Ok, ich gebe es zu. Ich hatte ´mal wieder einen Rückfall. Eigentlich wollte ich nämlich erst mal keine neuen Weine mehr kaufen. Wegen der miesen Geschäftslage, der stagnierenden Wirtschaft und weil mein Geld ja eigentlich gebraucht wird, um die Not leidenden Banken zu unterstützen. Aber dann habe ich mir gedacht: Wer weiß, ob es nächstes Jahr noch Wein zu kaufen gibt? Und außerdem: Das Leben ist zu kurz für schlechten Wein und billigen Whisky. Wahrscheinlich ist das Geld in einigen Kisten Großer Gewächse ohnehin besser angelegt als bei 0,5 Prozent Zinsen auf dem Festgeldkonto. Kurzum: Wenn es um Ausreden geht, Wein zu kaufen, fällt mir immer ´was ein.
Also habe ich mich wieder zu einer Einkaufstour hinreißen lassen von der neuesten Ausgabe des Gault-Millau WeinGuide Deutschland und von meinem Lieblings-Weinhändler Pinard de Picard. Während der knapp 900 Seiten starke Schmöker längst zur Bibel für Weinfreunde geworden ist, sind die Geschäftsführer von Pinard de Picard zu Hohepriestern des Genusses aufgestiegen. Mit ihren Lobgesängen auf edle Tropfen und eigensinnige Winzer sorgen Tino Seiwert, Martin Lehnen und Ralf Zimmermann bei mir für feuchte Augen und zerballern ein ums andere Mal meinen Vorsatz, erst dann wieder einzukaufen, wenn die Vorräte zu Neige gehen.
Hier eine kleine Kostprobe zum „Schloßböckelheimer Felsenberg“, einem Großen Gewächs von Tim Schäfer-Fröhlich, der wiederum von GaultMilleau gerade zum „Winzer des Jahres“ gekürt wurde.: „Bei aller inneren Dichte und Urgewalt halten eine gebirgsquellklare Frucht (zurzeit dominieren gelbe Steinfrüchte), eine – noch beißende –, salzige, irre Mineralität und eine kristalline Frische diesen famosen Riesling in einem unsichtbaren Gravitationsfeld fest wie die Sonne ihre Planeten. Das ist urwüchsige Kraft ohne Schwere, laserstrahlartig gebündelte Energie! Aber auch eine lustvolle Opulenz! Und welch kühle Frische, die zärtlich die Zunge ummantelt, eingebettet in eine cremige, saftige Textur…“
Mann. Auch ich liebe Rieslinge, aber so rede ich ja nicht einmal über meine Freundin 😉
Jedenfalls schien es mir wieder einmal höchste Zeit, Vorsorge zu treffen für die langen Winterabende und um meine Freunde nicht zu enttäuschen, die immer gerne zu Besuch kommen. Außerdem brauche ich Wein für die Kochabende mit meinen Männerfreunden, damit ich trotz meines mangelnden Talents am Herd dabei sein darf. Wein kann ein abendfüllendes Gesprächsthema sein. Weinproben erweitern den Horizont, sei es beim Winzer oder wie in meiner Wahlheimat Offenburg in Form von Seminaren an der Volkshochschule (!). Und wenn ich selbst eingeladen bin macht es mir immer wieder großen Spaß, das Weltbild jener Leute ins Wanken zu bringen, die ernsthaft versichern einen gaaannz tollen Wein bei Lidl entdeckt zu haben – für € 2,99! Klar gibt es auch in Supermärkten tolle Weine und manchmal auch richtig günstige Angebote. Aber wer den hiesigen Winzern auch nur gelegentlich bei der Arbeit zuschaut, und wer sich ein wenig mit der Kunst des Weinbaus beschäftigt hat, kann doch nicht ernsthaft erwarten, für eine ordentliche Flasche weniger zu zahlen, als für ein Kilo Trauben auf dem Wochenmarkt oder für eine Dose „Red Bull“ an der Tankstelle.
„Aber das ist ja alles sooo kompliziert“, höre ich immer wieder als Antwort auf meine Versuche, anderen die Liebe zum Rebensaft zu vermitteln. Doch man muss ja nicht aus allem eine Wissenschaft machen. Ein gleichermaßen schönes wie hilfreiches Buch für Einsteiger ist zum Beispiel der „Weinkurs“ von Fiona Beckett. Das reich bebilderte Werk hilft, „Ihren“ Wein zu finden. Ob Frische oder Reife, Frucht oder Holz den Gaumen mehr erfreuen, kann man meist schon vor dem Öffnen der ersten Flasche erahnen. Im zweiten Schritt nutzt Beckett dann als Orientierungshilfe den Aromakreis, der sehr anschaulich darstellt, welche Geschmäcker und Gerüche im Wein vorkommen können und welche für die verschiedenen Rebsorten typisch sind. Ob Zitrus oder Feuerstein, Pfeffer, Honig oder Dutzende anderer Aromen – es hilft enorm zu wissen, was einem da womöglich alles in die Nase steigt.
Warum Wein so schmeckt wie er schmeckt, erläutert Beckett ebenso einleuchtend wie Fragen zur Auswahl im Restaurant, wie man seine Tröpfchen optimal lagert und stilvoll serviert, oder welcher Wein zu welchem Essen passt. Auf ihrer – englischsprachigen – Webseite „Matching Food and Wine“ bietet die britische Gastrokritikerin auch Hilfe bei Zweifelsfällen wie z.B. indischen Speisen, wo andere per Google gefundene „Experten“ mit ihren Statements nur Verwirrung stiften (Grauburgunder wäre richtig gewesen – wer hätte das gedacht?).
Noch einen weiteren Verbündeten im Kampf für mehr guten Geschmack möchte ich empfehlen: Kurt Gibel mit seiner genialen Fibel „Weine degustieren, leicht und spielend„. Hier lernt man die Kunst der Weinverkostung statt mit grauer Theorie vor allem anhand sinnlicher Zeichnungen auf den ausklappbaren Buchdeckeln. Sie leiten an, der Reihe nach Eigenschaften wie Transparenz und Oberfläche, Farbe und Intensität sowie natürlich den ganzen Strauß von Aromen zu erkunden. Auch wenn Sie gestern noch sprachlos ins Glas geschaut haben, werden Sie sich wundern, wie schnell man sich ein Urteil über Harmonie und Charakter eines Weines bilden kann. Und zu Weihnachten – das wäre meine Hoffnung – werden Sie dann selbst schon ein paar Flaschen auf den Tisch stellen, den Korken ziehen, das Glas füllen und seelig-besinnlich Ingwer-, Zimt- oder Muskatdüfte orten in dem körperreichen, aber harmonischen Roten der da den Gaumen umschmeichelt…
P.S.: Wer wissen will, was ich denn nun eigentlich eingekauft habe, und welche Weine und Winzer ich besonders empfehlen kann, muss sich noch ein wenig gedulden. Vorab und exklusiv habe ich darüber per Rundmail zunächst meine Freunde informiert, in der Hoffnung, dass auch die sich einige der feinen Tropfen in den Keller legen (und mir bei meinem nächsten Besuch servieren). Wäre ja auch zu blöd, wenn meine Predigt am Ende dazu führt, dass meine liebsten Winzer ausverkauft sind, bevor mein Eigenbedarf gedeckt ist 😉