Sardinien – La Maddalena

Die Insel La Maddalena und der gleichnamige Nationalpark bilden den Schwerpunkt dieses Beitrages. Bis ich dort ankomme, bitte ich noch um einige Zeilen Geduld, dafür gibt es dann auch ein oder zwei kleinere Zugaben.

Den letzten Abschnitt meiner Reise habe ich in San Teodoro begonnen, wo ich an der Pescheria einen zweiten Anlauf zur Vogelbeobachtung gemacht habe. Im Gegensatz zum gestrigen Feiertag ist der Ort heute verlassen und ich finde einen kurzen, aber sehr schönen Rundwanderweg, den ich gestern übersehen hatte. Er führt abwechselnd ans Wasser der Lagune und durch die Machia, und ist auch mit diversen Hinweisschildern versehen. Das auffällige Gepiepe in der Nähe kommt laut meiner Bestimmungs-App „Merlin“ von Bienenfressern, doch leider bekomme ich diese farbenprächtigen Vögel einfach nicht zu sehen.

Nun geht es – wiederum inspiriert von einem Tourenvorschlag aus Baedekers „Sardinien“ – an die Nordküste. Auch hier liegt auf dem Weg weitgehend schöne Landschaft, und hinter dem Industrieort Tempio Pausania wird es sogar sehr schön. Die Isola Rossa ist – anders als der Name nahelegt – keine Insel, sondern ein Küstenort, umgeben von ziemlich rotem Gestein. Von der oberhalb laufenden Küstenstraße sieht Isola Rossa ein bisschen schöner aus, als mitten drin. Geschätzt die Hälfte der Läden ist geschlossen und es wird viel gebaut – aber sei´s drum. Ich nehme ein „Touristenmenü“ mit Blick aufs Wasser und bekomme die Primi und Secundi auf dem gleichen Teller serviert. Ein weiterer hervorragender Weißwein versöhnt mich mit dieser Schludrigkeit, und nachdem ich mir das erste Schloz-Eis dieser Reise gegönnt habe, geht es weiter zum Capo Testa.

Auf dieser Halbinsel gibt es fantastische Formationen von Granitfelsen, die man auf einigen kurzen Wegen umwandern kann. Dazu kommt der Blick auf das blaue Meer und einige kleine Buchten, deren glasklares Wasser in allerlei Farbtönen schillert. Wirklich schön, aber schon zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison für meinen Geschmack zu viele Leute.

Die restlichen 45 Minuten Fahrt bringen mich zu der Feriensiedlung „Costa Serena Village“, die mich mit ihren günstigen Preisen (2 Tage in einem Appartement mit Küche und Balkon für € 89) gelockt hat, und eine gute Ausgangslage für meine morgen geplante Exkursion aus die Insel La Maddalena bietet. Die Anlage ist ziemlich verlassen, die Restaurants und der Shop sind geschlossen, aber ich finde Trost im funktionierenden W-LAN.

Am nächsten Morgen verschiebe ich das Frühstück bis zu dem netten Örtchen Palau, das ich in nur wenigen Autominuten mit schönen Aussichten erreiche.  Wegen der benachbarten Hauptattraktion des Archipels und Nationalparks La Maddalena steht Palau nicht ganz so sehr im Rampenlicht. Ich finde ein nettes Kaffee, spaziere über den Markt, probiere ein paar Hüte aus, löse schnell und problemlos ein Ticket und fahre dann mit meinem Fiat 500 auf die Fähre. Für die einfache Fahrt, die kaum eine Viertelstunde dauert, kassiert man 18,50 Euro. Ich denke daran, dass einer der ersten Milliardäre der Reeder Onassis war, und vermute, dass man mit einem Fährbetrieb immer noch reich werden kann, wenn man sich erst einmal eine Verbindung gesichert hat.

Den Abstecher in die Stadt La Maddalena verschiebe ich auf später am Tag und fahre gleich weiter auf die durch einen 600 Meter langen Damm verbundene Isola Caprera. Hier hatte sich der alte Haudegen und italienische „Kriegsheld“ Giuseppe Garibaldi seinen Alterssitz genommen. Dessen illustre Geschichte und zahlreiche Errungenschaften mag man der Wikipedia oder dem Reiseführer entnehmen. Ich habe Garibaldis Museum schlicht links liegen gelassen und bin soweit nach Norden gefahren, wie die Straße es zuließ. Hauptsächlich bin ich nämlich wegen der Natur hier, im zweiten der drei Nationalparks Sardiniens, die ich besuche.

Hier gibt es zahlreiche, relativ kurze Wanderwege, die zu kleinen Buchten führen oder auf die nahe liegenden Hügel, von wo man die fantastische Inselwelt inmitten des blauen Meeres bestaunen kann. Ich gebe zu, dass ich schon auf der ganzen Reise sehr angenehm überrascht bin, von den offenbar sehr sauberen Gewässern hier. Aber als ich die Cala Crucitta erreiche, bin ich von deren Schönheit wirklich begeistert.

Das kommt sofort auf Facebook.  Und da ich den Strand für mich habe, und mir einfach danach ist, mache ich mich nackig und steige ins kalte Wasser. Na ja. Ganz so kalt ist es auch wieder nicht, weil das Wasser an diesen kleinen flachen Buchten sich schneller erwärmt, als an den langen Sandstränden am offenen Meer . Jedenfalls war das eine tolle Erfrischung und ich wieder einmal froh, die richtige Jahreszeit gewählt zu haben. Beim Wiederaufstieg zum Auto hätte ich bei 30 Grad Hitze oder mehr sicher enorm gelitten. 

Vor der Rückfahrt mit der Fähre werfe ich dann noch ein kurzer Blick auf La Maddalena selbst – eine weitere von vielen schönen Städten auf Sardinien. In einer angesagten Bar („Vitello“) bestelle ich ein unfiltriertes Bier, bekomme aber ein Normales. Ich will nicht kleinlich sein, trinke ein paar Schlucke, und bekomme dann vom Wirt ohne weiteres Zutun die Flasche ausgetauscht. Grazie mille. Eine nette Geste, am Ende eines weiteren schönen Tages auf der Insel, mit Sonne, Wasser und tollen Aussichten. 

Auf der Heimfahrt kaufe ich in einem Supermarkt noch ein bisschen Proviant für den Abend, fahre zu meiner Ferienanlage und sehe dort zu meiner Freude ca. 60 Bienenfresser auf einer Stromleitung sitzen. Nun habe ich die also auch gesehen, und nicht nur gehört, wodurch ich auf 56 Arten in Sardinien komme. Eine ziemlich gute Bilanz für neun Tage, finde ich. 

Nach einer letzten Übernachtung verläuft die Rückfahrt zum Flughafen genauso reibungslos, wie die ganze Reise. Da ich den Tank nicht ganz leergefahren habe, und ermahnt wurde, entweder Voll oder Leer zurückzugeben, tanke ich nochmals für € 1,87 / Liter bleifreien Sprit. Der Preis ist also ähnlich hoch wie daheim. Die Rückgabe des Autos erfolgt ganz nah am Terminal und geht blitzschnell. Der Flug mit EasyJet zum Euro-Airport nach Basel hat zwar gut 20 Minuten Verspätung und ich zahle mit € 80 das Vierfache des Hinfluges.  Aber die Crew ist gut gelaunt und mit dem Sitzplatz habe ich auch wieder Glück, denn ich habe auf den Vorab-Kauf verzichtet, und trotzdem einen am Fenster gekriegt. Von oben sehe ich nochmals die ultramarin- und türkisblauen Farben des Wassers, und – schwupp sind wir über den Wolken. 

Trotz der Verspätung erreiche ich am Flughafen in Basel punktgenau den Verbindungsbus zum Bahnhof, alle anderen Reisenden hinter mir lassend. Möglich machen dies mein kleines Gepäck und mein hohes Tempo. Und wieder einmal frage ich mich, wie all diese Trödler und Im-Weg-Rumsteher es schaffen, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Dass ich schon fast wieder in Deutschland bin, merke ich am Schweizer Bahnhof in Basel. Dort zeigt die Anzeigetafel nämlich an, dass sämtliche Intercitys in Richtung Deutschland ausgefallen sind. Ich bin nicht überrascht.

Als Alternative wird ein Umweg mit der S-Bahn empfohlen, doch zum Glück gibt es da diesen freundlich-kompetenten Beamten der Schweizer Bundesbahn. Der verrät mir, dass ich auch den nebenan stehenden Regionalzug der Deutschen Bahn nach Basel Badischer Bahnhof nehmen könnte, und dann dort umsteigen, wodurch ich keine Extrakosten durch die Schweizer Straßenbahn hätte. Guter Mann. Wäre ich nicht so flott aus dem Flughafen gekommen, so hätte ich diesen Anschluss wohl verpasst. So hocke ich ´drin bis Freiburg, steige noch einmal um, und bin am Nachmittag zurück in Offenburg.

Kurzbilanz der Reise: Alles richtig gemacht, die Zeit optimal genutzt mit vergleichsweise wenig Geld. In der Vorsaison ist Sardinien eine absolute Empfehlung. Und wenn ich wieder einen Schnäppchenflug erwische, komme ich vielleicht sogar im Spätherbst wieder – wenn das Wasser noch warm ist und die meisten Touris wieder weg sind.

Sardinien – Cagliari

Am Morgen nach der Anreise mit dem Billigflieger ziehen ich den Vorhang zur Seite und erblicke einen strahlend blauen Himmel, an dem Möwen und Mauersegler kreisen. Etwa 36 Stunden habe ich eingeplant, um Cagliari zu erkunden, die Hauptstadt Sardiniens. Von Google Maps lasse ich mich zu einem Café und Frühstücksrestaurant hinter dem Häuserblock meines coolen Appartements („Spacebility„) lotsen. Das Caffé dell´Arte erweis sich als Volltreffer, mit einem freundlichen Kellner/Barista, der einen hervorragenden Cappuchino serviert, dazu ein frisch gepresster Orangensaft und ein paar pochierte Eier auf Toast – natürlich mit Speck.

Die Einrichtung ist originell, mit verspielten Lampen, alten Kaffeeautomaten und einer Ecke, in der Hunderte von Schallplatten in den Regalen stehen, und die als „Music Hall“ ausgeschildert ist. Mit nur leichtem Gepäck suche ich mir einen Bus – wieder mithilfe von Google Maps – und lasse mich in die Nähe des Naturparks Molentargius chauffieren. Dazu müsst Ihr wissen, dass eine meiner Leidenschaften die Vogelbeobachtung („Birding“) ist, und daher dieser Hotspot für mich vor allen anderen Sehenswürdigkeiten Cagliaris kam. Laut eBird, der besten Quelle für Birder, sind die Salinen der beste Hotspot unter den 131 der Insel. Von den 257 Arten, die man bislang auf Sardinien insgesamt gesehen hat, wurden 155 hier beobachtet. 

Derart motiviert entschließe ich mich an einer Übersichtstafel vor dem Naturschutzzentrum, die ca. 12 Kilometer einer zusammengesetzten großen Runde in Angriff zu nehmen. Dabei komme ich zwar vom Weg ab, sodass es am Schluss nur 6 Kilometer werden, jedoch sehe ich trotzdem 25 Arten, darunter mehr als 100 Rosa Flamingos und erstmals in meinem Leben Mönchssittiche, die ebenso wie die Halsbandsittiche ursprünglich aus Südamerika kommen und sich nun fern der Heimat ausbreiten.

Obwohl die Temperatur wohl kaum 25 Grad hat, knallt die Sonne ganz schön kräftig herunter. Cagliari soll ohnehin der wärmste Ort der Insel sein, und ich bin froh, dass ich nicht im Hochsommer da bin. Den Heimweg lasse ich mir wieder von Google Maps zeigen, und genehmige mir unterwegs am schönen, langen, breiten und sauberen Stadtstrand Spiaggia del Poetto ein Bier in einer Strandbar.

Am Abend suche ich ein Restaurant mit typisch sardischer Küche und finde auch mit dem „Ammentos“ unweit eine Wirtschaft, die dafür noch halbswegs günstige Preise aufruft. Als erster Gast des Abends kann ich zusehen, wie der Laden sich bis zum letzten Tisch füllt, und obwohl ich mal wieder der einzige Single bin, macht mir das fast nichts aus. Mit meiner Menuwahl bin ich nicht ganz glücklich, das Lamm hatte ich mir irgendwie weniger zerhackt und knochig vorgestellt, aber wahrscheinlich gehörte das so. 

Tags darauf mache mich auf, um am Vormittag noch ein wenig Cagliari zu erkunden. Weil mir die Gepäckaufbewahrung mit 10 Euro zu teuer ist, gehe ich mit Rucksack am Hafen entlang unter den schönen Arkaden prächtiger Häuser, dann bergauf zur Altstadt in der ehemaligen Zitadelle. Hier durften die Einheimischen unter der spanischen Herrschaft bei Todesstrafe nicht ´rein und wurden für den Versuch mit einem Wurf von den hohen Mauern bestraft. Ich bin zum Glück nur durch meinen Rucksack bestraft, mit dem ich mich ungezählte Stufen zur Bastione de San Remy hocharbeite, einem der wenigen Eingänge zur Zitadelle.

Den Blick von hier oben muss man nicht unbedingt schön nennen, aber immerhin liegt der Großraum Cagliari mit dem Hafen und der angrenzenden Bucht mir zu Füßen. Etwas flacher, ab immer noch bergauf, geht es zur Kathedrale Santa Maria. Deren Anfänge gehen bis ins 13 Jahrhundert zurück, aber natürlich wurde sie seitdem -zig Mal umgestaltet. Als typischer Mitteleuropäer hat man in meinem Alter vermutlich schon genug Kirchen gesehen – mir fällt es jedenfalls immer schwerer, mich für die künstlerischen Ausdrücke religiöser Gefühle und Machtansprüche zu begeistern. Bemerkenswert finde ich aber doch die Krypta unter dem Altar, in deren Nischen die Überreste von 200 sardinischen Märtyrern aufbewahrt werden.

Ich habe mich mehr für das Archäologische Nationalmuseum interessiert, das nur wenige Hundert Meter entfernt liegt. Dort werden nämlich u.a. jede Menge Relikte der bronzezeitlichen Nuraghenkultur ausgestellt, und ich finde es faszinierend, welche Kunstwerke diese Menschen vor 3500 Jahren geschaffen haben. Neben der fast schon üblichen Sammlung von Pfeil- und Speerspitzen, Schalen, Töpfen und anderer Keramik sind es die kleinen Bronzefiguren, die es mir angetan haben. Irgendwie haben diese Männekens (Frauen sind auch dabei) zwar stets die gleichen Gesichtszüge, sie scheinen aber unterschiedlichen Klassen bzw. Berufen anzugehören und machen die Ausstellung dadurch für mich sehr lebendig. Außerdem habe ich mir für diese Reise ja auch vorgenommen, das einzige Weltkulturerbe Sardiniens zu besuchen, und dies ist nun einmal eine exemplarische Ansammlung von Wehrtürmen und Hütten aus der Nuraghenkultur bei Barumini.

Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass ich mich auf den Weg machen sollte. Und da ich ausnahmsweise für diesen Trip (noch) kein Mietauto genommen habe, verlasse ich mich auf das Netz von Regionalbussen, um mit ein Mal umsteigen nach Barumini zu kommen.

Fast hätte ich den Bus verpasst, weil ich in einem Feinkostladen als Proviant noch schnell ein Panini bestellt habe, ohne damit zu rechnen, dass die Lady hinterm Tresen daraus ein enorm zeitaufwändiges Kunstwerk machen wollte. Nachdem wir uns über den Belag verständigt hatten, galt es zuerst die Art des Brötchens auszuwählen. Dann wurde der Schinken beschnüffelt und für „bene“ befunden, in hauchdünne Scheiben geschnitten, gewogen, als zu leicht beurteilt, erneut geschnitten und schließlich die 70 Gramm zur Seite gelegt. Dazwischen verschwindet die Verkäuferin in einem Hinterraum, kommt wieder ´raus, bedient „geschwind“ eine andere Kundin, und kehrt zu mir zurück. Das gleiche, was sie mit dem Schinken getan hat, muss nun auch für den Mozarella erfolgen: Beschnüffeln, „bene“ finden, ein paar Scheiben schneiden, wiegen, noch ein paar Scheiben schneiden – und zur Seite legen. (Noch 10 Minuten, bis der Bus fährt). Jetzt erhält das aufgeschnittene Brot ein paar Spritzer Olivenöl – „bene“. Zwei kleine Tomaten müssen noch drauf, aber erst noch schneiden, und davor noch die Butzen entfernen. Soooo. Jetzt. (NOCH 6 MINUTEN). Es wird belegt, das Werk geht seiner Vollendung zu zu. Papierservietten müssen noch außenrum, aber die heften aneinander und sind nur mühsam, sorgfältig, immer mit der Ruhe, auseinander zu kriegen. Puh. Geschafft. (NOCH 4 MINUTEN). Und jetzt der Spoiler: In den letzten 3 Minuten hat Madame es tatsächlich hingekriegt, mein Panini in eine Papiertüte zu tun, zuzukleben, 6,37 Euro zu berechnen, und auf 20 Euro rauszugeben.

… und so habe ich den Bus doch noch erreicht – und bin nun endlich auf dem Weg nach Barumini, zum Su Nuraxi.