Welterbe 02 – Kloster Maulbronn

Hintergrund: Im Mai habe ich mir ein Deutschlandticket gekauft, und bin nun unterwegs, um in diesem Sommer auf meiner großen Tour sämtliche einheimischen Welterbe-Stätten zu besuchen.

Die Distanz zwischen den beiden Welterbe-Stätten Baden-Baden und Kloster Maulbronn beträgt mit dem Auto etwa 72 Kilometer. Mit dem Deutschlandticket kommt man über Karlsruhe und Pforzheim ans Ziel und sollte dafür ca. 2 Stunden einplanen. Dabei ist mir aufgefallen, dass es keine (einfache) Möglichkeit gibt, die Entfernungen zu ermitteln, die man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegt. Sie stehen weder direkt bei der Routenplanung mit Google Maps, noch sind sie der Reiseauskunft der Deutschen Bahn zu entnehmen.

Wer es trotzdem wissen will, muss seine Befindlichkeiten wegen Datenschutz und Privatsphäre über Bord werfen, sich bei Google ein Konto anschaffen und auf dem Handy die Standortermittlung dauerhaft aktivieren. Ab diesem Zeitpunkt kann man über die Google Maps Zeitachse nachschauen, wo man war, wie lange unterwegs, mit welchem Verkehrsmittel – und eben auch die Distanz zwischen diesen Punkten. Zwar haben auch diese Routen gelegentlich Lücken und Ausreißer, aber das ist meines Wissens das Beste, was man kriegen kann. Sogar eine monatliche Zusammenfassung der besuchten Städte und Länder bekommt man auf Wunsch per Mail geschickt, was für Datenfreaks und Statistikfans wie mich eine feine Sache ist. Aber eigentlich wollte ich Euch ja vom UNESCO Welterbe Kloster Maulbronn erzählen:

Gegründet im Jahr 1147 vom Orden der Zisterzienser-Mönche ist Maulbronn heute „die am vollständigsten erhaltene Klosteranlage des Mittelalters nördlich der Alpen“.  In zeitlicher Reihenfolge gibt es hier Elemente der oberrheinischen Spätromanik, der frühgotischen Baukunst und der Spätgotik zu bewundern. Klingt vielleicht ein bisschen arg nach Volkshochschule, aber tatsächlich meint man in dieser ziemlich großen Anlage den Hauch der Geschichte spüren. Die Glanzstücke sind der womöglich aufwendigste noch erhaltene Speisesaal des 13. Jahrhunderts, das Brunnenhaus mit schönen Steinmetzarbeiten und die vielen erhaltenen (bzw. rekonstruierten) Deckengemälde.

Lange nach der Reformation wurde Maulbronn in eine evangelische Klosterschule umgewandelt, die noch heute besteht. Der sicherlich berühmteste Schüler war Hermann Hesse, der 1891 aufgenommen wurde, jedoch schon ein Jahr später die Flucht ergriff. Der Junge hatte offensichtlich psychische Probleme, wie man hier sehr schön nachlesen kann. Später verarbeitete er seine Eindrücke mit der Erzählung „Unterm Rad„, schrieb mit „Siddhartha„, dem „Steppenwolf„, „Glasperlenspiel“ sowie „Narziß und Goldmund“ einige der bekanntesten deutschsprachigen Bücher, und bekam 1946 den Literatur-Nobelpreis. All dies und viele weitere Fakten, Mythen, Spekulationen und Anekdoten rund ums Kloster erfährt man für 12 € bei einer Führung – ein Zuschlag, der gegenüber den 9 € für den einfachen Eintritt gut angelegt ist.

Welterbe 01 – Baden-Baden

Hintergrund: Sechs Wochen bin ich jetzt schon unterwegs auf meiner großen Deutschland-Tour mit der Mission, sämtliche Welterbe-Stätten in Deutschland zu besuchen. Die Regel ist einfach: Ich reise so oft es geht mit dem Deutschlandticket und/oder dem Fahrrad und suche die kürzeste Verbindung zwischen den 51 Orten, die sich mit dem Titel „Welterbe“ schmücken dürfen (aktuelle Liste hier). Dieser „Ehrentitel“ wird von der UNESCO vergeben, einer Abteilung der Vereinten Nationen, die unter anderem für Wissenschaft und Kultur zuständig ist. Er ist an strenge Voraussetzungen geknüpft, sodass eine Art Bestenliste dessen entstanden ist, was die Menschheit bisher an Kultur hervorgebracht hat (plus mehreren einzigartigen Naturlandschaften). Viele berühmte und überlaufene Touristenattraktionen sucht man auf der Liste vergebens, dafür gibt es aber reihenweise unterschätzte Besonderheiten zu entdecken. Nun aber los – ich muss mich ´ranhalten, wenn ich die Liste in diesem Sommer schaffen will.

Start und Ziel meiner Tour ist meine Wahlheimat Offenburg, wo nicht nur Intercitys halten, sondern auch Regionalbahnen in alle Richtungen fahren. Die nächstgelegene Welterbe-Stätte ist keine 20 Kilometer entfernt: Straßburg mit seiner Alt- und Neustadt. Sehr schön, kenne ich schon, und liegt außerdem in Frankreich. So lasse ich die Nachbarn heute buchstäblich links liegen, obwohl ich mit dem Deutschlandticket auch dorthin fahren dürfte. Stattdessen geht es mit der Regionalbahn 2 in 30 Minuten zum Bahnhof, und mit einem Expressbus in weiteren 10 Minuten ins Zentrum des 38 Kilometer entfernten Baden-Baden. Die Stadt ist Teil des Welterbes „Bedeutende Kurstädte Europas“, zu denen in Deutschland noch Bad Ems und Bad Kissingen zählen, sowie 8 weitere Städte in 6 Ländern. 

Die Blütezeit dieser Städte lag zwischen 1700 und 1930. Hier – und in Baden-Baden ganz besonders – traf sich in den Sommermonaten die damalige Schickeria zum sehen und gesehen werden. Zu den Kuren, Bädern und Quellen, die schon die alten Römer nutzten, kamen Trinkhallen Promenaden und Gärten hinzu, auch ein Spielkasino und ein Theater, Villen, Hotels und Kliniken. Noch immer ist ein Spaziergang entlang der Lichtentaler Allee mit den gepflegten Anlagen und alten Bäumen Balsam für die Seele. Und wer mag kann im Museum Frieder Burda nebenan auch geistige Erbauung finden.

Eine ebenso schöne wie einfühlsame Gebrauchsanweisung für Baden-Baden gibt der Reiseautor Wolfgang Abel in Kapitel 19 seines Büchleins „Ortenau – Streifzüge zwischen Ried, Rebland und Schwarzwald„. Er rät, das Ganze mit einem Tee in Brenners Park Hotel zu starten, dem ersten Haus am Platz. Viel mehr werden die meisten sich dort auch nicht leisten können, aber die Atmosphäre ist halt doch kaum zu toppen. Andererseits: Die Törtchen im Café König sind auch nicht schlecht!

Wer gerne wandert hat ganz in der Nähe zwei Optionen, die beide mit dem Bus der Linie 214 gut erreichbar sind, und die jeweils an der Haltestelle „Wolfsschlucht“ beginnen. Route 1 führt an den Kletterfelsen des Battert vorbei zum Alten Schloss, der ehemaligen Burg Hohenbaden. Sie ist 7 Kilometer lang und dauert gut 2 Stunden. Route 2 beginnt auf der anderen Straßenseite und führt auf den Hausberg, den Merkur. Auch dieser Rundweg ist mit 2 Stunden und 6 Kilometern eher kurz, und wem selbst das noch zu viel ist, der kann zum Aufstieg auch die Merkurbahn am Stadtrand benutzen. Beide Tipps habe ich übrigens aus dem sehr empfehlenswerten Wanderführer Schwarzwald Mitte/Nord des Michael Müller Verlags.

Der perfekte Ausklang, ohne den ein Besuch in Baden-Baden nicht komplett wäre, ist das Friedrichsbad. Hier wird das Baden auf 16 Stationen im römisch-irischen Stil zwischen Marmor, Fayence-Kacheln und Jugendstil regelrecht zelebriert. Mitbringen braucht man: Nichts. Denn erstens ist das Bad textilfrei, und zweitens sind Badeschuhe, Tücher und der ganze Rest im Preis von 35 Euro enthalten. Mann und Frau genießen das strömende Wasser samt Ruhezonen und optionalen Massagen gemeinsam, geöffnet ist von 9:00 bis 22:00. Wellness und Genuss im Weltkulturerbe – das ist wirklich einen Besuch wert!

Sardinien – Su Nuraxi

Von Cagliari bin ich mit dem Bus nach Barumini gefahren – eine Strecke von 67 Kilometern, die mich inklusive Umsteigen € 4,90 und  2:40 Stunden  gekostet hat. Knapp die Hälfte dieser Zeit saß ich als einziger alter Sack unter lauter Schuljungen und -Mädchen, was sich irgendwie komisch angefühlt hat. Aber ich wollte ja „volksnah“ reisen, und die sardische Jugend hat sich anständig benommen – wenn man von den beiden Teenies neben mir absieht, die sich einen Sitz geteilt und die Freuden der lesbischen Liebe für meinen Geschmack ein bisschen zu aufdringlich vorexerziert haben 😉
 
Jedenfalls war der Bus pünktlich, und wie schon in der letzten Unterkunft bin ich auch heute wieder per Zahlencode in mein Hotel und Zimmer gekommen, der mir per WhatsApp zugeschickt wurde. Bei all dem Personalmangel, der in unserem Gastgewerbe beklagt wird, frage ich mich, warum man sich hier kein Vorbild nimmt.
 
Mein Hotel in Barumini war das „Diecizero„, ein umgebautes ehemaliges Kino. Das war zwar ganz originell, hatte aber eine eher unterdurchschnittliche Ausstattung und fühlte sich durch die schummrige Beleuchtung auch irgendwie puffig an. Egal. Der Preis war ok, und die Lage könnte zentraler nicht sein, mit Bar, Tabakladen und Bäckerei im gleichen Gebäude und der empfehlenswerten Pizzeria Su Pasiu nur 100 Meter entfernt. Es ist 14:15 und ich bin startklar um mein Hauptziel auf dieser Reise nach Sardinien zu erobern:
 
Zu Fuß geht es zum knapp einen Kilometer entfernten Weltkulturerbe der UNESCO, Su Nuraxi. Diese Wehranlage aus der Bronzezeit ist sowohl die größte als auch die berühmteste ihrer Art auf ganz Sardinien. Und da hier immerhin mehr als 7000 Wehrtürme (Nuraghen) in der Landschaft stehen, hat das schon etwas zu bedeuten. Entdeckt wurde Su Nuraxi erst 1949, als starke Regenfälle Teile der Anlage freisetzten. Es folgte eine 7-jährige Ausgrabungszeit, und die Rekonstruktion der Geschichte dieser Anlage. Entstanden etwa ab 1500 v. Ch. wurde hier über kaum vorstellbare 1000 weitere Jahre hinweg immer wieder nachgebessert, vergrößert und umgebaut.
 
„Aus Sicherheitsgründen“ ist Su Nuraxi nur im Rahmen einer ca. 40-minütigen Führung zugänglich, und dafür verlangt man 15 Euro. Die haben sich aber gelohnt für diesen lehrreichen Ausflug in die Prähistorie. Der Turm in der Mitte war einst 20 Meter hoch, hat jedoch sein drittes und oberstes Stockwerk verloren, sodass heute „nur noch“ 15 Meter übrig sind. Um den zentralen Turm liegen 4 weitere, und in einem äußeren Ring hatte man später nochmals 7 Türme erstellt, von denen aber nicht mehr viel übrig ist. All das wirkt vor Ort auch dank der (englischsprachigen) Führung noch weitaus eindrucksvoller, als in der Beschreibung. Für mich ist es weniger die Aussicht auf die Ebene, die beeindruckt, sondern die Konstruktion der Anlage aus Steinklötzen, die in einem nahe gelegenen Basaltvorkommen gebrochen und hierher geschafft wurden – vermutlich gezogen von Ochsen und menschlicher Muskelkraft.
 
Selbst mit Hilfe einiger Freunde hätte ich wohl keinen einzigen dieser Brocken bewegen können, schießt es mir durch den Kopf. Doch diese prähstorischen Menschen haben Reihe um Reihe emporgezogen, die Steine teilweise auch noch behauen und ohne Mörtel so stabil aufeinander getürmt, dass das Zentrum der Anlage 3500 Jahre relativ gut überdauert hat. Vor der Anlage liegen die Reste etlicher Steinhäuser, in denen einst nach Schätzungen ein paar Hundert bis zu 1000 Menschen lebten. Die durften wohl bei Gefahr ins Innere der Burgmauern flüchten, von wo man sich mit Pfeil und Bogen durch Schießscharten verteidigen konnte.
 
Der Zugang lag auf 7 Meter Höhe und erfolgte damals vermutlich über Strickleiter, die sich bei Angriffen einfach hochziehen ließen. Heute hat man ein paar Treppen davor gestellt und startet die Führung ins Innere von dem Loch in der Mauer. Damals wie heute ging man nicht über Leitern, sondern durch einen schmalen Gang mit steilen Steinstufen im Inneren der Burgmauer, bis man schließlich in den Hof kommt. Dort hatten die Nuraghen einen tiefen Brunnen ausgehoben und offenbar auch einen Wasserkult betrieben. Nichts Genaues weiß man nicht, denn die Bewohner waren zwar tolle Baumeister und haben auch einige schöne Bronzeskulpturen hinterlassen (die stehen in Cagliari im Archäologischen Nationalmuseum) – schreiben konnten sie aber nicht. Aber die Vorstellung, dass diese Menschen vor so langer Zeit durch die gleichen Gänge gekrabbelt sind und sich womöglich auf den gleichen Steinen abgestützt haben, wie unsere 5-köpfige Touri-Gruppe, ist schon prickelnd.
 
Wer mehr über den Steinhaufen wissen will, findet den offiziellen Eintrag (auf englisch) hier. Für mich hat sich der Besuch auf jeden Fall gelohnt – und zwar nicht nur, weil ich bei den „Most Traveled People“ auf meinen Listen ein weiteres Häkchen setzen durfte und nunmehr 69 Stätten des UNESCO-Welterbes gesehen habe.
 
Auf die Begeisterung folgt Ernüchterung, als ich für den morgigen Tag meine Fahrt nach Oristano planen will. Eigentlich kommt man mit dem Bus in 90 Minuten dort hin. Dumm nur, dass morgen Sonntag ist, und dass am Sonntag eben kein Bus geht. Das steht zwar auch in Google Maps klein und in Klammern dabei, doch habe ich diese Info blöderweise übersehen. Ich denke kurz darüber nach, mit meinem Rucksäckchen zum nächsten Bahnhof zu laufen – doch das wären entlang der Straße 29 Kilometer, und auf einem Wanderweg, den Komoot mir vorschlägt 35 – zu bewältigen in ca. 9 Stunden. Uber gibt´s hier auch nicht, und wenn ich die Taxikosten von vorgestern extrapoliere, würde mich das einen dreistelligen Betrag kosten. Auch die Möglichkeit, meine Megawanderung mit gelegentlichem Trampen abzukürzen, wird erwogen. Aber auch gleich wieder verworfen, denn ich will nicht abhängig sein von der Güte fremder Menschen und außerdem ist so etwas nicht planbar und viel zu unsicher.
 
Schließlich überwinde ich meinen Stolz und schicke eine WhatsApp an meine Vermieterin mit der Bitte um Rat. Und siehe da: Sie kennt jemanden aus dem Dorf, der mich für 40 Euro zum Bahnhof bringt. „Die Automiete für einen Tag wäre billiger gewesen“, grummle ich in einen Bart, nehme das Angebot dann aber doch dankbar an.
 
Der Tag geht ziemlich unbefriedigend zu Ende, denn ich finde zwar mit Su Pasiu eine offensichtlich gute Trattoria. Die ist an diesem Samstag aber so voll, dass ich keinen Platz mehr kriege, weil ohne Reservierung So verbringe ich die letzten drei Stunden des Tages mit Schreiben, buche noch ein Hotel in Oristano und finde mich damit ab, dass ich morgen den kompletten Vormittag verliere, weil ich zu dämlich war, einen Busfahrplan zu lesen…