Besuch im Newseum

Newseum? Das laut Eigendarstellung „interaktivste Museum der Welt“ verdankt seinen Namen nicht etwa einem Druckfehler, sondern einem Wortspiel. Hier dreht sich alles um „News“, um Nachrichten also und darum, wie sie gemacht werden und von wem. Etwas holpriger klingt das im „Mission Statement“. Demnach ist es das erklärte Ziel des Newseums, einen Treffpunkt zu bieten, wo Medien und Öffentlichkeit aufeinander treffen und lernen, einander besser zu verstehen.

Eröffnet im Frühjahr 2008, finanziert und unterhalten aus den Spendengeldern der Stiftung „Freedom Forum“ zählt das Newseum für mich zu den größten Sehenswürdigkeiten in der an Attraktionen gewiss nicht armen US-Hauptstadt Washington.

O.k. – das hat vielleicht auch ein ganz klein wenig damit zu tun, dass ich mich als Journalist gebauchpinselt fühle, weil endlich mal jemand zeigt, wie toll und wichtig die Arbeit ist, die unsereins so leistet. Und außerdem – jawohl, ich gebe es zu – blieben mir die 20 Dollar Eintritt erspart, da ich zu den Gästen gehörte, die hier zum Empfang der Präsidentin auf der Jahrestagung der Society for Neuroscience eingeladen waren.

Gelegen in Blickweite des Capitols zeigt das Newseum seinen Besuchern schon auf der Straße, worum es hier geht: In Marmor gehauen ziert die Vorderseite des Gebäudes das „First Amendment“, der erste Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika. Er wurde 1791 verabschiedet und schützt Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Versammlungsfreiheit und das Petitonsrecht vor Eingriffen durch den Staat. Wörtlich heißt es:„Congress shall make no law respecting an establishment of religion, or prohibiting the free exercise thereof; or abridging the freedom of speech, or of the press; or the right of the people peaceably to assemble, and to petition the Government for a redress of grievances.“

Schon auf der Straße fallen die aktuellen Titelseiten Dutzender amerikanischer und internationaler Zeitungen ins Auge. Wer eine bestimmte Zeitung sucht, hat gute Chancen, diese auf einem der zahlreichen Monitore im Inneren zu finden – sortiert nach Alphabet oder Ländern.  Auf Laufbändern und Fernsehmonitoren im ganzen Gebäude prasseln die Nachrichten auf den Besucher ein – alleine 130 Fernsehsender hat das Newseum abonniert, deren Inhalte von einem für die Besucher einsehbaren Kontrollraum aus überwacht und je nach Bedarf in den verschiedenen Abteilungen zu- oder abgeschaltet werden können.

Interessante und interaktive Ausstellungen finden sich sowohl im Museum selbst als auch auf dessen Webseite, und wer sich traut, kann sogar selbst als Reporter aktiv werden und seine Ansage dem Newseum und seinen Besuchern als Video zum Download zur Verfügung stellen.

Wie sehr unsere Sicht der Welt von Nachrichten geprägt wird, daran erinnert bereits im Eingangsbereich ein Stück der Berliner Mauer – komplett mit Wachturm und der dazugehörigen Dokumentation. Ein Stockwerk darüber steht einsam im Raum ein von der Hitze des Feuers grotesk verbogener Stahlträger aus dem Inneren des World Trade Centers. Im Hintergrund die Titelseiten der Zeitungen vom Tag nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001.

Die Macht der Bilder veranschaulicht die Sammlung von Fotografien, die mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurden. Kriege, Mord und Gewalt, Flüchtlingslager, Hunger- und andere Katastrophen sind die häufigsten Motive, versehen mit Erklärungen der Fotografen, warum sie es trotzdem geschafft haben, in diesen Augenblicken den Auslöser zu drücken. Daneben aber auch zahlreiche Aufnahmen, die Hoffnung machen, sei es die Geburt eines Babies oder der Blick des freundlichen Polizisten und die vertrauensseelige Erwiderung durch den kleinen Jungen, der am Rande einer Demonstration verloren gegangen ist.

Ein „Journalist Memorial“ erinnert an die Menschen, die sterben mussten, weil sie aus Krisengebieten berichten wollten, Umweltskandale aufdeckten oder Verbrecher entlarvten. Im Raum steht der von Kugeln durchsiebte Pickup-Truck eines Kriegsreporters aus Bagdad. An den Wänden die Gesichter und Namen derjenigen, die ihr Leben ließen für ihre Berichte. Journalisten, die mit ihrer Arbeit nicht nur die Auflage und die Quoten ihrer Auftraggeber erhöhten, sondern die mitunter auch Leben gerettet haben, weil sie die öffentliche Meinung mobilisiert und letztlich auch die internationale Gemeinschaft zum Eingreifen gezwungen haben.

Die freie Presse ist einer der Eckpfeiler der Demokratie, lautet die vielleicht wichtigste Botschaft des Newseums. Aus Nachrichten wird Geschichte und Journalisten sind es, die heute die ersten Entwürfe unserer Geschichte verfassen. Und wenn diese Journalisten richtig gut sind, enthüllen sie dabei die Wahrheit.

Singapur renoviert mit Gefühl

Auch in Singapur hat sich die Ansicht durchgesetzt, dass prall gefüllte Einkaufszentren, Luxushotels und steil aufragende Bürogebäude wenig zum Charme einer Stadt beitragen. Deutliches Zeichen für frisch gewonnene Einsichten ist ein milliardenschwerer Feldzug, mit dem die ethnischen Bezirke des Stadtstaates zu neuem Leben erweckt werden sollen.

Zusammen mit dem privaten Sektor fließen etwa drei Milliarden Mark in die Erhaltung und Renovierung so beliebter Viertel wie Chinatown, Little India, Arab Street und Kampong Glam. Gerade westliche Touristen lassen sich gerne von der Exotik dieser Bezirke verzaubern. Dort in den faszinierenden alten Ladenhäusern nach einheimischen Erzeugnissen zu stöbern vermittelt mehr vom Zauber Asiens, als jede noch so prunkvoll gestaltete Hotellobby.

Die Skyline von Singapur im Jahr 1989 – Gerade noch rechtzeitig hat man begonnen, das Erbe zu bewahren und viele historische Gebäude vor dem Abriss gerettet (© Michael Simm)

Denn die alten Viertel haben sich ihre Eigenheiten bewahrt. In Chinatown etwa wird das Straßenbild geprägt von Händlern, deren Läden mit Haushaltswaren, tropischen Früchten und exotischen Gewürzen überladen sind. Stinkfrüchte (Durians) locken mit ihrem Aroma die Einheimischen – und stoßen die Fremden ab.

Körbe voller getrockneter Pilze, Meeresgetier und anderer Köstlichkeiten lassen die heimische Küche ärmlich und phantasielos erscheinen. Von den Balustraden der zweigeschossigen Häuser hängen Bambuskäfige, in denen Singvögel zwitschern. Kalligraphen verzieren rotes Glückspapier mit Goldbuchstaben oder schreiben Briefe für alte Leute. Auch Apotheken fehlen nicht, in denen Freunden der Naturheilkunde zu jedem denkbaren Wehwehchen der entsprechende Pflanzenextrakt geboten wird, oder auch ein Pülverchen aus den Weichteilen von allerlei Getier.

Diese Idylle wäre in den letzten Jahren beinahe zerstört worden. Das Ministerium für nationale Entwicklung begann bereits in den frühen sechziger Jahren mit einer Stadterneuerung, bei der die Beseitigung der Elendsviertel und die Umgestaltung des Stadtkerns im Mittelpunkt standen. Mittlerweile reihen sich in der City Bürogebäude, Einkaufszentren und Hotels aneinander. Ganze Straßenzüge des alten Chinatown mussten eintönig-farblosen Mietskasernen weichen. Doch damit nicht genug: Auch der Singapur River wurde 1983 „aufgeräumt“, seiner Boote, Frachter und Dschunken beraubt.

Dann begann man umzudenken. Unter der Leitung des Amtes für städtische Erneuerung (URA) richtete sich das Augenmerk zunehmend auf die Erhaltung des historischen Viertels Singapurs. Eine „qualitativ hochwertige Lebens- und Arbeitsumgebung“ wollte man im Stadtkern schaffen. Gleichzeitig war sich die Behörde aber über die Anziehungskraft auf die Touristen klargeworden, die von den alten Bezirken ausgeht. Schließlich erhofft man sich, noch in diesem Jahr eine Besucherzahl von fünf Millionen zu überschreiten.

Im Dezember 1986 wurde dann der „Conservation Master Plan“ angekündigt. Insgesamt sind darin über 100 Hektar des alten Singapurs erfasst, denen ein bedeutender historischer und architektonischer Wert zugeschrieben wird. Damit die Renovierungsarbeiten nicht nur auf den öffentlichen Grundstücken durchgeführt werden, wurden Richtlinien erlassen, die auch die private Beteiligung an dem Projekt regeln.

Im Mittelpunkt der Bemühungen stehen Gebäude aus der Jahrhundertwende ebenso wie viele neoklassizistische Bauwerke aus Singapurs Kolonialzeit. Besonders die chinesischen Ladenhäuser mit ihren ebenerdigen Geschäften und den darüber liegenden Wohnungen sollen mit neuem Leben erfüllt werden. Der manchmal als „Palladio-Chinesisch“ bezeichnete Stil, in dem die wohlhabenden Chinesen ihr Zuhause gestalteten, prägte lange Zeit den Charakter der Stadt. Typisch für diese Bauweise war eine Mixtur aus ornamentgeschmückten Pilastern, Falttüren und venezianischen Fenstern. Die Fassaden waren meist in delikaten Pastelltönen gehalten, die Dächer mit Terrakottaziegeln bedeckt: Später zerfielen die Häuser allmählich, viele wurden von Baggerzahn und Abbruchbirne beiseite geräumt, was übrigblieb, war noch vor kurzem in einem bedauernswerten Zustand.

Doch mittlerweile sind die Renovierungsarbeiten in vollem Gang, erste Ergebnisse sind vorzuweisen. In Tanjong Pagar, einem Teil Chinatowns, beziehen chinesische Händler die ersten schmucken Geschäfts- und Bürohäuser. Neue Restaurants werden eröffnet, wo vor Jahresfrist noch Ruinen standen. Weitere sanierungsbedürftige Gebäude werden an Privatleute verkauft, die den Umbau dann in die eigenen Hände nehmen. Auch die Bugis Street soll wiederauferstehen, allerdings als Nachbau in der benachbarten Victoria Street. Dort, wo sich bis 1985 noch das Nachtleben Singapurs abspielte, steht jetzt nämlich ein Bahnhof der städtischen Metro.

Wie Catherine Quah, stellvertretende Direktorin der Tourismusbehörde, erklärte, waren die Gebäude nicht an die Kanalisation angeschlossen. Es wäre demnach zu teuer gekommen, Bugis Street an Ort und Stelle zu bewahren. Ob auch die „neue“ Bugis Street, die man liebevoll mit vielen Originalteilen rekonstruiert, die Nachteulen der Stadt anlocken kann, wird die Zukunft zeigen müssen. Ein dem Original nachempfundenes Freiluftrestaurant und eine Bühne für Gaukler, Akrobaten und Straßenkünstler beweisen jedenfalls, dass sich die nostalgischen Anwandlungen der URA nicht nur auf historische Monumente beschränken.

Ein solches Monument ist sicherlich das alte Viertel aus der Kolonialzeit. Dort hatte der im viktorianischen Stil gebaute Empress Place mehr als 100 Jahrelang als Gerichts- und Verwaltungssitz gedient. Mit 25 Millionen Mark wurde das Gebäude, das schon leichte Ermüdungserscheinungen gezeigt hatte, wieder herausgeputzt. Seit dem Abschluss der Renovierungsarbeiten im April des vergangenen Jahres werden auf 8000 Quadratmeter Fläche wechselnde Ausstellungen geboten. Damit ist der Empress Place eines der größten Museen in ganz Asien.

Natürlich darf bei all diesem Aufwand auch das Raffles Hotel nicht fehlen. Die „Grand Old Lady“ des Ostens erfährt eine Verjüngungskur die weit über 100 Millionen Mark kosten wird. Derzeit werden alle Zimmer des berühmten Kolonialhotels in Suiten umgebaut, jeweils ausgestattet mit Teakholzböden, traditionellen Deckenventilatoren und all dem Glanz der zwanziger Jahre. Richard Helfer, der Direktor der Hotelgesellschaft, hat eigens eine weltweite Suche nach dem Erbe des Raffles initiiert, um den Architekten und Restauratoren eine möglichst genaue Vorstellung von der vergangenen Pracht zu verschaffen. So dienen nicht nur die Erinnerungen des Schriftstellers Sommerset Maugham sondern auch ein in Austin, Texas, aufgetauchtes Notizbuch aus dem Jahr 1906 der liebevollen Pflege der Nostalgie. Ab Sommer nächsten Jahres können sich dann alte und neue Bewunderer des Raffles vom Erfolg der Arbeiten überzeugen.

(in gekürzter Form erschienen am 14. Februar 1990 im WELT-Report Singapur)