Top-Thema Nr.1 – Gene im Rampenlicht

Liegt unser Schicksal wirklich in unseren Genen, wie dies mein Held James Watson einst ziemlich nassforsch behauptet hat? Angelina Jolie jedenfalls hatte wenig Zweifel, als Ärzte ihr anhand eines Gentests ein extrem hohes Risiko für Brustkrebs vorher sagten. In der New York Times machte der Filmstar publik, dass sie sich deshalb vorbeugend beide Brüste amputieren ließ. Verdammt mutig, lobten Fans und Experten, denn die etwa zwei Prozent aller Frauen, die bestimmte Mutationen in den Genen BRCA1 und BRCA2 tragen, sollten sich mit dem erhöhten Risiko auseinander setzten.

Erleichtert wird dies in Zukunft wohl durch eine Entscheidung des Obersten US-Gerichts, das Genpatente auf BRCA1 und BRCA2 für nichtig erklärte. Bis dahin konnte die Firma Myriad Genetics hohe Lizenzgebühren verlangen, die den Test auf etwa 3000 Dollar verteuert hatten. Nun stellte das Gericht fest, dass man zwar den Ort und die Reihenfolge der Bausteine für die fraglichen Gene entdeckt habe. Dies reiche aber nicht aus, um Erfinderschutz zu beantragen, denn erfunden wurde  – nichts. Wie zu erwarten hat Myriad das Urteil jedoch nicht einfach hingenommen und versucht derzeit, mit neuen Klagen das lukrative Geschäftsmodell zu sichern.

Ein Blick in die Zukunft? Der Gentest von 23andMe
Ein Blick in die Zukunft? Der Gentest von 23andMe

Gentests für den Hausgebrauch ohne ärztliche Beratung können jedoch gefährlich sein, warnen Experten. Deshalb müsse nicht nur sichergestellt sein, dass die Tests nach allen Regeln der Kunst in dafür zugelassenen Labors durchgeführt werden. Weil viele mit der Bewertung überfordert sein könnten und womöglich vorschnelle Entscheidungen treffen, gelte es auch die „Kundschaft“ zu schützen.

Diese Sorge hat wohl auch die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA bewogen, der Gentest-Firma 23andMe in die Parade zu fahren. Das von Anne Wojcicki, der Ehefrau des Google-Mitbegründers Sergey Brin, geleitete Unternehmen gilt als Marktführer in diesem Bereich und hatte ein halbes Jahr lang nicht auf die Bitten der FDA reagiert, man möge doch gefälligst die wissenschaftlichen Nachweise für die Zuverlässigkeit des angebotenen Gentests vorlegen.

Der Gentest von 23andMe kostet gerade einmal 99 Dollar und überprüft annähernd eine Million Stellen im Genom des Kunden – also etwa jede 3000ste Position im Erbgut. Anhand dieser Marker hat die Firma bislang das statistische Risiko für etwa 240 Erbkrankheiten ermittelt. Reagiere ich empfindlich auf Koffein? Droht mir Diabetes, Alzheimer oder Parkinson? Habe ich ein Langlebigkeitsgen?  Dies sind die Fragen, die 23andMe seit der Intervention der FDA nur noch jenen Kunden beantworten mag, die ihren Testkit vor dem Schreiben der Behörde bestellt haben.

Übrigens: Auch der Michel hat solch einen Test bestellt, zwei Tage vor dem Urteil der FDA bezahlt, und seine Spucke zur Analyse nach Kalifornien geschickt. Er wartet jetzt seit Anfang Dezember 2013 auf das Ergebnis. Als gelernter Genetiker und Wissenschaftsjournalist glaubt er, die Zuverlässigkeit, den Nutzen und das Risiko dieses Tests besser einschätzen zu können, als die meisten Ärzte. Er fände es deshalb sehr ärgerlich, wenn 23andMe künftig aus den Genen nur noch die Abstammung und Verwandtschaftsverhältnisse herauslesen dürfte, denn er glaubt fest an die informationelle Selbstbestimmung.

Alle Top-Themen der Wissenschaft 2013:

  1. Gene im Rampenlicht
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  4. Kohlekraft schlimmer als Atomkraft?
  5. Immuntherapie gegen Krebs
  6. Erbgut vom Frühmenschen
  7. Der Preis des Frackings
  8. Hirnchen, Nierchen, Leberlein…
  9. Drohnen im Anflug
  10. Blick unter die Schädeldecke
  11. Spüli im Gehirn
  12. Ernie und Bert am Südpol gefangen