Prähistorisches

Ich kann mich zwar nicht erinnern, aber die Wissenschaft sagt, dass ich einmal Teil einer Singularität war. Das ist ein unvorstellbar kleiner Punkt mit extremsten physikalischen Bedingungen. Vor etwa 14 Milliarden Jahren gab es dann einen großen Knall – den Big Bang – aus dem buchstäblich alles hervorgegangen ist. Mit „alles“ meine ich das ganze Universum, jede noch so entfernte Galaxie, unsere Milchstraße, das Sonnensystem, die Erde, Luft und Wasser, und sämtliche Lebewesen darauf, unser aller Vorfahren, meine Familie – und ich.

Ich mag diese Perspektive, denn sie tröstet mich über die kleinliche Denke vieler Zeitgenossen hinweg, die sich für etwas Besseres halten. Gemeint sind die Anhänger radikaler Religionen und Parteien oder sonstiger ideologisch-verbohrter und intoleranter Weltanschauungen. Man mag ihnen zugute halten, dass die Denkweise „wir gegen die“ Teil unserer Natur ist. Überlebt hat in Zeiten der Knappheit halt nur, wer sich durchsetzte – und im Zweifel bedeutete das, die anderen erst zu entmenschlichen und dann tot zu schlagen. Dieses biologische Erbe schleppen wir nun mit uns herum. Und es äußert sich nicht nur in Fremdenhass und Rassismus, sondern ebenso im rechts-links-denken von Politikern und Wählern, die sich natürlich jeweils für die Guten halten.

Entschuldigt die Abschweifung. Jedenfalls stamme ich wie alle anderen Menschen aus Afrika. Dort haben sich vor etwa 2,5 Millionen Jahren die ersten „modernen“ Menschen entwickelt – also jene, die zur Gattung „Homo“ gehören. Für die Ahnenforschung kann ich mich auf die Analysen der Firma 23andMe stützen, denen ich im Jahr 2013 eine Speichelprobe geschickt habe.

Das habe ich mit allen Menschen gemeinsam: Herkunft Afrika (aus einer Analyse der Firma 23andMe)

Aufschluss über die väterliche und mütterliche Linie geben die Haplogruppen – das sind Varianten einer Abfolge von Erbgutbausteinen auf dem väterlichen Y-Chromosom bzw. der nur von der Mutter vererbt Erbsubstanz in den Mitochondrien.

Mein ältester noch verfolgbarer männlicher Urahn lebte demnach vor ca. 275.000 Jahren in Ostafrika als einer von mehreren Tausend (Die Nachfahren der anderen sind ausgestorben). Mütterlicherseits geht es ebenfalls zurück nach Ostafrika bis vor mehr als 150.000 Jahren.

Vor 700.000 bis 200.000 lebte in ganz Afrika, dem größten Teil Europas und wahrscheinlich Asien der gemeinsame Vorfahr von Homo sapiens und Homo neanderthalensis –  der Homo heidelbergensis, der nach dem Fundort des berühmten Unterkiefers benannt ist.  

Seit kurzem weiß man, dass unsere Vorfahren sich teilweise auch mit den Neanderthalern durchmischt (sprich: geschnackselt) haben, und dass diese Durchmischung wohl vor 60.000 Jahren im Nahen Osten passiert ist, vor der Ausbreitung nach Europa. Auch dies hat Spuren in meiner DNA hinterlassen; mit 288 Varianten und knapp 4 % meiner Erbsubstanz liege ich sogar etwas über dem Durchschnitt.

Aus den Haplogruppen kann man nicht nur auf die Ursprünge schließen, sondern auch auf die Verzweigungen im Stammbaum. Mein väterlicher Haplotyp ist I1-M253. I1 findet sich fast ausschließlich in Europa, und dort bei 20 % der Bevölkerung.

Die Ankunft meines „Mega-Urgroßvaters“ in Europa war wohl vor 45.000 – 30.000 Jahren. Bald danach wurden die Ahnen in meiner väterlichen Linien von einer vorrückenden Eiszeit in den Süden und auf den Balkan gedrängt und breiteten sich vor 12.000 bis 15.000 Jahren mit dem Ende der Eiszeit wieder Richtung Norden aus.

Mein Haplotyp I1-M253 findet sich heute am häufigsten bei dänischen und schwedischen Männern mit bis zu 33 %, sowie in Deutschland, England und den Niederlanden mit ca. 15 %. Beim Stammbaumprojekt Geni finde ich Infos zu weiteren berühmten Männern mit meinem Haplotyp: Birger Margusson (schwedischer König und Gründer von Stockholm), Leo Tolstoy, Warren Buffet, Calvin Coolige und Andrew Jackson (US-Präsidenten).

Von der mütterlichen Seite habe ich den Haplotyp H1a1 in die Wiege gelegt bekommen. Dabei haben alle Menschen mit H1a den gleichen weiblichen Vorfahren. Sie lebte wohl vor 5000 – 7000 Jahren in Westeuropa. Die Abspaltung von H1a1 geschah vor ca. 4000 Jahren – das entspricht 160 Generationen.