GR 221 – 07. Sa Dragonera & mehr

Erneut genieße ich das üppige Frühstück und den freundlichen Service im Hostal Catalina Vera, arbeite ein wenig am Laptop und nehme dann den 10:50-er Bus nach Sant Elm. In Andraxt, wo ich umsteigen muss, kommt der Anschluss-Bus zu spät. Ich laufe durch die Gassen, suche und finde ein Taxi. Für 13 Euro geht es dann nach Sant Elm zur Bootsablegestelle. Nur um festzustellen, dass ich dort zeitgleich mit dem Bus ankomme, der offenbar just in dem Moment mit 20 Minuten Verspätung ums Eck kam, als ich mich auf die Suche nach dem Taxi machte…

So schaue ich in Sant Elm dem 11:45-Boot hinterher und habe an diesem Morgen nicht nur 13 Euro verloren, sondern auch wertvolle Zeit für mein Tagesziel, Sa Dragonera. Ich setzte um 12:15 über und zahle für eine Strecke, die man fast schon schwimmen könnte, wiederum 13 Euro. Nein, das letzte Boot zurück um 15:00 darf ich auch nicht nehmen, denn das ist schon voll, belehrt mich der gut gelaunte Abkassierer auf dem Boot. Ich bekomme ein Ticket für 14:30. Wieder ist eine halbe Stunde weg, sodass mir gerade noch zwei Stunden bleiben…

Dafür, dass ich mir das antue und unbedingt auf Sa Dragonera will, habe ich ein halbes Dutzend Gründe:

  1. Ich war noch nicht dort.
  2. Ich mag Inseln.
  3. Ich mag Naturparks – und dies ist einer von nur dreien auf Mallorca.
  4. Ich mag Tiere und ganz besonders Vögel – und hier soll es gleich mehrere seltene Vogelarten geben.
  5. Eigentlich gehört Sa Dragonera bereits zu dem Gebirge, das ich durchwandern will. Es ist sozusagen ein im Meer gelegener Vorposten der Serra de Tramuntana.
  6. Der Blick auf Sa Dragonera vom höchsten Punkt der gestrigen Wanderung war so umwerfend, dass auch dies meinen Wunsch bekräftigt hat, dort einen halben Tag zu verbringen.

Das Schicksal in Form eines unpünktlichen Busfahrers, unflexibler Bootstourenanbieter und strenger Zugangsregeln haben dann dafür gesorgt, dass der halbe Tag auf zwei Stunden geschrumpft ist.  Also runter vom Boot, rein ins Wärter-Häuschen und gleich den ersten Ranger dort gefragt, wo ich denn die besten Chancen hätte, einige der seltenen Vogelarten zu sehen?

Nun gibt es hier genau drei Wege: Einen kurzen und flachen zum nördlichen Leuchtturm, einen etwas längeren und flachen zum südlichen Leuchtturm, und den steilen Weg zum höchsten Gipfel mit seinen 386 Metern. Ja, ihr habt richtig geraten: Die beste Stelle zur Vogelbeobachtung sei dort oben, kurz unter dem alten Leuchtturm Faro Vell auf dem Gipfel, erklärte mir der junge Mann.

Ich hab´s versucht und schaffte doch nur drei Viertel der Strecke. Dabei war der Weg nicht zu verfehlen mit wunderschönen Ausblicken und im unteren Teil noch dazu einem Meer gelber Blüten.

Blick vom Puig de Far Vell auf der Insel Sa Dragonera zur nordwestlichen Küste von Mallorca (Copyright 2017 Michael Simm)

Was die Tierwelt angeht, so wurden laut Ranger an diesem Tag Eleonorenfalken gesichtet, Korallenmöwen, Gelbschnabelsturmtaucher, Balearensturmtaucher, sowie Mittelmeermöwen und Kormorane. Gesehen habe ich davon ca. 5000 Mittelmeermöwen und zwei Kormorane – beides Arten, die es auch daheim gibt, und die in die Kategorie „nichts besonderes“ gehören.

Zum Trost gab es gefühlt eine Milliarde Baleareneidechsen am Boden. Sie wuseln hier überall auch in den Ritzen der Steinmauern, erklimmen sogar Blumen und kleine Sträucher. Vor allem aber scheinen sie Mutproben zu mögen. Alle paar Schritte gab es welche die austesten wollten, wer gerade noch so unter meinen Sohlen durchwitschen konnte, ohne zerquetscht zu werden. Keine Sorge: Ich habe keine einzige platt gemacht.

Zwar habe ich auf Sa Dragonera weniger gesehen als erhofft, dennoch würde ich diese Insel unbedingt empfehlen und werde auch selbst einen zweiten Anlauf machen, sollte ich mal wieder in die Gegend kommen.

Wieder zurück in Sant Elm futterte ich eine Pizza bei Tigy´s, der zwar ordentlich und relativ preiswert ist, aber nicht so gut, wie die 8,4 Punkte in meiner Foursquare-App mich hoffen ließen. Die nächste Enttäuschung bereitete mir dann das Wassertaxi nach Port d´Andraxt, mit dem ich um 16:00 zurück wollte. Im Gegensatz zu meinem Bus am Vormittag kam es nicht zu spät. Sondern gar nicht.

So fand ich mich 75 Minuten später im gleichen Bus wieder wie am Vortag und wäre mit Umsteigen in Andraxt eine Stunde darauf im Hostal gewesen. Unzufrieden mit der Ausbeute des heutige Tages – um nicht zu sagen trotzig – habe ich mir dann aber spontan überlegt, dass ich doch lieber nach Hause laufen wollte. Und zwar nicht entlang der Straße Ma-1, sondern über die Serra de Binjorella östlich davon, wo auf meiner Wanderkarte ein verheißungsvoller Weg eingezeichnet war.

Dumm nur, dass mein Einstieg für diesen Weg am südlich von Andraxt gelegenen Coll Andrixtol nur über die Ausfallstraße in Richtung Peguera zu erreichen war. So musste ich zunächst jenseits der Leitplanken durch den Müll stapfen, den Touris und Einheimische hier reichlich hinterlassen haben. Wie üblich gab es keine Hinweisschilder, und erst im dritten Anlauf begriff ich, dass da, wo „Coll“ steht auch eine Erhebung gemeint ist.

Falls Euch also ebenfalls der Hafer stechen sollte und ihr es mir nachtun wollt: Der Weg geht vom höchsten Punkt der Verbindungsstraße rechts ab, ist ziemlich breit mit Anfangs weißem Untergrund, und schlängelt sich dann den Hang hoch in Richtung mehrerer Sendemasten. Wenn man ganz oben vor der verschlossen Tür des Geländes steht, liegt ein schmaler Weg links weniger Meter unterhalb, der durch ein wenig Kraxelei zu erreichen ist.

Ab hier wird es richtig schön. Man sieht zunächst südlich in der Ferne das Cap Andritxol, gerät dann aber auf die andere Seite des Hügels und schaut in das Tal zwischen Andraxt und Port d´Andraxt. Verfehlen kann man den Weg jetzt eigentlich nicht mehr; im Zweifelsfall folgt man den Spuren, die einige Mountainbiker hier hinterlassen haben. Kurz vor Port d´Andraxt kommt man durch Obstgärten in Richtung Straße und an dieser entlang die letzten paar Hundert Meter ans Wasser.

Für mich war´s damit dann auch mehr als genug für heute. Die morgige Tour von Sant Elm über Sa Trappa bis zur Wanderherberge Ses Fontahelles wird lang und endet offenbar in einem Funkloch. Außerdem gibt es dort nichts zu essen. Deswegen werdet ihr wohl bestenfalls übermorgen wieder von mir hören, wenn ich von Ses Fontahelles nach Estellencs gelaufen bin und in die Zivilisation zurückkehre. 

GR 221 – 06. Port d´Andratx – Sant Elm

Der erste Tag meiner Wanderung auf dem GR 221 beginnt mit blauem Himmel, einer Idealtemperatur von 18 Grad und einem feudalen Frühstück in meiner Unterkunft, dem Hostal Catalina Vera. Da ich hier noch zwei Übernachtungen vor mir habe, kann ich einen Teil meines Gepäcks zurück lassen und laufe mit geschätzten fünf Kilogramm auf dem Buckel zum Wasser.

Freunde, die ohnehin schon über meine Planungswut lächeln, beglücke ich gleich mal mit der ersten logistischen Panne: Zwar habe ich mein Navigationsgerät Teasi One2 geladen und eingesteckt – nur leider fehlt die Landkarte für Spanien, ohne die ich mit den tollen GPS-Daten nichts anfangen kann. Ich erinnere ich mich, das Kartenmaterial daheim am PC herunter geladen zu haben. Dumm nur, dass ich es dann offenbar nicht auf mein Gerät überspielt habe…

Sei´s drum: Mit dem Teasi war ich ohnehin nie so richtig zufrieden, und an diesem Tag erweist sich mein Handy mit der App von Outdooractive als vollwertiger Ersatz. Irgendwo auf der Strecke verliere ich das Teasi dann auch noch – als ob ein grimmiger Wandergott mir sagen wollte: “Konzentriere Dich auf das Wesentliche.“

Tu ich ja auch. Laufe durch Port d´Andraxt auf die andere Seite der Bucht und suche den Einstieg in diese Fernwanderung. Laufe daran vorbei, und versuche, als ich den Fehler bemerke, quer durch den Ort den Wanderweg zu erreichen. Vergeblich. Anscheinend gibt es keine Durchgangsstraße, also geht es wieder zurück ans Wasser bis von dort die Straße Carrer de Aldea Blanca abzweigt. Meine Karte und der Wanderführer sagen übereinstimmend, dass er hier beginnt, der GR 221.

Zu meinem Ärger gibt es nicht den kleinsten Hinweis. Kein Schild, keine Markierung, geschweige denn eine große Übersichtstafel, wie man sie bei uns an jedem Waldparkplatz findet. Dafür, dass wir jetzt gleich ein Schutzgebiet betreten, das als UNESCO-Weltkulturerbe ausgezeichnet wurde, und dafür, dass die EU alleine in den Jahren 2015 – 2020 fette 61 Millionen Euro für die Entwicklung des ländlichen Raumes spendiert hat, finde ich das eine ganz schwache Leistung, meine lieben Mallorquiner!

Falls Ihr also irgendwann einmal an dieser Stelle stehen solltet: Lauft die Carrer de Aldea Blanca hinauf, folgt der zweiten Abzweigung Cami de Calat d´Egos nach links und aus dem Ort heraus, immer steil bergauf und gelegentlich die vielen Kehren des Fahrweges schneidend. Den Spuren nach zu urteilen, donnern hier auch häufiger Mountainbiker bergab – die jedoch entweder lebensmüde sind oder zu den fortgeschrittenen Anhängern dieses Sports gehören.

Oben erreichen wir ein Joch, das Coll des Vents und werden mit den ersten schönen Ausblicken belohnt. Ein recht breiter, teils bewaldeter Weg führt am Westhang des Puic d´en Ric entlang und man sieht bereits den Sendemast in der Nähe des Pas Vermell. Dort an der steilen Felswand zu stehen und auf die zackigen Bergrücken der „Dracheninsel“ Sa Dragonera  zu schauen, war für mich der Höhepunkt der heutigen Etappe.

Highlight der ersten Etappe: Die Dracheninsel Sa Dragonera, gesehen vom Pass Vernell [Copyright 2017 Michael Simm]
Ein wenig suchen musste ich an diesem Eck aber schon wie es weiter geht, und insbesondere, wo der Einstieg in den Abstieg ist. Wie bereits gesagt gibt es hier Null Wanderschilder, und die sporadisch auftretenden roten Punkte an manchen Felsen stammen nicht etwa von der hiesigen Verwaltung, sondern von den Anbietern verschiedener – oft geführter – Touren. Als zuverlässiger erwiesen sich im Rückblick die Steinmännchen am Wegesrand, auch wenn ich sie am Anfang eher für eine Spielerei, denn für Wegweiser gehalten habe.

Der Weg war gut begangen, aber nicht überlaufen. Die meisten Wanderer Deutsche und gefühlt doppelt so alt wie ich. Das dürfte auch erklären, dass mich heute keiner überholt hat, obwohl ich bei steilen Stellen ´ne ziemliche Schnecke bin.

Rund drei Stunden hat die Etappe mit ihren 400 Höhenmetern gedauert, 2:45 waren es ohne Pausen. Gemessen habe ich von der Carrer de Aldea Blanca in Port d´Andratx bis zur Bushaltestelle beim Strand von Sant Elm. Die Entfernung  habe ich sowohl mit meiner App Runtastic Pro auf dem Handy gemessen – da waren es 7,65 Kilometer – als auch mit meiner Fitnessuhr Vivoactive HR von Garmin. Die vermeldete einen ganzen Kilometer mehr, was mir falsch erscheint. Im Zweifelsfall solltet ihr vielleicht dem Müller Wanderführer Mallorca glauben, dort sind es 7,5 Kilometer.

Eigentlich ist für Wanderer ja der Weg das Ziel. Aber der Ankunftsort Sant Elm ist auch sehr reizvoll, und so war ich nicht undankbar, dass der Bus zurück erst um 17:10 ging und ich somit vier Stunden Zeit hatte. Der kleine Ort, den Erzherzog Ludwig Salvator einst als schönsten von ganz Mallorca lobte, hat sogar einen Sandstrand, was entlang der Nordseite der Insel eine wahre Rarität ist. Richtiger Badebetrieb herrschte aber noch nicht, es war Ende März und kaum einer traute sich ins Wasser.

Dafür sitzt man gut in einem der vielen Eiscafés, trinkt ein Bierchen oder freut sich an der guten Küche. Ich war sehr zufrieden mit Es Moli, wo ich ein hervorragendes dreigängiges Mittagsmenü für 15 Euro hatte – freundlichen Service inklusive. Heim gekommen bin ich dann mit dem Bus über Andraxt, wo ich umsteigen musste und die halbstündige Wartezeit noch mit einem Kaffee verkürzt habe.

Abends dann noch ein wenig arbeiten am Laptop und natürlich bloggen über den heutigen Tag. Gut, dass ich mir Zeit genommen habe für diese Tour. Bin schon gespannt auf morgen, wenn ich Sant Elm erneut besuchen werde (mit dem Bus) und von dort mit dem Boot die unbewohnte Insel Sa Dragomera besuche.