Wem nutzt der Euro?

„Alle Experten sind sich einig, dass Deutschland am meisten vom Euro profitiert“, erklärte kürzlich eine Freundin im Brustton der Überzeugung. Die Dame ist sozial engagiert und stolz auf ihr politisches Engagement und sie ist – natürlich – eine gute Europäerin. Aber in der Sache liegt sie falsch. Und weil die „Deutschland-profitiert-vom-Euro-am-meisten-Mär“ noch immer von so vielen Menschen geglaubt wird, und weil diese Leichtgläubgkeit mich erschreckt und den Nährboden bereitet für die Fortsetzung einer von Grund auf falschen Politik habe ich hier einige Fakten zusammen getragen.

These 1: Der Euro bringt uns Wohlstand

Volkes Stimme zum Euro, hier auf einem Faschingsumzug in Ichenheim

Wohlstand messe ich daran, wie viel ich mir leisten kann. Das hängt ab von Einkommen, Steuern und der Kaufkraft, also dem Gegenwert den ich für eine Stunde Arbeit bekomme. Tatsache ist, dass die Löhne der Arbeitnehmer in Deutschland in den zehn Jahren seit Einführung des Euro nicht etwa gewachsen sind, sondern geschrumpft. Dies ist das Ergebnis einer Auswertung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, veröffentlicht vor wenigen Tagen, und von der Financial Times folgendermaßen zusammen gefasst: „Im Durchschnitt aller Beschäftigten gingen die Nettogehälter preisbereinigt um 2,5 Prozent zurück.“ Besonders betroffen sind die untersten Lohngruppen mit Einkommensverlusten zwischen 10 und 22 Prozent, aber selbst die Beschäftigten in der höchsten Einkommensgruppe hatten am Ende nur knapp ein Prozent mehr zu verbuchen. „Die Wirtschaft“ sei seit der Jahrtausendwende ordentlich gewachsen, zitiert die Zeitung den DIW-Experten Markus Grabka. Doch bei den meisten Erwerbstätigen sei davon nichts angekommen.

These 2: Die Wirtschaft profitiert vom Euro

Die Wirtschaft ist also gewachsen? Schön für „Die Wirtschaft“. Aber wer ist überhaupt „Die Wirtschaft“? Zum Glück haben sich 50 Profiteure des Euros gerade in ganzseitigen Zeitungsanzeigen geoutet. Unter der Überschrift „Der Euro ist notwendig“ haben die Vorstandsvorsitzenden deutscher Großkonzerne wie Siemens und BASF, Daimler und BMW allen Ernstes behauptet, es gebe keine Alternative zur Gemeinschaftswährung. Gemeinsam hätten sie mit ihren fünf Millionen Angestellten einen Umsatz von 1,5 Billionen Euro (=1500 Milliarden) erwirtschaftet. Leider haben die Firmenbosse ihren Arbeitern aber von den Profiten nichts abgegeben (s.o.)

Schlimmer noch ist, dass die Waren, die so ins Ausland fließen, am Ende vom deutschen Steuerzahler subventioniert werden. Und so funktioniert dieses Schneeballsystem: Die Herren Papadopoulos, Soares und O´Reilly bestellen sich mit einem Kredit der Deutschen Bank einen BMW, einen Mercedes und einen Audi. Die Bank bezahlt den Autohersteller und verdient kräftig an ihren Mittlerdiensten, denn Papadopoulos, Soares und O´Reilly zahlen Zinsen, die sie sich ebenfalls irgendwo geliehen haben, von Leuten, die sich das Geld geleihen haben, von Leuten, die sich das Geld geliehen haben…

Das geht solange gut, bis am Ende der Kette jemand misstrauisch wird und Geld sehen will. Nun platzt die Blase, jedoch müssen nicht etwa die Deutsche Bank und die anderen Kreditgeber für ihren Leichtsinn gerade stehen, sondern wir alle bezahlen nun für die geplatzten Kredite. Mit höheren Steuern, geringeren Renten, höheren Zinsen und Inflation. Und weil wir gerade dabei sind, ersetzen wir auch gleich noch die Verluste der BNP Paribas, während die Gewinne aus den verkauften (verschenkten?) Renaults, Peugeots und Citroens natürlich bei den französischen Autobauern hängen bleiben. Das ist in der Tat ein gutes Geschäft für „Die Wirtschaft“.

These 3: Der Euro beflügelt den Handel innerhalb der Gemeinschaft

Fakt ist: Der Anteil unserer Exporte in andere Euro-Länder ist binnen zehn Jahren um ein Achtel (12,5 %) gesunken. Die Ausfuhren in Nicht-Euro-Länder betragen heute 59 Prozent, vor Einführung der Weichwährung waren es 51 Prozent.

Was bei den Löhnen der Gehaltszettel ist für die Wirtschaftsleistung das Bruttoinlandsprodukt. Besonders erhellend sind – hier wie dort – Vergleiche mit den Nachbarn. Während in den 17 Staaten des Euroraumes von 1999 bis 2010 das Bruttoinlandsprodukt um durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr gewachsen ist, waren es in Deutschland nur 1,2 Prozent pro Jahr. Lediglich Italien wuchs noch langsamer. Abgehängt wurden wir z.B. von Irland (3,9 %), Griechenland (2,7%), Spanien (2,6 %), den Niederlanden (1,9 %) und Frankreich (1,5 %), wie diese Grafik in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung belegt. Aus der Grafik lässt sich auch ablesen, warum die anderen Euro-Länder diesen Verein so toll finden: Ihr Wachstum hat sich gegenüber dem Zeitraum 1990 bis 1998 verdoppelt. Unser Wachstum hat sich halbiert. Kräftige 2,4 Prozent pro Jahr waren es in Deutschland vor der Einführung des Euro, schlappe 1,2 Prozent nach Einführung des Euro.

Immer wieder lohnend ist auch ein Blick auf die Schweiz und Norwegen, Großbritannien und Dänemark. Sie alle haben ihre nationalen Währungen behalten, obwohl auch dort die Eurofreunde stets den wirtschaftlichen Niedergang prophezeit hatten, sollte man sich nicht an der Gemeinschaftswährung beteiligen. Bei einem weiteren Blick auf die Grafik erkennt man aber unter dem Strich, dass diese Länder (mit Ausnahme Dänemarks) einen regelrechten Höhenflug hingelegt haben: 2,5 Prozent Wachstum pro Jahr im Schnitt für Schweden sind mehr als doppelt so viel wie in Deutschland und auch mit ihren jeweils 1,8 Prozent übertreffen uns Briten und Schweizer bei weitem.

These 3: Ich muss kein Geld mehr tauschen

Das stimmt. Nutzt aber nichts, wenn man mit seinem Geld weniger kaufen kann. Vorbei sind die Zeiten, als man mit einer starken D-Mark in der Tasche Jahr für Jahr billiger nach Griechenland oder Portugal, Italien, Spanien oder Frankreich in den Urlaub reiste. Wer es nicht selbst erlebt hat, möge seine Eltern fragen. Und wer den Gegentest machen will, fährt in die Schweiz oder nach Norwegen. Dass der Urlaub teurer wird ist schlimm genug, doch auch daheim treffen uns die Kosten einer weichen Währung in Form verminderter Kaufkraft für alle Produkte von außerhalb der Eurozone. Dazu gehören neben Kleidung und Elektronik aus Asien das Benzin für unsere Autos, Gas und Öl für unsere Heizungen. Der nächste lange Winter kommt bestimmt, aber die Erinnerung, wie es vor der Einführung des Euro war, wird mich wohl kaum erwärmen.

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