man jedoch bei der Bahn wieder einmal überfordert. Aber hey – wie hätte man beim „Unternehmen Zukunft“ denn auch ahnen können, dass auf das 9-Euro-Ticket ein Nachfolger kommen würde? Es wird ja schließlich erst seit 9 Monaten von Politikern aller Parteien lautstark gefordert. Und es ist gerade einmal zwei Monate her, dass der Bundestag das Deutschlandticket beschlossen hat ,und es angeblich nur noch einige Details bei der Verrechnung zu klären gab.

Zugegeben: Ich bin kein Experte, aber wenn ich das recht sehe, wäre die Prozedur der Buchung und die Programmierung für die App DB Navigator doch wohl  weitgehend identisch mit dem 9-Euro-Ticket gewesen. Übrigens bewirbt die Bahn diese App mit

Der DB Navigator ist dein perfekter Begleiter im Nah- und Fernverkehr sowie für U-Bahn, Straßenbahn und Bus.

Blöd nur, dass dieses Viech sich bei mir konstant weigert, nach Angabe von Abo- und/oder Auftragsnummer plus Nachnamen das Ticket aufs Handy zu laden. Ich erhalte zwar eine Auftragsbestätigung per E-Mail. Der folgt jedoch eine halbe Stunde später eine Nachricht mit dem Betreff „Die Aktivierung ihres Abonnements verzögert sich.“

Geduldig warte ich eine Woche und schreibe dann an abo@bahn.de mit meiner Reklamation. Die Antwort kommt prompt – nur leider in Form eines automatischen Schreibens in dem steht, wie zum Hohn:

dies ist eine Eingangsbestätigung Ihrer E-Mail. Ihre Anfrage haben wir unter der Bearbeitungsnummer: 2592426 aufgenommen.

Ab dem 3. April können Sie unkompliziert ins neue Deutschland-Ticket wechseln. Als Nahverkehrs- und Verbundabonnent:in besuchen Sie dafür das Aboportal unter www.bahn.de/aboportal.
Auch als Neukund:in können Sie ab 3. April unter www.bahn.de/abo Ihr Deutschland-Ticket bestellen.

Sie haben Fragen zum Deutschland-Ticket? Auf https://www.bahn.de/deutschland-ticket haben wir die häufigsten Fragen für Sie beantwortet.

Das war vor acht Tagen, und seitdem ist nichts passiert. Heute habe ich dann die Servicenummer angerufen, wo zwar kein Mensch ´rangegangen ist, eine Ansage vom Band mir aber geraten hat, das Handy neu zu starten, und es dann noch einmal zu versuchen. Hat nicht geklappt. App deinstalliert, Handy neu gestartet, App wieder installiert – gleicher Kack wie zuvor. Ich bin ja, trotz allem, Optimist. Und habe deshalb gleich noch den Next DB Navigator ausprobiert, der laut Eigenwerbung die modernere Version darstellt und mindestens so toll ist wie der Vorläufer, denn:

Alles Wichtige für deine Reise mit dem Next DB Navigator: – Schneller Zugriff auf die Bereiche Buchen, Reisen und Profil – Immer schnell informiert

Und stellt Euch vor: Ich habe es doch tatsächlich geschafft, dieses Teil zu installieren, und mich mit meinen Kundendaten einzuloggen. Jedoch: Zu früh gefreut. Auch der Next DB Navigator will mein Deutschlandticket nicht laden, und die Begründung lautet, dass dies nur für Tickets möglich ist, die ich aus dieser App heraus gekauft habe!

So. Und jetzt bin ich ziemlich sauer. Fliege erst mal nach Sardinien und bin schon ziemlich sicher, dass selbst im einstmals sprichwörtlich unzuverlässigen Italien die Sache mit dem Bahn- und Busverkehr besser flutschen wird als mit dem Sanierungsfall Deutsche Bahn.

Nachtrag: Mit Sardinien hatte ich recht, und nachdem ich unterwegs noch eine weitere nutzlose „bitte-haben-Sie-Geduld“-Nachricht der Bahn bekommen hatte, fand ich dann zwei Tage vor dem offiziellen Start (am 29.4.) eine weitere Mail in meinem Postfach, mit der Ansage:

Wir freuen uns Ihnen mitteilen zu dürfen, dass Sie Ihr digitales Abo Ticket ab sofort im DB Navigator hinzufügen können

Halleluja. Es hat geklappt und damit steht meinem großen Deutschlandtrip eigentlich nichts mehr im Weg. Mehr dazu demnächst auf Michels Universum.

9-Euro-Ticket: Traum oder Trauma?

Was für eine tolle Idee: Wir reisen durch die Lande, sparen einen Haufen Geld, und tun dabei noch ´was für die Umwelt. Die Rede ist natürlich vom 9-Euro-Ticket der Deutschen Bahn, und was kann bei solch einem Angebot schon schief gehen?

Jede Menge, wie sich herausstellt. Volle und überfüllte Züge sowie unklare Regeln sorgen für Enttäuschungen, und hätte man gründlich nachgedacht, wären die 2,5 Milliarden Steuergelder an Subventionen für dieses Projekt anderswo vielleicht besser investiert worden.

Einer von mittlerweile mehr als 7 Millionen, die das Ticket für den Juni gekauft haben, bin ich. Damit ihr wisst, was auf Euch zukommt, teile ich hier meinen ersten Eindruck mit Euch. Eigentlich wollte ich schon am ersten Tag los, zum Beispiel von Offenburg mit dem Rad nach Freudenstadt, und von dort auf dem Kinzigtalweg zurück. Dann war aber unklar, ob das mit der Fahradmitnahme überhaupt klappt, und was man sonst noch so bedenken sollte. Außerdem habe ich viel zu tun, das Finanzamt will all mein Geld, und so habe ich erst mal den Schreibtisch gehütet und all die Berichte gelesen.

Gestern aber, am 4. Tag der Gültigkeit des 9-Euro-Tickets, stand ein Familienfest an, und so hatte ich einen Anlass, dies mit einem Test zu verbinden. Ziel war es, an diesem Samstag möglichst ohne weitere Zahlungen, ohne ständiges Umsteigen und bei akzeptabler Reisedauer von Offenburg nach Neckargemünd und noch am gleichen Tag wieder zurück zu fahren. Und so ist es gelaufen:

Abschnitt 1: Pünktlich um 14:02 von Offenburg nach Karlsruhe mit der Regionalbahn RE 2. Die läuft von Konstanz kommend und hatte dementsprechend schon viele Passagiere. Dazu kam der recht volle Bahnsteig in Offenburg – aber es hätte schlimmer sein können. Ärgerlich, dass im Nahverkehr noch immer Maskenpflicht herrscht. Auf meiner jüngsten Reise durch Kroatien, Slowenien, Montenegro und Albanien war das weder in Bussen noch in Bahnen nötig – warum also bei uns?

Nun ja. Eigentlich habe ich mich ja daran gewöhnt, dass Deutschland im Allgemeinen und die Deutsche Bahn im Besonderen anderen Ländern hinterherhinkt. Wer hier Bahnfahren will, muss leiden, ist meine Erfahrung aus den letzten Jahren. Ich gehe also mit niedrigen Erwartungen und großen Befürchtungen in dieses Experiment. Und so ging’s weiter:

Die Auslastung des Regionalexpress ist geschätzt 90 %, keiner muss stehen, und ich finde sogar meinen bevorzugten Platz, oben und am Fenster. Die Schaffnerin ist gut drauf und erklärt fröhlich einem Reisenden, dem es hochpeinlich ist, sie für einen Mann gehalten zu haben, dass sie tatsächlich eine Frau sei und woran man das erkennen könne. Ein guter Start, denke ich mir, genieße die relative Ruhe unter meinen Kopfhörern und komme fast pünktlich um 14:53 in Karlsruhe an.

Abschnitt 2: Mit der S-Bahnlinie 3 geht es von Karlsruhe nach Heidelberg. Sie wartet bereits am Gleis gegenüber und bietet bei 2/3 Auslastung genug Platz für alle. „Sehr geehrte Fahrgäste, leider ist der vor uns liegende Abschnitt noch durch einen anderen Zug belegt“, verkündet der Lokführer und verspricht: „Wir setzen unsere Fahrt in Kürze fort.“ Das stimmt sogar, und um 15:02 geht es weiter, mit nur 4 Minuten Verspätung. Am nächsten Bahnhof kommen wieder ein paar Minuten Verspätung hinzu. „Bitte treten Sie aus den Türen zurück, dann können wir auch weiterfahren“ belehrt freundlich der Lokführer.

Ja, es gibt einen Haufen Idioten, die mit der Bahn reisen, denke ich und blicke zu den drei Maskenverweigerer nebendran. Aber haben andere Länder weniger Idioten? Oder reisen die nur bei uns bevorzugt mit der Bahn? So viele Fragen.

Schöne Aussichten übrigens. Erst von der Rheinebene auf den Schwarzwald, von Karlsruhe dann durch den Kraichgau und entlang den Hängen des südlichen Odenwalds bis Heidelberg.

Derweil wird die Verspätung der S-Bahn immer größer, der Anschluss in Heidelberg nach Neckargemünd um 15:49 ist schon weg, während wir noch aus unerfindlichen Gründen in Wiesloch-Walldorf stehen. Gut, dass ich einen Sitzplatz habe, denn wer jetzt noch einsteigt, kriegt keinen mehr.

Abschnitt 3: Die Verspätung von einer Viertelstunde durchkreuzt meinen Plan, in Heidelberg noch einen kleinen Spaziergang zu machen. Lediglich direkt vorm Bahnhof reicht es für eine kleine Entdeckung: 

Zum ersten Mal sehe ich die Skulptur des Dienstmanns „Muck“, dessen schöne Geschichte ich hier gerne wiedergebe:

„1837 in Heidelberg Neuenheim mit Namen Johannes Fries geboren.
In seiner Jugend arbeitete er als Gänsehirt am Neckar, später im Schreinerhandwerk, dann wurde er zum Dienstmann Nr. 73 am Heidelberger Hauptbahnhof.

Bei den Heidelberger Korps in der „Suevia“ und „Corona“ war er Aufpasser bei Mensuren und erhielt von Ihnen den Namen „Muck“ Gleichzeitig spielte er für die Studentenschaft mit Zuverlässigkeit den Postillion d‘ Amour. Seine große Beliebtheit verdankte er seiner Originalität, Hilfsbereitschaft, Bescheidenheit, Schlagfertigkeit und Loyalität. Johannes Fries verstarb am 19.05.1905 in Heidelberg, mittellos, aber als unvergeßliches Heidelberger Original.“

Ich nehme mir vor, von Muck Bescheidenheit zu lernen, und nicht so viel zu meckern. Dann laufe ich zurück zum Bahnsteig, und nehme, um zum Familienfest nicht zu spät zu kommen, die nächste S-Bahn der Linie 2. Sie fährt durchs Neckartal nach Seckbach und sollte um 16:25 abfahren, hat aber auch wieder 20 Minuten Verspätung. Damit ist mein Zeitpuffer von einer Stunde aufgebraucht.

Am Ende dieser Hinfahrt schaue ich nach, was die schnellste Verbindung gekostet, und wie lange sie gedauert hätte. Ich komme auf 15 – 20 Euro mit meiner Bahncard 25. Unter der optimistischen Annahme, dass die Fernzüge pünktlich gewesen wären, hätte das dann 2 Stunden gedauert, statt der 3 Stunden unter den Bedingungen des 9-Euro-Tickets.

Für die Rückfahrt blieb die Wahl zwischen einer späten Verbindung, ausschließlich mit dem 9-Euro-Ticket, 3,5 Stunden Fahrzeit und vier Mal (!) Umsteigen. Oder schon nach gut drei Stunden zurück und teilweise Fernverkehr, was natürlich extra kostet. Oder gibt es noch weitere Möglichkeiten? Dies herauszufinden, sollte eigentlich kein Problem sein.

Eigentlich. Mit der App der Deutschen Bahn, dem „DB Navigator“, aber wird die Suche zur Herausforderung. Es gibt nämlich keine Option, ausschließlich nach Verbindungen zu suchen, auf denen das 9-Euro-Ticket gültig ist. Aber Hey – was kann schon erwarten für 2,5 Milliarden Euro an Subventionen? Also suche ich einerseits mit der Option „schnellste Verbindung anzeigen“, dann nochmal ohne diese Option, und schließlich noch nach Teilabschnitten, notiere mir die Ankünfte und Abfahrtszeiten, und kombiniere diese in meinem Kopf, während ich alle naselang prüfe, ob es Verspätungen gibt, die meine Pläne durchkreuzen und mich zu später Stunde an einem Bahnhof fern der Heimat zurücklassen würden. Unter „Abenteuer Reisen“ stelle ich mir etwas anderes vor. Aber wer nicht flexibel ist und reichlich Zeit für Verspätungen mitbringt, sollte ohnehin lieber mit dem Auto fahren. Wie auch immer: Folgendes kam bei dem ganzen Rumhirnen heraus:

Abschnitt 4: Pünktlich mit der nur halbvollen S2 um 20:17 ab Neckargemünd in Richtung Kaiserslautern, mit Ankunft in Mannheim um 20:51. Das Einzelticket hätte 10 Euro gekostet, die habe ich also heute auch noch gespart und war dafür sogar auf der schnellsten Verbindung zwischen Neckargemünd und Mannheim unterwegs. Alternativ hätte ich auch in Heidelberg auf einen verspäteten ICE warten können, dann aber nochmals 23 Euro bezahlen müssen, um in einer Gesamtzeit von zwei Stunden heimzukommen.

Dann doch lieber die folgende Variante: In Heidelberg sitzen bleiben und in der mittlerweile vollen S-Bahn in engem Körperkontakt mit einer dicken Dame im rosa Sommerkleid bis nach Mannheim. Ich stelle mir vor, wie sich das an den richtig heißen Tagen anfühlen wird, bei Temperaturen um die 35 Grad, und bei nochmals volleren Zügen wegen Ferienzeit. Nein, eigentlich will ich mir das gar nicht vorstellen.

Abschnitt 5: 8 Minuten Zeit zum Umsteigen, 7 Gleise sind zu unterqueren. Dennoch erreiche ich problemlos in Mannheim die S9, die mich ab 21:06 in einer knappen Stunde nach Karlsruhe bringt. 5 Minuten vor Abfahrt bin ich drin. Für ein Getränk hat es nicht mehr gereicht, und so blicke ich neidisch auf meinen Nachbarn, dessen Maske auf Halbmast hängt, und der ein Sixpack Becks im Arm hält.

Auch seine Kumpels links und hinter mir sind Maskenverweigerer. So wie ca. jeder Zehnte im Zug. Ich wünschte mir wirklich einen Schaffner, der eine klare Ansage macht, und die Jungs dann rausschmeißt. Klar weiß ich, dass die Dummköpfe ein höheres Infektionsrisiko haben, und da sie wahrscheinlich nicht geimpft sind im Ernstfall schneller in der Klinik landen – oder im Grab. Trotzdem fühl ich mich als Depp, wenn andere die Regeln ignorieren, und dies keine Konsequenzen hat. Nächstes Mal lass ich die Maske dann eben auch weg.

Abschnitt 6: Ich komme pünktlich um 22:02 in Karlsruhe an. Somit bleiben mir acht Minuten für den Gleiswechsel zum Regionalzug nach Offenburg mit der Nummer 2. Das reicht sogar, um in der Passage ein Tannenzäpfchen abzugreifen. Natürlich muss man dabei immer im Hinterkopf haben, dass in dieser einen zusätzlichen Minute andere Leute die letzten Plätze belegen könnten. Aber ich habe Glück, und bei 70 Prozent Belegung erwische ich wieder einen meiner Lieblingsplätze, oben und am Fenster. In meiner Reihe sitzen 4 Leute. Keiner trägt Maske. Jetzt habe ich die Schnauze voll und setze meine auch nicht mehr auf. Ein Schaffner kommt sowieso nicht, aber wenn werde ich auf mein Bier hinweisen, das ja schließlich auch konsumiert sein will.

Kurz vor Offenburg erfahren die sehr verehrten Fahrgäste, dass sich die Fahrt noch ein wenig verzögert. Grund ist, dass vor uns noch ein Zug fährt. Aha. So gibt es auf der sechsten Fährt die dritte Verspätung, die aber unter 10 Minuten bleibt, und die ich gut verschmerzen kann.

Premiere mit dem 9-Euro-Ticket: Sechs Züge, sechs Stunden, 216 Kilometer

Um 23:15 bin ich wieder daheim. Sechs Stunden lang saß ich heute in sechs verschiedenen Zügen, wurde ein Mal kontrolliert, und habe laut Google Maps 281 Kilometer mit der Bahn zurückgelegt, plus nochmals knapp 2 Kilometer zu Fuß zum Startbahnhof und für die Umsteigerei. Zur Bilanz gehört allerdings auch, dass ich am Ziel mit dem Auto abgeholt und wieder zum Bahnhof gebracht wurde, sonst hätte ich weitere 2 – 3 Kilometer laufen müssen. Wenn das Ziel in einer Kleinstadt wie Neckargemünd nahe dem Bahnhof liegt, und man nicht viel zu tragen hat, ist das kein Problem. Auf dem Land aber sieht´s wohl anders aus. Für mich zeichnet sich daher jetzt schon ab, dass ein erklärtes Ziel des 9-Euro-Tickets nicht erreicht wird, nämlich mehr Menschen zum Umstieg auf die Bahn zu bewegen. Ganz im Gegenteil liefert man hier eine eindrucksvolle Demonstration, warum das Auto für viele Menschen unverzichtbar bleibt. Insbesondere für jene, die wenig Zeit und viele Ortstermine haben, kann die Bahn in Deutschland auf sehr vielen Strecken einfach nicht mithalten. 

Meine persönliche Bilanz fällt trotz allem recht positiv aus: Letztlich habe ich das Tagesziel erreicht, und bin pünktlich zum Geburtstag und wieder zurück gekommen. Preislich hat sich das 9-Euro-Ticket jetzt schon gelohnt, auch wenn man es nur mit dem Preis eines Baden-Württemberg-Tickets (€ 24) vergleicht. Nicht aber, wenn man so wie ich als Freiberufler in der extra Stunde auch hätte arbeiten und Geld verdienen können.

Meine Erwartungen an die Deutsche Bahn waren wie gesagt gering, nebenher ist dieser Blog-Beitrag entstanden, und so will ich nicht knauserig sein. Für heute gebe ich dem 9-Euro-Ticket die Schulnote 2-3 , freue mich über Eure Kommentare, und bin gespannt auf die nächste Tour.