Was mit Vögeln? Birding!

Ok, es ist ´mal wieder Zeit für ein Geständnis: Ich gehöre zu jenen oftmals belächelten Zeitgenossen, die sich am Gesang einer Amsel freuen – und zwar nicht nur, weil dieses melodiöse Pfeiffen mir bestätigt: Der Frühling ist da!

Das ist nicht alles. Es gefällt mir auch, die Flugmanöver der Mauersegler zu bestaunen, die zuverlässig in jedem Jahr während der ersten Maitage aus dem Süden in Offenburg eintreffen. Ich finde Schwäne elegant. War fasziniert als ich meinen ersten Eisvogel gesehen habe. Und schon als Kind stolz darauf, alle Arten zu erkennen, die bei uns im Winter ans Futterhäuschen kamen. Ich habe ein Fernglas, ein halbes Dutzend Bestimmungsbücher, eine DVD mit Vogelstimmen, eine Kamera mit 16-fachem Zoom – und ich mag keine Katzen.

Einfach schön: Ein Höckerschwan (Cygnus olor)

Spätestens jetzt sollte es Euch dämmern: Ich bin ein Vogelgucker. Oder – wie Engländer und Amis sagen würden: ein Birder, Birdwatcher oder auch Twitcher.

Neu entfacht wurde meine alte Leidenschaft bei einem Urlaub in Costa Rica, einem wunderschönen Land mit freundlichen Menschen und einer überwältigenden Vielfalt von Tieren und Pflanzen. 820 Vogelarten kann man dort ganzjährig oder auf der Durchreise beobachten – das sind mehr als in ganz Westeuropa und Vorderasien! Zweifelsfrei erkannt habe ich dort 76 verschiedene Spezies, und als ich die dann hochzufrieden auf dem Rückflug vor meinem geistigen Auge vorbeiflattern lies, lief im Filmprogramm an Bord auch noch „The Big Year„.

Der Streifen beschreibt die wahre Geschichte der Obsezzion dreier Vogelbeobachter, die darum wetteifern, binnen eines Jahres in den USA möglichst viele verschiedene Arten zu sehen und „abzuhaken“. Im Juni soll „The Big Year“ unter dem Titel „Ein Jahr vogelfrei!“ auch in die deutschen Kinos kommen. Aber ehrlich gesagt ist schon das Original ein ziemlich schwacher Film. Die schönen Vogelaufnahmen wiegen weder die schlechte schauspielerische Leistung eines Clife Owen auf, noch die Anhäufung von 08-15-Hollywood-Klischees, und „The Big Year“ scheitert auch kläglich mit den meisten Versuchen, witzig zu sein.

Ein schlechter Film also, der mich aber trotzdem inspiriert hat zu dem Entschluß, dieses Jahr 2012 zu meinem „Big Year“ zu machen. Es geht darum, auf Reisen, Ausflügen und daheim möglichst viele verschiedene Vogelarten zweifelsfrei zu identifizieren und abzuhaken. Ich gebe zu: das ist in der Tat ein bisschen schrullig. Aber das ist mir egal. Mit der Vogelbeobachtung komme ich ´raus an die frische Luft, beim Abhaken der Listen befriedige ich meinen Buchhaltertick, kann gleichzeitig einem anderen Hobby – der Fotografie – frönen und befinde mich außerdem in bester Gesellschaft. Denn auch wenn dieses Hobby hier nicht annähernd so beliebt ist wie in Großbritannien, den USA oder auch Holland, so gibt es doch auch in Deutschland jede Menge Vogelfreunde – und für die werde ich hier in nächster Zeit noch jede Menge Infos einstellen.

Übrigens: In den vergangenen vier Wochen habe ich bereits fast 50 Arten in der Nähe meines Wohnortes Neuried (zwischen Offenburg und Straßburg) entdeckt, darunter auch eine Nilgans, Zwergtaucher und Silberreiher. Die wachsende Liste habe ich bei der Encyclopedia of Life eingestellt. Sie ist öffentlich und dokumentiert gleichzeitig, was es hier so alles zu sehen gibt.

Seid Ihr neugierig, wie es weiter geht? Dann schaut doch ´mal wieder vorbei. Als nächstes werde ich hier einige Karten einstellen, auf denen einheimische und auswärtige Vogelgucker einige der besten Rundwege und Beobachtungsstellen finden können.

Auf dem Mühlenweg durchs Ried

Update vom 1. Mai 2012: Der Mühlenradweg ist jetzt offiziell eröffnet, die Strecke komplett ausgeschildert und der Verlauf wurde gegenüber dem auf der Karte unten gezeigten geändert. Am Besten starten Sie jetzt am Schulzentrum in Ichenheim, denn dort gibt es eine schöne Übersichtskarte sowie kostenlos Faltpläne zum einstecken und mitnehmen – inklusive der Geschichte der Mühlen, die jetzt auch alle mit eigenen Erklärtafeln versehen wurden!

Dies ist die erste Tour, die ich auf meinen neuen Reiseseiten beschreiben will. „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne„, erinnert mich Herrmann Hesse. Und weil ich diesen Anfang nicht vermasseln will, habe ich auch noch bei Johann Wolfgang von Goethe nachgeschlagen. Der fragte nicht nur: “Willst du immer weiter schweifen?“, sondern gab uns auch den Rat: „Sieh, das Gute liegt so nah!” Und da Goethe ja eigentlich immer irgendwie recht hat, geht es heute direkt vor meiner Haustür los.

Ich schwinge mich aufs Fahrrad und treffe nach ein paar Hundert Metern auf eine neu geschaffene Rundstrecke, die sich der Arbeitskreis Tourismus Neuried ausgedacht hat. Tatsächlich ist der Mühlenrundweg so neu, dass ich ihn gleich zwei Mal in Angriff nehmen musste, weil noch nicht alle Schilder angebracht waren. Inzwischen (2017) gab es auch kleine Änderungen an der Streckenführung, sodass ich den Link zu meiner alten gpx-datei hier entfernt habe. Aber immer noch ist die Strecke ca. 33 Kilometer lang und verläuft völlig flach, daher auch für kleine Familienausflüge gut geeignet. Etwa 90 Prozent des Weges sind mit Asphalt geteert, der Rest sind Schotter und Waldwege, also nichts für Rennradfahrer. Die Landschaft ist – nun ja – landwirtschaftlich geprägt, und die größte Attraktion sind weniger die Mühlen selbst als vielmehr das gute Essen (Stichwort: Flammkuchen!) das bei urgemütlicher Atmosphäre in drei der Mühlen geboten wird.

Starten kann man zum Beispiel in der Ortsmitte von Ichenheim, fährt dann am „Schwanen“ vorbei auf die Rheinstraße und biegt beim Hofweg rechts ab. Von hier aus ist alles prima ausgeschildert. Erst geht es über die Felder nach Altenheim mit seinen schmucken Fachwerkhäusern. Am schönsten wurde die Atmosphäre hier in Geo Saison, Heft 10 / 2004 in dem Artikel Radtour: Die Ortenau beschrieben:

Der Zauber einer beinahe vergessenen Zeit liegt über den Dörfern, in denen alles das rechte Maß hat. In der Mitte stehen die Kirche, das Rat- und das Wirtshaus, umgeben von einem Ring aus schmalen Bauernhäuschen, die nicht mit Kunstklinker verschandelt oder mit Eternit verschalt wurden. Umrahmt von blühenden Gärten, sehen sie immer noch so aus wie vor hundert Jahren.

Weniger schön, aber ebenfalls Teil der Geschichte ist ein gesprengter Bunker, an dem wir vorbeikommen, nachdem wir Altenheim durchquert haben und nahe der Altenheimer Mühle auf einen Waldweg abgebogen sind. Nach Überquerung der L98 führt uns die Industriestraße zu einem Verkehrskreisel. Dort links zum Ortsrand von Goldscheuer, dann rechts auf den Sonnenweg und via Kittersburger Straße den Schildern folgend zur Kittersburger Mühle (Tel. 07854-1255). Die hat zwar noch keine Webseite, dafür aber einen der schönsten Biergärten in der Region. Natürlich gibt´s auch Wein, leckere Hähnchen und vor allem den Rahmkuchen in diversen Varianten. Das ist die Badische Antwort auf den Elsässer Flammkuchen – und ob es da einen Unterschied gibt wird der schlacksige Kellner dort in seiner unnachahmlichen Art sicher gerne erläutern 😉

Jedenfalls ist die Kittersburger Mühle der nördlichste Punkt unserer Reise. Falls die geschlossen hat gibt es noch zwei weitere Chancen, einen Rahm- bzw. Flammkuchen zu genießen. Dazu müsst ihr aber erst wieder ein paar Kilometer strampeln. Im Sommer wird einem dabei schon ´mal die Sicht versperrt durch die zahlreichen Maisfelder, die dank der unsinnigen Biosprit-Subventionen hier seit einigen Jahren in die Höhe schießen.

Lange Tradition hat „im Ried“ dagegen der Tabakanbau. Mit 470m Hektar Fläche ist Neuried noch heute die größte Tabakanbaugemeinde Deutschlands, belehrt mich die Wikipedia. Ich frage mich, warum die Leute sich aufregen über ein paar Cannabis-Felder in Mexiko und wer wohl die größeren Gesundheitsschäden verursacht? Wenn schon Subventionen, warum dann nicht für Blumenfelder und Streuobstwiesen? Dann erinnere ich mich daran, dass Logik und Gesetzgebung schon lange nicht mehr zusammen passen und fahre weiter.

Kaum zu übersehen ist die Rohrburger Mühle (wo es aber nichts zu essen gibt), die als nächste Station etwa auf halber Strecke liegt. Dann überqueren wir zwei Mal die Schutter, jenes 55 Kilometer lange Flüsschen, das ursprünglich die Mühlen angetrieben hat. Weiter geht es durch Müllen, bis wir an der Dundenheimer Mühle erneut auf die Schutter treffen. Auch hier gibt es Flammkuchen, allerdings nicht durchgehend, sodass man sich besser vorher nach den aktuellen Öffnungszeiten erkundigt (Tel.: 07807-3380). Die letzte Chance auf einen Flammkuchen bietet dann die Schutterzeller Mühle (Tel.: 07807-401), aktuell die einzige der fünf Mühlen mit eigener Webseite. Die restlichen vier Kilometer zurück zum Ausgangspunkt führen vorbei am Ottenweier Hof, dessen Geschichte sich bis zum Jahr 1347 zurück verfolgen lässt und der auch in diesem Jahr wieder zur Riedwoche mit einem mittelalterlichen Hoffest für Besucher geöffnet sein wird (am 13. und 14.August 2011., von 14:00 bis 20:00).

Damit genug der Heimatkunde für heute. Weiter geht es in der kommenden Woche. Wenn alles klappt blogge ich dann live vom 3-Länder-Rad-Event, der mich auf knapp 300 Kilometern in drei Tagen durch den Naturpark Odenwald führen wird…