Die Stadt Turrialba mit ihren knapp 30.000 Einwohnern ist recht sympathisch. Bei der gestrigen Ankunft sah ich die Leute hinter den Absperrungen im Park sitzen und vor der Eisdiele in der Schlange schwatzen – immer mit Abstand und Maske und Händewaschen, versteht sich. Für Touris ist die Gegend vor allem als Ausgangspunkt für Wildwassertouren auf dem Pacuare berühmt. Aber erstens bin ich ja kein Touri sondern ein Reisender, und zweitens ist die Saison hier ohnehin vorbei, der Fluß hat nicht mehr genug Wasser, um spannend zu sein, und außerdem gäbe es nicht genug weitere Interessenten, um ein Boot vollzukriegen.
Wie die meisten Städte Costa Ricas ist auch Turrialba keine Schönheit. Typisch ist das Grundmuster mit, im Schachbrettstil verlaufenden Straßen (Avenidas) und Gassen (Calles), die vom Zentrum aus in die verschiedenen Himmelsrichtungen durchnummeriert werden. Das Standardhaus hat einen Betonsockel, darüber Holz, und obendrauf Wellblech. Zum guten Ton gehört es leider auch, dies alles mit Gittern, hohen Zäunen und/oder Stacheldraht zu sichern. Ist wohl eine Art Statussymbol, wie mir ein Kenner der Szene erklärte. Denn weder gibt es hier viel zu klauen, noch ist Einbruchs- oder sonstige Kriminalität in Costa Rica ein großes Thema.
Das Städtchen hat eigentlich alles, was man hier so braucht. Es gibt Supermärkte, Elektromärkte, Tankstellen, Eisenwarenhandlungen und jede Menge günstige Restaurants (Sodas); dazu ein paar Bars, die wegen verkürzter Schließungszeiten vergeblich auf Kunden warten. Schnickschnack sucht man in Turrialba vergebens, und die Stadt hat sicher schon bessere Zeiten gesehen. Damals, als noch die Eisenbahn von San José nach Limon fuhr, war dies ein Haltepunkt, und im Hotel bestaune ich ein paar vergilbte Bilder aus der „guten alten Zeit“.
Der ehemalige Bahnhof mit ein paar Gedenktafeln ist nicht zu verfehlen, wenn man den verrosteten und verbogenen Gleisen folgt, die das stärkste (bekannte) Erdbeben Costa Ricas mit seinem Epizentrum in Limon im Jahr 1991 hinterlassen hat. Die Küste wurde damals innerhalb von 30 Sekunden um fast 2 Meter angehoben – und natürlich waren dann auch die Gleise futsch.
Der Hauptgrund für meinen Besuch in dieser Ecke war eigentlich der relativ nahe gelegene Vulkan Turrialba – einer von 9 im Land, die bei Wikipedia als aktiv gelistet werden. Der hatte seine letzte Eruption im August 2020, lese ich auf einer Seite der Smithonian Institution, die solche Ereignisse besser überwacht und aufzeichnet als die hiesige Nationalparkverwaltung. „Aktiv“ heißt dabei nicht, dass der Berg ständig Feuer spuckt, sondern dass man sich – wenn überhaupt – nur mit Einschränkungen dorthin begeben darf. Nachdem auf Google Maps mehrere Leute erst wenige Tage zuvor dort waren, bin ich mit dem Auto dorthin gefahren, ohne jedoch die erhoffte Wanderung zum Kraterrand machen zu dürfen. Die ausgeschilderte Route führte auf Schotterpisten hinterm Berg entlang, und dann wieder vom Vulkan weg. Die Google-Route führte bis auf geschätzte 4 Kilometer heran, endete dann jedoch vor einer Absperrung, die man zur Sicherheit auch noch mit ein paar Steinklötzen blockiert hatte. Alles, was ich tun konnte, war aus der Ferne ein paar verbrannte Bäume an der Flanke des Berges zu fotografieren und mir einbilden, ein kleines Wölkchen über dem Krater gesehen zu haben. Irgendwie geht es möglicherweise doch; denn man scheint hier immer eine Tür offen zu halten für Touris, die sich für ca. 20 Dollar einem Guide anvertrauen. Nur ist diese Hintertür leider nicht so einfach zu finden. Da ich keinen Link legen konnte, hier die Angaben eines Google Local Guides vom Ende Januar 2021:
1. Sie betreten die Monte Calas Farm, die Adresse finden Sie hier auf den Karten. 2. Sie müssen im Voraus buchen, wenn sie direkt auf dem Bauernhof ankommen, lassen sie sie nicht passieren, es sei denn, es sind Plätze verfügbar. Nur 17 Personen treten pro Stunde ein und es gibt Führungen um 5, 6, 7, 8, 9 und 10 Uhr morgens. 3. Für den Reiseleiterservice müssen 6000 per (10 USD) pro Person gezahlt werden. Zusätzlich zu 30 1130 pro Person bei Ankunft am Parkeingang. Alles ist per Überweisung oder per Karte. Kein Bargeld. 4. Die Aufstiegsroute beträgt 2 Stunden, was 4 km bei mäßigem Tempo entspricht. Reiner Aufstieg von 2700 m ü.M. bis zur Spitze des Vulkans. Der Weg führt zuerst in einem Gebiet mit viel Schlamm und dann aus Stein oder Ballast. 5. Sie können nur 30 Minuten am Aussichtspunkt des Kraters bleiben. Ich hatte nicht das Glück, es zu sehen, weil es bewölkt war. 6. Der Abstieg auf demselben Weg dauert etwas mehr als eine Stunde und dauert fünfzehn Minuten. 7. Ich empfehle, Schuhe mit einer Sohle zu tragen, die einen guten Griff hat, vorzugsweise einen wasserdichten Mantel oder einen Poncho. Wenn Sie an Höhenkrankheit leiden, bereiten Sie sich vor, ein Coca-Tee wäre angebracht. Bringen Sie Wasser und leichte Snacks mit. Insgesamt dauert die gesamte Tour ca. 4 Stunden. Die Route ist wunderschön, Sie können viele Bäume, Silber und Vögel sehen. Hoffentlich ein Säugetier. Die Landschaft, um dorthin zu gelangen, ist wunderschön, die Reise wird genossen.
Ein Flop kommt selten allein, und so bin ich auf dem Rückweg auch noch zur Espino Blanco Lodge gefahren. Dieser Ableger meines Hotels in Turrialba warb auf der Webseite mit den schönen angelegten Wandepfaden, auf denen es zahlreiche Vogelarten zu sehen gäbe. Kann man glauben. Allerdings stand ich auch hier vor verschlossener Tür. Mangels Kundschaft hatte man den Laden vorübergehend geschlossen; einen Hinweis hatte man nicht für nötig gehalten 🙁
Gibt´s auch was Positives zu berichten von meinen 2 Tagen in Turrialba? Na ja. Wieder im Hotel und früh im Bett, weil es früh dunkel wird und nichts zu tun gibt, höre ich richtig laute, schrille Geräusche von draußen, die bereits in der gestrigen Abenddämmerung genervt haben. Ich hielt sie zunächst für Vogellaute, war auch schon draußen, um mit der Handy-Taschenlampe nachzusehen, jedoch erfolglos. Beim Googeln finde ich einen Artikel, der von Scotinomys teguina spricht, auch als Alstons Braune Maus oder Alstons Singmaus bekannt. Man hört sie auch in der nahen Nachbarschaft, und wer sich für so´n Viehzeug interessiert, findet bei der Süddeutschen Zeitung mehr bemerkenswertes über diesen Nager.