GR 221 – 12. Esporles – Valldemossa

Dank meines genialen Planes (siehe den gestrigen Eintrag) musste ich heute nicht mein Zimmer räumen und konnte als Bonus sogar die Hälfte meines Geraffels in Palma lassen. Derart unbeschwert ging es dann auf den Bus, der ziemlich pünktlich in den Kellergewölben unter meiner Herberge, dem Hostal Terminus, ankam (inzwischen leider geschlossen). Binnen einer halben Stunde war ich in Esporles und auf dem Fernwanderweg GR 221.

Die heutige Etappe nach Valdemossa sorgte mit 650, teils ziemlich steilen Höhenmetern wieder für straffe Waden. Die Strecke von fast genau 10 Kilometern schaffte ich in gut 3:30 Stunden und damit ein bisschen schneller als die vorherigen Etappen. Gerne würde ich darin einen Trainingseffekt sehen. Wahrscheinlicher ist es aber, dass die erste Stunde auf Asphalt einfach leichter zu laufen war. Obwohl ich jetzt seit sechs Tagen unterwegs bin, ist mir der morgendliche Muskelkater treu geblieben.

Dabei habe ich eine Seite meiner Wanderkarte bereits abgelaufen, und heute das erhebende Gefühl, mit der Rückseite quasi ein neues Kapitel aufschlagen zu dürfen: Stolz und Scham kämpfen miteinander als ich feststelle, dass ich erstmals in meinem ganzen Leben eine ganze Woche am Stück gewandert bin. Der Weg von Esporles ist anfangs gut gekennzeichnet und läuft eher sanft bergauf. Nach zwei Kilometern verlässt der Weg die Fahrstraße, und das Gelände wird schwieriger.

Zwei Mountainbiker, die hinter mir den Berg erklommen haben, ficht das nicht an. Sie schultern kurzerhand ihrer Sportgeräte und stapfen bergauf, als könne es kein größeres Vergnügen geben. Nun gehöre ich ja selbst im heimischen Schwarzwald auch zu dieser Zunft, aber was die hier treiben?

Nach 3,5 Kilometern bin ich – den Steinmännchen sei Dank -am Col de sa Basseta mit seinen 435 Metern angelangt, sehe die beiden Sportsfreunde ein kleines Stück fahren, und wundere mich, wie sie schlussendlich wieder ins Tal gekommen sind. Auf dem GR 221 jedenfalls nicht, denn der ist für Normalbiker nicht zu schaffen. Egal.

Vorbei an den Überresten mehrerer Kalkbrennöfen und zweier gut erhaltener Backöfen stapfe ich weiter durch den Wald, sehe bald sogar Palma in der Ferne und erreiche nach knapp 7 Kilometern beim Sa Communa mit 702 Metern den höchsten Punkt dieser Wanderung. Ohne große Verirrungen geht es von dort bergab nach Valdemossa, und so spare ich Euch die Details des Abstiegs zugunsten dreier Gestalten, die offenbar in keinem Reisebericht über Mallorca fehlen dürfen.

Es begab sich also zu der Zeit, genauer im Winter 1838/1839, das Frederic Chopin und George Sand als Pärchen der Pariser Society entflohen und ausgerechnet hier, im gerade aufgelösten Kloster, eine Zelle bezogen. Dass Frederic Chopin ein Komponist war, hätte ich ja noch gewusst, dass George Sand nicht etwa sein schwuler Liebhaber war, sondern eine Schriftstellerin – das war mir neu.

Gehofft hatten sie, dass Chopin hier oben seine Tuberkulose würde auskurieren können, aber dann regneten sie ein, und mit Chopin ging es bergab. Die wilde Ehe der beiden Zugereisten fanden die Dorfbewohner auch nicht so dolle, was George Sand ihnen dann mit ihrem Klassiker „Ein Winter auf Mallorca“ heimgezahlt hat. Heute ist Valdemossa das meistbesuchte Dorf Mallorcas, das alte Kloster, wo die beiden gehaust haben, das am zweithäufigsten besuchte Gebäude der Insel (nach der Kathedrale von Palma). Und die Moral von der Geschicht? Ich weiß es nicht.

Zugegebenermaßen ist Valdemossa wunderschön anzuschauen, für meinen Geschmack aber etwas zu geleckt. Außerdem ist es natürlich voll mit Touristen, von denen geschätzte 80% Deutsche sind. Gut, dass nach dem Ankunftsbier gleich der Bus kommt und mich mitnimmt nach Palma. Unterwegs lese ich von einem anderen Mallorca-Promi, für den ich erheblich mehr Sympathie empfinde als für die abgedroschene Künstler-Liebesgeschichte:

Der österreichische Erzherzog Ludwig Salvator (1847 – 1915) entdeckte seine Liebe zu Mallorca schon mit 20 Jahren, erforschte hier Natur und Kultur gleichermaßen und schuf dabei das Monumentalwerk  „Die Balearen in Wort und Bild„.  Außerdem war „Der ungekrönte König von Mallorca“ ein wahrer Öko, und was den Umgang mit seinen Mitmenschen anging, ein ziemlich Sonderling. So einen muss ich einfach mögen, und meine Freunde ahnen, warum ich das denke.

So geht der nunmehr sechste Tag meiner Wanderung zu Ende, und ich freue mich, dass der Plan bisher so gut aufgeht. Zum Feiern wähle ich das Restaurant Buscando el Norte, das von meinem Reiseführer ebenso gelobt wird, wie von meiner App Foursquare, die ich in solchen Fällen gerne konsultiere. Shrimp-Papaya-Salat, Mini-Thunfisch-Hamburger, Foie can Salsa de Chocolate Blanco und ander Pintxos, die einen aus den Socken hauen. Zu Preisen, für die man bei uns kein Wiener Schnitzel kriegt. Nach diesem Schlemmermahl ist mir nicht bange, wenn ich morgen die Route von Valdemossa nach Deia unter die Füsse nehme.

Sieg für den Parteistaat, Niederlage für die Demokratie

Ja, auch ich will meinen Senf dazu geben zur gestrigen Wahl des Bundespräsidenten. Ich bin enttäuscht und wütend, dass wieder einmal die Abgeordneten des Bundestages und zusätzlich die anderen Mitglieder der Bundesversammlung sich einen Dreck darum geschert haben, was das Volk will. Die Bundesbürger nämlich hätten für Joachim Gauck gestimmt, wie zahlreichen Umfragen in den vergangenen Tagen und Wochen zu entnehmen war.

Auch wenn manch ein Kommentator das anders sehen mag (wie z.B. der geschätzte Günther Nonnenmacher in seinem heutigen Beitrag für die FAZ), wurde m.E. sehr wohl Druck auf die Repräsentanten ausgeübt und es wurde mit wenigen löblichen Ausnahmen strikt entlang der Parteilinien abgestimmt. Auch das ist das Gegenteil dessen, was das Volk will. So hatten sich zuletzt bei einer Umfrage der ARD 62 Prozent für die Direktwahl des obersten Repräsentanten der Republik ausgesprochen.

Leider kam wieder einmal alles anders, und das bisschen Kontrollfunktion, das dem Bundespräsidenten qua Verfassung zusteht, wird Christian Wulff wohl kaum ausnutzen wollen. Er wird sich daran erinnern, wer ihn in dieses Amt gehievt hat. Auch wenn man sich auf die Position zurückzieht, Wulff wäre ebenso „untadelig“ wie Gauck, ging es Angela Merkel doch einzig und alleine darum, jemanden zu installieren, der niemals auf die Idee käme, seine Unterschrift zu verweigern oder gar jenes Parteiensystem in Frage zu stellen, dem er seine Karriere inklusive der Position eines Ersatzkönigs verdankt.

Dass ein Sigmar Gabriel als Kanzler anders gehandelt hätte, bezweifle ich und das Verhalten der Linkspartei war einfach nur schamlos. Ehrlicher wäre es gewesen, den Bundespräsidenten gleich zum Grüßaugust herabzustufen, der direkt dem Kanzleramt unterstellt ist. Noch besser fände ich es, angesichts des Trauerspiels der vergangenen Wochen, das Amt des Bundespräsidenten ersatzlos zu streichen und dessen Etat von derzeit 27,63 Millionen Euro einzusparen. Die Bundesversammlung könnte man dann ebenfalls auflösen, ein Schaden wäre das nicht.

Und der Ex-Bundespräsident Horst Köhler? Wird der sich nun herablassen, dem Volk den wahren Grund für seinen Rücktritt zu verraten? Ach nein, soviel Offenheit dürfen wir wohl kaum erwarten von jemandem, der für seine Verdienste den Rest seines Lebens einen jährlichen „Ehrensold“ von runden 200000 Euro aus der Staatskasse erhält.