Weltalmanach 2015: Vom Niedergang eines Jahrbuchs

Zwischen den Jahren – das ist für mich die Zeit, um nachzudenken über Erreichtes und Versäumtes, um neue Pläne zu schmieden und gute Vorsätze zu fassen. Unter anderem habe ich beschlossen, einen neuen Anlauf zu machen, um hier Bücher vorzustellen die man lesen sollte, oder auch zu warnen von solchen, die ihr Geld nicht wert sind.

Den Auftakt mache ich mit dem Fischer Weltalmanach 2015, und der fällt leider in die zweite Kategorie. Als Journalist habe ich dieses Werk über viele Jahre genutzt, schließlich habe ich den Anspruch, mich aus verläßlichen Quellen zu informieren. Die Wikipedia nutze ich zwar ebenfalls gerne, und sie ist auch in vielerlei Hinsicht aktueller und umfangreicher. Allerdings darf dort eben jeder sprichwörtliche Depp hinein schreiben. Zu oft versagt die Gemeinschaft der Wikipedianern dabei, die schwarzen Schafe rechtzeitig zu finden und zu sperren. In punkto Zuverlässigkeit gewinnt daher klar der „Fischer“. Damit genug der Nettigkeiten.

Immerhin 19,99 Euro soll das Jahrbuch kosten, und verspricht dafür „Wissen, auf das man sich verlassen kann! Politische Umwälzungen und wirtschaftliche Entwicklungen – der Fischer Weltalmanach bereitet die wichtigsten Ereignisse des vergangenen Jahres informativ und kompakt auf. Chroniken zu jedem Staat der Welt, über 900 Karten, Grafiken, Tabellen und Fotos liefern schnelle und übersichtliche Informationen.“

Wer nun aber denkt, dass ein Weltalmanach mit der Jahreszahl 2015 auf dem Titel zumindest das Jahr 2014 einigermaßen vollständig abbildet, der irrt. Redaktionsschluss war bereits der 1. Juli und erschienen ist das Buch schon im September – das ist fast schon Augenwischerei.

Überdies hat man bei dem für mich wichtigsten Punkt, den Sachgebieten, das Jahrbuch erneut im Umfang verringert. Nun sind auch noch die Nachrufe auf verstorbene Persönlichkeiten verschwunden.

Jedes Jahr gibt es einen Schwerpunkt, diesmal sind es die  Minderheiten. Doch was heißt eigentlich Schwerpunkt? Dem Thema sind am Anfang des Buches ganze vier (!) Seiten gewidmet, den Rest soll man sich in den jeweiligen Kapiteln zusammen suchen, heißt es in der Einleitung. Die Gelegenheit, zu diesem wichtigen Thema solide Fakten, Hintergründe und Statistiken zu präsentieren, wurde vertan.

Man möge mir meine Direktheit verzeihen, aber es interessiert es nicht besonders, wo die ungarische Minderheit in der Slowakei lebt und auf welche Weise sich die Diskriminierung der Rohingya in Myanmar zeigt. Suche ich dagegen im Register nach Begriffen wie, „Gentechnik“, „Windkraft“ oder „Solarenergie“ finde ich – nichts! Auch zur Ebola-Epidemie gibt es keinen separaten Eintrag, sondern nur spärliche Informationen unter den Ländern Guinea und Sierra Leone.

Zur erfolgreichsten deutschen Partei des Jahre 2014, der AfD, fallen dem Fischer Weltalmanach lediglich zwei Zeilen ein, (sie finden sich am Ende des Deutschland-Kapitels unter „Europawahl“. Die Kommunalwahlen in Sachsen und Thüringen fanden nämlich erst im September statt und kamen somit für den Redaktionsschluss zu spät.

Zwar findet man die Ergebnisse in einem Online-Portal, das per Zugangscode in der aktuellen Ausgabe „täglich über Wahlergebnisse und Regierungswechsel unterrichtet und rund 500 Kurzbiografien sowie mehr als 250.000 Daten aus Demografie, Wirtschaft und Umwelt zum individuellen Recherchieren und Exportieren bereithält“. Auch hier muss man jedoch erst einmal wissen, wonach man sucht – und das ist eine eklatante Schwäche des Fischer Weltalmanach, der meines Erachtens nun endgültig Gefahr läuft, überflüssig zu werden. Wie man es besser macht, zeigt das US-Pendant zum „Fischer“, der „World Almanach and Book of Facts 2015„: Der hat etwa 300 Seiten mehr und bietet (wegen der kleineren Schriftgröße) mindestens doppelt so viel Inhalt zu allen Bereichen der Gesellschaft zum Preis von € 12. Ich denke, daran sollten die Redaktion und der Verlag des Fischer Weltalmanachs sich ein Beispiel nehmen!

Software-Test PC Globe

Elektronischer Atlas und aktuelles Jahrbuch zugleich ist PC Globe 3.0. Die Datenbanken der Vereinten Nationen, der Weltbank und verschiedener amerikanischer Behörden bis zum CIA wurden für die Erstellung des Programmes herangezogen. Karten des gesamten Globus lassen sich darstellen. Mit Cursortasten oder der Maus können 177 Länder angewählt werden, für die einzelnen Länder wiederum lassen sich die großen Städte (1300 insgesamt) sowie Höhenkarten und geographische Besonderheiten anzeigen, was mit EGA- oder VGA-Karte ein farbenfreudiges Vergnügen ist.

Blitzschnell erscheinen Staatenverbände, wie die Opec oder der Warschauer Pakt auf dem Globus in frei definierbaren Farben. Dem Reisenden mit Laptop besorgt PC Globe die Umrechnung seiner Devisen; Entfernungsangaben zwischen den Städten werden ebenso bewältigt wie die Anzeige der jeweiligen Zeitzone. Sehr ergiebig ist die bereits erwähnte Datenbank, der sich Details über die Anzahl der Zahnärzte in Uganda (17) ebenso entnehmen lassen wie Uruguays Einnahmen aus dem Tourismus (443 Millionen Mark jährlich).

Altersverteilung, Sprach- oder Religionszugehörigkeit, Staatsoberhaupt – PC Globe lässt wenige Fragen unbeantwortet. Interessant ist auch der Vergleich der vorhandenen Daten – so macht Erdkunde Spaß. Einträge durch den Benutzer sind leider nicht möglich, sodass dieser sich an die geplanten jährlichen Updates halten muss, die zwischen 30 und 50 Mark kosten sollen.

Daten können im Lotus-1-2-3-Format exportiert werden, Bildschirminhalte lassen sich als PCX- (Paintbrush)Dateien speichern. Bedienung und Installation des Programmes sind einfach, allerdings ist die Unterstützung für nur eine Handvoll Drucker etwas mager ausgefallen.

„PC Globe 3.0“, Markt und Technik Verlag; für IBM PC/XT, IBM PC/AT und PS/2-Computer und Kompatible; 169 Mark.

(erschienen in der WELT am 6. Juli 1990)

Was ist daraus geworden? Laut Wikipedia erschienen noch zwei weitere Ausgaben unter dem Namen PC Globe, eine weitere unter dem neuen Besitzer Broderbund mit dem neuem Namen PC Globe Map-n-Facts. Die hier besprochene Version gibt es als „Abandonware“ noch kostenlos zum Download bei WinWorld. Eine zeitgemäße und verhältnismäßig günstige Alternative ist der Fischer Weltalmanach 2017 mit CD-ROM.