Costa Rica Update 07 – Bananen und Baustellen

In Turrialba gibt´s ein Omelette zum Frühstück, dann einen Text für einen meiner Kunden – und los geht es mit frisch gewaschener Wäsche. Da ich mit kleiner Garderobe reise, ist das ca. 1 x / Woche nötig. Zum Glück wird dieser Service von praktisch jeder Unterkunft gerne übernommen – zu Preisen zwischen 4 und 10 Euro. Auch bei anderen Dienstleistungen kommt man in der Regel ganz gut weg. Der Stundenlohn liegt bei etwa 3 Euro, und wenn man sich auf den hiesigen Holperpisten einen Platten einfängt, repariert die nächste Werkstatt dies im Handumdrehen ebenfalls unter 10 Euro.

Schon nach ein paar Kilometern lege ich einen  Zwischenstopp in der Forschungseinrichtung CATIE ein, wo man Kulturpflanzen für Costa Rica und ganz Mittelamerika züchtet, verbessert und an Schädlinge und den Klimawandel anpasst. Das riesige Gelände schien aber ziemlich verwaist; und mir ist nicht ganz klar, ob dies die Folgen von Corona-Schutzmaßnahmen sind, Semesterferien, o.ä. Den angeschlossenen botanischen Garten spare ich mir und entdecke ganz alleine und ohne Eintritt zu zahlen ein Dutzend Vogelarten um einen größeren Teich auf dem Gelände.

Weiter geht es über recht ordentliche Straßen in Richtung Siquieres und dann auf die Hauptstraße nach Limon, die einige Kilometer landeinwärts an der Karibikküste nach Süden führt. Zum 4. Mal fahre hier nun entlang- und es ist immer noch der Horror! Dies ist das Eck, aus dem (zumindest der Großteil) unserer Bananen herkommt. Und das bedeutet, dass die Straße voll ist mit gewaltigen Lastern, die Container voller Bananen von den Plantagen beidseits der Straße zum Terminal bei Limon fahren. Das tun sie teilweise sehr gemächlich, und scheinbar stets darauf bedacht, sich nicht überholen zu lassen. Und damit die Geschwindigkeit nicht zu hoch wird, kriechen zwischendurch noch Tanklaster über das wellige Gelände, deren Motoren mit der Last offenbar überfordert sind – die dafür aber umso mehr Dieselruß ausstoßen. Links und rechts der Straße türmen sich fünf Stockwerke und höher die Container von Ciquita, Dole und anderen Firmen.

So quäle ich mich ca. 60 Kilometer durch den Dauerstau. Offenbar hatte man in Costa Rica kein Geld für den Ausbau der Straße – nun wird sie mit chinesischen Krediten zweispurig. Dies macht man aber nicht abschnittsweise, denn das wäre ja viel zu einfach! Vielmehr sehe ich heute und später bei der Fahrt nach Norden über eine Strecke von 150 Kilometern (!) zehntausende von Männern, die zwei neue Spuren legen, samt Brücken, Spreng- und Planierarbeiten, stets ordentlich mit gelben Helmen, langärmeligen Hemden und schwarzen Schutzmasken. Das hat natürlich zur Folge, dass auf der gesamten Strecke Baustellenverkehr herrscht, mit ein- und ausfahrenden Lastern, Baggern, Teermaschinen und dem kompletten Programm. Nennt mich vorwitzig – aber ich glaube, dies hätte man eventuell auch eleganter lösen können…

Kurz bevor mir der Kragen platzt sehe ich die ersten Wellen der Karibik, und es geht nach der Mündung des Rio Bananito rechts ab. Nach dem gleichnamigen Ort und 18 Kilometern auf einer ordentlichen Allradpiste inklusive Flußdurchquerung erreiche mein Ziel für heute: Die Selva Bananito Lodge.

Fortsetzung

Costa Rica Update 06 – Turrialba ohne Vulkan

Die Stadt Turrialba mit ihren knapp 30.000 Einwohnern ist recht sympathisch. Bei der gestrigen Ankunft sah ich die Leute hinter den Absperrungen im Park sitzen und vor der Eisdiele in der Schlange schwatzen – immer mit Abstand und Maske und Händewaschen, versteht sich. Für Touris ist die Gegend vor allem als Ausgangspunkt für Wildwassertouren auf dem Pacuare berühmt. Aber erstens bin ich ja kein Touri sondern ein Reisender, und zweitens ist die Saison hier ohnehin vorbei, der Fluß hat nicht mehr genug Wasser, um spannend zu sein, und außerdem gäbe es nicht genug weitere Interessenten, um ein Boot vollzukriegen.

Wie die meisten Städte Costa Ricas ist auch Turrialba keine Schönheit. Typisch ist das Grundmuster mit, im Schachbrettstil verlaufenden Straßen (Avenidas) und Gassen (Calles), die vom Zentrum aus in die verschiedenen Himmelsrichtungen durchnummeriert werden. Das Standardhaus hat einen Betonsockel, darüber Holz, und obendrauf Wellblech. Zum guten Ton gehört es leider auch, dies alles mit Gittern, hohen Zäunen und/oder Stacheldraht zu sichern. Ist wohl eine Art Statussymbol, wie mir ein Kenner der Szene erklärte. Denn weder gibt es hier viel zu klauen, noch ist Einbruchs- oder sonstige Kriminalität in Costa Rica ein großes Thema.

Das Städtchen hat eigentlich alles, was man hier so braucht. Es gibt Supermärkte, Elektromärkte, Tankstellen, Eisenwarenhandlungen und jede Menge günstige Restaurants (Sodas); dazu ein paar Bars, die wegen verkürzter Schließungszeiten vergeblich auf Kunden warten. Schnickschnack sucht man in Turrialba vergebens, und die Stadt hat sicher schon bessere Zeiten gesehen. Damals, als noch die Eisenbahn von San José nach Limon fuhr, war dies ein Haltepunkt, und im Hotel bestaune ich ein paar vergilbte Bilder aus der „guten alten Zeit“.

Der ehemalige Bahnhof mit ein paar Gedenktafeln ist nicht zu verfehlen, wenn man den verrosteten und verbogenen Gleisen folgt, die das stärkste (bekannte) Erdbeben Costa Ricas mit seinem Epizentrum in Limon im Jahr 1991 hinterlassen hat. Die Küste wurde damals innerhalb von 30 Sekunden um fast 2 Meter angehoben – und natürlich waren dann auch die Gleise futsch.

Der Hauptgrund für meinen Besuch in dieser Ecke war eigentlich der relativ nahe gelegene Vulkan Turrialba – einer von 9 im Land, die bei Wikipedia als aktiv gelistet werden. Der hatte seine letzte Eruption im August 2020, lese ich auf einer Seite der Smithonian Institution, die solche Ereignisse besser überwacht und aufzeichnet als die hiesige Nationalparkverwaltung. „Aktiv“ heißt dabei nicht, dass der Berg ständig Feuer spuckt, sondern dass man sich – wenn überhaupt – nur mit Einschränkungen dorthin begeben darf.  Nachdem auf Google Maps mehrere Leute erst wenige Tage zuvor dort waren, bin ich mit dem Auto dorthin gefahren, ohne jedoch die erhoffte Wanderung zum Kraterrand machen zu dürfen. Die ausgeschilderte Route führte auf Schotterpisten hinterm Berg entlang, und dann wieder vom Vulkan weg. Die Google-Route führte bis auf geschätzte 4 Kilometer heran, endete dann jedoch vor einer Absperrung, die man zur Sicherheit auch noch mit ein paar Steinklötzen blockiert hatte. Alles, was ich tun konnte, war aus der Ferne ein paar verbrannte Bäume an der Flanke des Berges zu fotografieren und mir einbilden, ein kleines Wölkchen über dem Krater gesehen zu haben. Irgendwie geht es möglicherweise doch; denn man scheint hier immer eine Tür offen zu halten für Touris, die sich für ca. 20 Dollar einem Guide anvertrauen. Nur ist diese Hintertür leider nicht so einfach zu finden. Da ich keinen Link legen konnte, hier die Angaben eines Google Local Guides vom Ende Januar 2021:

1. Sie betreten die Monte Calas Farm, die Adresse finden Sie hier auf den Karten. 2. Sie müssen im Voraus buchen, wenn sie direkt auf dem Bauernhof ankommen, lassen sie sie nicht passieren, es sei denn, es sind Plätze verfügbar. Nur 17 Personen treten pro Stunde ein und es gibt Führungen um 5, 6, 7, 8, 9 und 10 Uhr morgens. 3. Für den Reiseleiterservice müssen 6000 per (10 USD) pro Person gezahlt werden. Zusätzlich zu 30 1130 pro Person bei Ankunft am Parkeingang. Alles ist per Überweisung oder per Karte. Kein Bargeld. 4. Die Aufstiegsroute beträgt 2 Stunden, was 4 km bei mäßigem Tempo entspricht. Reiner Aufstieg von 2700 m ü.M. bis zur Spitze des Vulkans. Der Weg führt zuerst in einem Gebiet mit viel Schlamm und dann aus Stein oder Ballast. 5. Sie können nur 30 Minuten am Aussichtspunkt des Kraters bleiben. Ich hatte nicht das Glück, es zu sehen, weil es bewölkt war. 6. Der Abstieg auf demselben Weg dauert etwas mehr als eine Stunde und dauert fünfzehn Minuten. 7. Ich empfehle, Schuhe mit einer Sohle zu tragen, die einen guten Griff hat, vorzugsweise einen wasserdichten Mantel oder einen Poncho. Wenn Sie an Höhenkrankheit leiden, bereiten Sie sich vor, ein Coca-Tee wäre angebracht. Bringen Sie Wasser und leichte Snacks mit. Insgesamt dauert die gesamte Tour ca. 4 Stunden. Die Route ist wunderschön, Sie können viele Bäume, Silber und Vögel sehen. Hoffentlich ein Säugetier. Die Landschaft, um dorthin zu gelangen, ist wunderschön, die Reise wird genossen.

Ein Flop kommt selten allein, und so bin ich auf dem Rückweg auch noch zur Espino Blanco Lodge gefahren. Dieser Ableger meines Hotels in Turrialba warb auf der Webseite mit den schönen angelegten Wandepfaden, auf denen es zahlreiche Vogelarten zu sehen gäbe. Kann man glauben. Allerdings stand ich auch hier vor verschlossener Tür. Mangels Kundschaft hatte man den Laden vorübergehend geschlossen; einen Hinweis hatte man nicht für nötig gehalten 🙁

Gibt´s auch was Positives zu berichten von meinen 2 Tagen in Turrialba? Na ja. Wieder im Hotel und früh im Bett, weil es früh dunkel wird und nichts zu tun gibt, höre ich richtig laute, schrille Geräusche von draußen, die bereits in der gestrigen Abenddämmerung genervt haben. Ich hielt sie zunächst für Vogellaute, war auch schon draußen, um mit der Handy-Taschenlampe nachzusehen, jedoch erfolglos. Beim Googeln finde ich einen Artikel, der von Scotinomys teguina spricht, auch als Alstons Braune Maus oder Alstons Singmaus bekannt. Man hört sie auch in der nahen Nachbarschaft, und wer sich für so´n Viehzeug interessiert, findet bei der Süddeutschen Zeitung mehr bemerkenswertes über diesen Nager.

Fortsetzung

Costa Rica Update 05 – Orosi & Offroad

Ich verabschiede mich von der Posada Nena und lasse mich von Google Maps auf dem Handy leiten. Dabei stelle ich schnell fest, dass meine Freude über den USB-Ausgang in der Mittelkonsole verfrüht war, denn der dient nur als Eingang fürs Radio und taugt nicht, um das Handy während der Fahrt aufzuladen (ich habe dann aber zwei Tage später in einem Handy-Laden in Turrialba für ca. 5 Euro einen funktionierenden Adapter ähnlich diesem hier für die Öffnung des Zigarettenanzünders gekriegt). Ist ja klar: Die Autovermieter wollen ihre Navigationssysteme an den Mann bringen. Die sind womöglich besser als Google, aber 11 Euro pro Tag finde ich völlig überteuert.

Bereits die Auffahrt zur Autobahn ist dermaßen voller Schlaglöcher, dass ich schon jetzt für meinen Allrad mit etwas mehr Bodenfreiheit dankbar bin. Es geht durchs Valle Central nahe Cartago vorbei, dessen Kirche ich auf einer früheren Reise besucht habe. Es ist Sonntag, und überall sehe ich Radfahrer. Teilweise gibt es an den langen Steigungen auch Proviantstationen – ein Service für alle, die hier gegen kleines Geld einen Snack oder kalte Getränke möchten. Am Orosi-Ausblick halte ich an und nehme mir viel Zeit, um die Aussicht auf dieses wunderschöne Tal mit den orange blühenden Korallenbäumen zu genießen, und die Atmosphäre einzusaugen. Nachdem ich noch einige Radfahrer angefeuert habe, geht es weiter ins hübsche Orosi, ein angenehmes Städtchen, wo ich früher bereits einmal Station gemacht habe. Hier steht unter anderem die älteste noch genutzte Kirche des Landes (1741). Natürlich wurden schon früher welche erbaut, aber viele sind dem großen Erdbeben von 1910 zum Opfer gefallen.

Da ich den Tapanti-Nationalpark (hier die offizielle Seite) auf der Liste habe, fahre ich weiter. Eine Stichstraße führt über einen Fluß, in dem viele Ticos baden oder ein Picknick einnehmen – eine Szene, die man hier häufig sieht. Wie häufig an solchen Stellen hat sich einer eine Baseball-Kappe mit der Aufschrift „Securidad“ aufgesetzt, und nimmt ein kleines Trinkgeld dafür, auf die Autos aufzupassen.

Bis zum Besucherzentrum sind es nochmal 5 Kilometer Schotterpiste, allerdings will man dort eine elektronische Reservierung sehen. Das ist ziemlich blöd, da es in diesem Eck am Fuße des Berges keinen Empfang hat. Also fahre ich zurück und versuche erfolglos, dies in einem der kleineren benachbarten Orte zu erledigen. Mann! Den ersten Tag auf der Straße und gleich so ein Flopp!

Ziemlich verärgert ob des Zeitverlustes fahre ich wieder am Nationalpark vorbei und folge (das hatte ich schon zuhause so geplant), einem kleinen Sträßchen zu einem angeblich 14 Kilometer entfernten Hotspot für Vögel. Das Sträßchen ist auf der Karte 3-stellig, also offiziell, und wenn Google Maps mir diese Route vorschlägt, dann kann ja eigentlich nichts schiefgehen – oder?

Es geht stetig bergauf, und die Straße wird allmählich schlechter, aber noch kein Grund zur Beunruhigung. Die kommt erst, als ich knapp hinter dem höchsten Punkt von einem Tico, der sich eben noch in seiner Gartenliege aalte, darauf hingewiesen werden, dass die Straße voraus eine „via muy mala“ sei, und ob ich nicht lieber bei ihm übernachten wolle.

Will ich nicht – und fahre ahnungslos dem Abenteuer entgegen. Die Straße ist nämlich richtig schlecht, richtig schmal, und richtig steil. Noch dazu mal schön schlammig, so dass der Wagen ins Rutschen gerät und sich bedrohlich zur Seite neigt, dann wieder mit derart großen Felsblöcken garniert, dass ich mehrmals aufsetze und beim ´drüberziehen nur noch hoffen kann, den Auspuff nicht zu verlieren. 

Dann ein weiteres Fahrzeug vor mir, und davor – man glaubt es nicht – ca. 10 Ticos aus 2 Familien in einem Kleinbus, die bei der Überquerung eines Baches stecken geblieben sind. Gemeinsam versuchen wir, schiebend und an einem Abschleppseil ziehend, den Karren über den kritischen Punkt zu bringen. Wir werfen Steine auf den Weg, um die Löcher zu füllen, und schieben sie unter die Reifen, damit die nicht länger durchdrehen. Doch alle Mühe ist vergebens. Nun kommen uns auch noch drei ernsthafte Geländewagen entgegen: Allesamt breit und hoch genug für diese Strecke, außerdem bepackt mit Äxten, Leitern und anderem Zubehör, das man für solche Ausflüge offenbar dabei haben sollte.

Sie erklären dem Busfahrer, dass die Strecke voraus noch viel schlimmer wird, und ich sehe mich schon hier übernachten oder zum nächsten Dorf laufen und kleinlaut um Hilfe bitten. Der Bus dreht um, und fährt den drei hinterher, während der Kollege vor mir sich durchkämpft und ich ihm nun recht mühelos folge. Die Gegenrichtung erschien mir wesentlich schlimmer, und ich wüsste gerne, wie der andere Trupp es geschafft hat. Oder ob.

Genug Abenteuer für heute. Ich erreiche mein nächstes Ziel, das Städtchen Turrialba, mache noch einen kleinen Stadtrundgang und niste mich dann im angenehmen Wagelia Hotel ein.

Fortsetzung …

Costa Rica Update 04 – Mobilität / Escazu

Hinweis: Michel schreibt diese Notizen auf einer 7-wöchigen Reise durch Costa Rica, deren „Leitmotiv“ die Frage ist, ob er sich aus Deutschland verabschieden und hier niederlassen sollte. Ich will herausfinden, wie das geht, welche Optionen es gibt, und was das beste Plätzchen für mich wäre (siehe Einleitung). Ansonsten ist das hier ein ganz normalen Bericht, mit einem Schwerpunkt auf Natur- und Vogelbeobachtung und diversen Tipps für Reisende, die hoffentlich auch jene nützlich finden, die Deutschland (noch) nicht gegen das wunderbare Costa Rica eintauschen wollen.

Heute mach ich mich von Santa Ana auf den Weg ins ca. 15 Kilometer entfernte Escazú, einem weiteren angesagten Vorort der Hauptstadt San Jose. Die billigste Variante, hier zu reisen, ist mit Bussen, die sowohl den Nah- als auch den Fernverkehr bedienen, und mit denen man fast überall hin kommt (Öko-Lodges u.ä., die fernab der Straßen im Wald liegen, natürlich ausgenommen).

Leider gibt es keine übergreifende, komfortable App oder Webseite, auf der man beispielsweise die nächsten Haltestellen, Abfahrzeiten etc. aufrufen könnte. So sucht man eine der überdachten Haltestellen am Straßenrand (häufig in einer Parallelstraße zur Plaza Central) und muss sich mehr oder weniger auf die Beschilderung der ankommenden Busse verlassen oder – wenn man kann – die Einheimischen fragen. Einen Busfahrplan sucht man vergeblich. Ich brauche 2 Anläufe bis ich meine Haltestelle finde, und mich in die Reihe der Masken-tragenden Ticos einreihen kann. Bin etwas irritiert, weil zwar jeder Bus obendrauf „Escazu“ stehen hat, aber angeblich nicht jeder dorthin fährt. Mit meinem bescheidenen Spanisch-Kenntnissen vertraue ich mich einem jungen Paar an, das in die gleiche Richtung fährt und mir signalisiert, wann es Zeit ist, den Bus zu wechseln.

Unterwegs geht es steil am Rande des Valle Central hoch, während auf der gleichen Straße gerade ein Radrennen stattfindet. Überhaupt ist das Rennrad- und Mountainbiken hier total im Trend. Es gibt jede Menge Läden mit teuren Edelbikes, und die halbe Bevölkerung scheint auf diesen unterwegs zu sein. Außerdem am Wegesrand: Einige Luxushotels, feine Restaurants und prächtige Villen.

Beim Umsteigen sehe ich Niederlassungen von Porsche und anderen Luxus-Automarken, außerdem für Mountainbiker eine Dependence der Mountainbike-Marke Scott, deren Logo auf einer geschätzt fünf Stockwerke hohen Glasfassade prangt.

Der zweite Bus setzt mich nur einen Block von der Kirche und dem zentralen Platz ab. Der ist zwar mit Banderolen gesperrt, der samstägliche Markt findet aber in der parallel verlaufenen Straße trotzdem statt. An beiden Seiten stehen freundliche Menschen mit Masken, die aus großen Tanks und mit Sprühflaschen Desinfektionsmittel für groß und klein verteilen. Die Kunden tragen ebenso Masken wie die Markthändler, an deren Ständen Absperrungen für Abstand sorgen sollen. Denkt man sich das Corona-Zubehör weg, ist es ein ganz normaler Markt mit frischem Obst und Gemüse, Eiern, Säften, Fisch und Fleisch, zwei Freßbuden, die Gegrilltes anbieten, und ein paar weitere Stände mit Schnickschnack wie Schmuck oder Handyzubehör. Die Erdbeeren waren köstlich, und schon der Geruch war so betörend, dass ich alle Vorsicht außer Acht gelassen und sie ungewaschen verputzt habe… 

Escazu ist einer der reichsten Orte in ganz Costa Rica, mit vielen teuren Restaurants und Läden. Er liegt auf 1100 Metern Höhe und hat ca. 11000 Einwohner. Der Plan war, von hier über die Berge nach Santa Ana zu laufen, oder realistischer betrachtet und erst mal zum Aufwärmen, von dem über Escazu gelegenen Aussichtspunkt (Mirador) bis zum Dorf Salistral, ca. 5 Kilometer talaufwärts von Santa Ana.

Uber: Billiger als ein Taxi – bequemer als ein Bus 

Theoretisch fährt ein Bus nahe an den Ausgangspunkt dieser Wanderung, jedoch probiere ich hier erstmals Uber aus, deren App ich mir schlauerweise schon zuhause installiert und eingerichtet habe. In dieser Gegend zumindest funktioniert das System einwandfrei, wie ich bei 3 Probeläufen am heutigen Tag erfahre. Und weil es ja Leute gibt, für die das Internet Neuland ist, beschreibe ich die Funktion etwas genauer:

Die App weiß, wo man steht und fragt nach dem Ziel, das man eintippt. Man bekommt eine Preisschätzung (mit und ohne CO2-Kompensation) und im gleichen Moment erhält einer der privaten Fahrer für Uber eine Mitteilung. Ich erfahre den Namen des Möchtegern-Fahrers und seine Bewertung im System, außerdem Marke, Model und Nummernschild seines Autos (damit man ihn leichter erkennt). Wenn beide Seiten bestätigen, sieht der Fahrer meinen Standort und ich auf der Landkarte den Wagen, der sich auf mich zubewegt, sowie eine Schätzung, wie viele Minuten es noch dauert. Nach der Fahrt kann man über die App ein Trinkgeld geben und den Fahrer bewerten. Die Zahlungen werden über PayPal oder Kreditkarte abwickelt und Uber verschickt zusätzlich Abrechnungen, was für guten Durchblick sorgt.

Uber ist also ein Mittelding zwischen Mitfahrzentrale, Taxi und öffentlichem Verkehrsmittel und die App dazu ist eine der besten, die ich kenne. Preislich lag ich mit meinen 3 Fahrten heute bei ca. 2 Euro für Fahrten von jeweils etwa 5 Kilometer (etwa das dreifache einer Busfahrt) bei Wartezeiten von ca. 6 Minuten. Für die Fahrt zum Flughafen um meinen Mietwagen abzuholen habe ich über die App im Voraus bestellt und der Fahrer war nicht nur pünktlich, sondern hat mich auch genauso schnell wie ein Taxi dorthin gebracht, wobei ich aber nur 8 Euro bezahlt habe gegenüber den 20 für die Gegenrichtung mit dem Taxi.

Zurück nach Escazu, wo ich nach steiler Fahrt bergauf mich bei einem Restaurant mit großartiger Aussicht auf´s Valle Central habe absetzen lassen, direkt neben dem eigentlichen Aussichtspunkt gelegen. Leider gibt es keine ausgeschilderten Wanderwege, und so habe ich mich mit einem Vorschlag aus meiner Trecking-Uhr (einem Vorläufer der aktuellen Garmin Fenix 6) begnügt, der ich – noch so ne schlaue Idee – vor der Abreise noch geschwind für 10 Euro die Open Street Map von Costa Rica aufgespielt habe. Die Investition hat sich ausgezahlt, denn auch wenn wenn es mitunter etwas dauert, so findet das Gerät doch auch ohne Netzempfang nur anhand der allgegenwärtigen GPS-Signale fast alle Sehenswürdigkeiten, geographischen Punkte, Hotels, Restaurants etc.. Ich finde, dass ist eine gute Absicherung, falls man sich ´mal verlaufen oder verfahren sollte, und mein Eindruck ist, dass dies sogar besser funktioniert hat, als im heimischen Offenburg!

Ok. Ich folge also der Linie, die meine Uhr vorgibt, und so konnte ich schöne Ausblicke auf das dicht besiedelte Valle Central genießen und erneut fette Villen am Wegesrand bewundern. Sie wurden offenbar auf jenen Grundstücken gebaut, wo nur ursprüngliche kleinen Farmen und große Gemüsegärten standen. Nur wenige sind erhalten geblieben, und wenn die Bauern hier ihr Land verkaufen, haben sie bestimmt ausgesorgt.

Währenddessen führt die Uhr mich über zunehmend schmalere Sträßchen erst steil bergauf und nach einem ganz kurzen Stück echten Wanderweges noch steiler bergab, bis ich endlich mit weichen Knien in Salitral ankomme und – Uber sei Dank – von dort zurück in meine Unterkunft. Also, diese eher direkte Route kann ich eigentlich nicht empfehlen (habe sie aber trotzdem auf Komoot veröffentlicht), aber für die in meinem Reiseführer empfohlene Strecke über die 2400 Meter hohen Cerros de Escazu konnte ich mich mangels Zeit und Beschilderung halt auch nicht entscheiden.

Das letzte „Abenteuer“ des Tages: Mit Uber zum Flughafen und dort meinen Mietwagen abgeholt – mitsamt dem fast schon typischen Ärger. Wie vermutlich die meisten Individualreisenden hatte ich natürlich bei diversen Portalen nachgeschaut und auch Volker von der Posada Nena eine Anfrage geschickt. Obwohl es einen enormen Wettbewerb gibt, kosten manche  Wagen doppelt so viel wie andere – in der gleichen Klasse wohlgemerkt!

Zwar gibt es einige wenige Ziele, die man auch mit einem „normalen“ Kleinwagen erreicht, für alles, was wirklich interessant, ungewöhnlich und spannend ist, braucht man jedoch einen Allrad-Antrieb. Wobei leider viele Wagen zwar Allrad haben, aber trotzdem nicht wirklich geländetauglich sind, wie ich auf meinen letzten 3 Touren feststellen musste. Der wohl meistvermietete Daihatsu Bego z.B. ist so schwachbrüstiges Ding, das zu hassen ich gelernt habe. Wie oft habe ich neidisch den Leuten in ihrem Suzuki Jimny hinterher geschaut. Das hat mein Vermieter schamlos ausgenutzt, seine Dienste mit dem Bild des Jimny beworben, und im Kleingedruckten den Hinweis („oder ähnlich“) versteckt. Den Rest der Geschichte könnt ihr Euch denken: Kein Jimny weit und breit, der blöde Bego soll´s sein. Noch dazu fehlt ihm die Gepäckabdeckung – auch so eine Unsitte, mit der die Vermieter in aller Welt mich in den letzten Jahren auf die Palme treiben. Wie soll ich denn bitte mein Gepäck verstecken, wenn jeder in den Gepäckraum sehen kann? Und wo sind die verdammten Verbraucherschützer, wenn man sie mal braucht?

Also der Michel auf dem Parkplatz rumgetobt. No Senor – den Bego kannste behalten! War kurz davor, wieder vom Hof zu laufen und den Vertrag zu canceln, bis er mir dann die einzige Gepäckabdeckung angeboten hat – und dazu ein Upgrade zu einem geringfügig besseren Karren, dem SsangYang Korando. 250 Dollar extra hat der Dealer mir dafür abgenommen, und sich wahrscheinlich ins Fäustchen gelacht. Ziemlich ärgerlich, das Ganze.  Eine Alternative wäre vielleicht gewesen für diesen längeren Aufenthalt einen Wagen zu kaufen, und dann wieder zu verkaufen (oder zu parken, bis zum nächsten Mal). Aber das überstieg dann doch meine sprachlichen und logistischen Fähigkeiten, und wahrscheinlich hätte ich Tage gebraucht, um die Versicherung klar zu machen. Also abhaken den ganzen Ärger und los geht´s im Korando (der sich ein paar Tage später bewährt hat…)

Fortsetzung…

Costa Rica – Update 03 – Ankunft / Santa Ana

Hinweis: Viele der folgenden Adressen sind dem „Stefan Loose Reiseführer Costa Rica“ entnommen, der mir im Quervergleich der beste und aktuellste in deutscher Sprache zu sein scheint. Ich betrachte das Land auch als möglichen Ruhesitz und versuche, das Ganze um eigene Eindrücke in Zeiten von Corona zu ergänzen (siehe Einleitung).

Wer aus Europa kommend in Costa Rica landet, trifft hier meist am Abend auf einem der beiden internationalen Flughäfen ein: Liberia auf der Pazifik-Seite, oder für die meisten am Juan Santamaria-Flughafen, der zwischen der Hauptstadt San Jose und Alajuela liegt. Theoretisch könnte man mit dem Mietwagen gleich weiterfahren in Richtung Küste. Manche Reiseveranstalter organisieren auch die Abholung und einen nächtlichen Transfer zur ersten Unterkunft. Klüger ist es aber, in der näheren Umgebung zu übernachten und vielleicht noch ein paar Tage einzuschieben, um das zentrale Hochland zu erkunden (Valle Central), in dem die Hälfte aller Ticos lebt.

Ich habe mich dabei für die Posada Nena in Santa Ana entschieden, was sich als glückliche Wahl erweisen sollte, denn die wird, wie ich eben bei ein paar Bierchen erfahren habe, vom Hauptautor des obigen Reiseführers  mit seiner venezolanischen Ehefrau Minerva betrieben (mehr dazu). Volker Alsen – so heißt er – dürfte durch seinen Job einer der besten deutschsprachigen Kenner der Landes sein. Er bietet zahlreiche eigene Touren an und ist hervorragend vernetzt, sodass ich ihn mit seinem Insiderwissen sofort angezapft habe.

Das Städtchen Santa Ana, um das es in diesem Bericht hauptsächlich geht, liegt nur 10 Kilometer vom Flughafen entfernt im Speckgürtel der Hauptstadt San José. Der Ort mit seinen 11000 Einwohnern hat alle Annehmlichkeiten der Zivilisation und ist auf einer Höhe von 900 Metern auch klimatisch rund ums Jahr eine Wohlfühlzone. Die Temperaturen liegen zwischen 20 und 30 Grad bei gemäßigten Niederschlägen. Zahlreiche  „Expats„, also gebürtige Ausländer, haben sich hier niedergelassen und genießen die Mischung aus (für uns) erschwinglichen Preisen, Mieten oder Grundstücken und einer Top-Infrastruktur inklusive jeder Menge guter Restaurants und alle erdenklichen Dienstleistungen.

Zum Glück wird Santa Ana trotzdem von Einheimischen dominiert, die mit ihrer freundlichen Art durchaus typische Vertreter ihres Landes sind. Gestern etwa, im beliebten Restaurant „El Coco“ gab´s zu Quesadillas und Bier eine Gesangseinlage der Bedienung, die ebenso wie der Barkeeper unter ihrer Maske die kitschigen Schlager aus der Jukebox mitträllerte. Auch sonst werden die Masken auf der Straße einigermaßen diszipliniert getragen, an Bushaltestellen und anderen Orten, wo es eng wird, sowieso.

Nach der Besichtigung des Ortskerns, der wie jede ordentlich Stadt hier einen zentralen (Treff)platz zum Chillen, für Konzerte o.ä. besitzt, sowie eine katholische Kirche, mache ich einen Spaziergang zum Centro de Conservatión de Santa Ana. Auf dem Gelände einer historischen Farm werden dort diverse Tiere in Käfigen zur Schau gestellt und – wesentlich interessanter – das damalige Leben auf diversen Schautafeln erklärt und in einem kleinen Museum erklärt. Der Pflanzenbestand ist sehr abwechslungsreich, es gibt kleine Schaugärten dazu, und vieles ist ebenfalls beschildert erklärt, allerdings nur auf spanisch. Von außen wirkt es auf den ersten Blick etwas heruntergekommen; doch drinnen gibt es schöne Wege durch den Wald und zu einem kleinen Flüsschen, außerdem einen großen Picknickplatz und offenbar diverse Einrichtungen, um den hiesigen Schülern Natur und Geschichte näher zu bringen. Vögel habe ich natürlich auch gesehen. Unter den 10 Arten, die ich eindeutig identifizieren konnte war auch ein Linienspecht, der mit seiner roten Haube aussah wie ein Punk, sowie ein prächtiger Diademmotmot. Der Park ist sicherlich keines des spektakulären Highlights Costa Ricas, die man gesehen haben muss. Aber als Naturschutzgebiet mitten in der Stadt doch ein Gewinn für die Einwohner und durchaus vorzeigbar (4,2 von 5 möglichen Punkten aus 642 Rezensionen bei Google, dort auch zahlreiche Fotos). Eintritt war 4000 Colones, also gut 5 Euro. Dem stehen gegenüber ca. 7000 Colones (also 8 Euro) im empfehlenswerten und preiswerten Restaurant El Jardin , wo ich mir auf dem Rückweg einen Burrito und ein Bier gönne. Dass die Biere hier ungefähr ein Drittel der Rechnung ausmachen ist etwas gewöhnungsbedürftig, aber was will man machen, bei der Hitze 😉

Auf dem Weg zum Park fallen mir diverse schicke neue Gebäude auf. Besonders am Santa Ana Town Center mit seinen Geschäften und Restaurants sieht man, dass die Amerikanisierung schon weit fortgeschritten ist. Einen Steinwurf entfernt sind die Santa Ana Flats, ein Appartementkomplex, der hier nahe der Straße steht, und der Wohnungen zum Vermieten anpreist, jedoch erfahre ich nicht, wie viel sie kosten. Ein deutscher Immobilienmakler hatte offenbar eine der Wohnungen dort für $ 340.000 im Angebot, und in einem ähnlichen Apartmentkomplex verlangt man zur Miete $ 750 / Monat. In Deutschland wäre das sicher ein tolles Preis/Leistungsverhältnis, aber für die meisten Einheimischen unerschwinglich. Generell scheinen die Immobilienpreise in diesem angesagten Vorort durch die Decke zu gehen. Ein Makler preist Häuser ab $ 118.000 Dollar an, und dann geht es nach oben bis über 2 Millionen. Als nächstes werden dann wohl die umliegenden grünen Hügel bebaut, wie erste Baustellen andeuten. Der Vorteil solch einer Entwicklung ist natürlich eine hervorragende Infrastruktur, einschließlich jeder Menge Kliniken, Läden und Restaurants. Hmm. Ich stehe ja erst am Anfang meiner Reise, habe noch kaum Vergleichsmöglichkeiten, und enthalte mich daher einer Bewertung.

Fortsetzung…

Costa Rica – Update 02

zur Einleitung

Ich schreibe dies am Tag nach meiner Ankunft bei sonnigen 27 Grad und blauem Himmel in Santa Ana, einem Vorort der Hauptstadt Costa Ricas und nur ca. 10 Kilometer vom Flughafen entfernt. Für mich gab es mehr gute Gründe, vor den Corona-Problemen aus Deutschland hierher zu fliehen, als wegen Corona-Ängsten in Deutschland zu bleiben, und auf das Ende des Lockdowns zu warten. Schnell ein paar Fakten zu diesem Thema:

  • Update vom 5.3.21: In Costa Rica wurden bislang insgesamt 204.341 Fälle (nachgewiesene Infektionen) von Corona  gemeldet, das entspricht 4011 / 100.000 Einwohner. Zum Vergleich Deutschland: 2,442 Millionen Fälle; 2915 / 100.000 Einwohner. 
  • Es starben in Costa Rica bisher 2800 Menschen an/mit Corona, davon 37 in der Woche zum 2. März. Das entspricht einer Rate von 55 Toten / 100.000 Einwohner. In Deutschland stehen wir zum gleichen Zeitpunkt bei 70045 Tote insgesamt, davon 2204 in der letzten Woche, und umgerechnet auf die Einwohnerzahl 83,6 Tote / 100.000 Einwohner. Die neuen Virus-Varianten, die ansteckender und/oder tödlicher sind als die Stammform, wurden bisher in Costa Rica noch nicht nachgewiesen.
  • Auch wenn ich als Medizinjournalist die weltweiten Coronazahlen wegen unterschiedlicher Zählweisen nur bedingt für vergleichbar halte, kann man dennoch folgern, dass – über die ganze Zeit gesehen – Costa Rica nicht schlechter durch die Pandemie gekommen ist, als Deutschland. Die Zahlen stammen übrigens von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit Datum vom 2 März 2021, und wer aktuelle Angaben sucht, findet sie für alle Länder und Regionen in den Situation Reports.

Costa Rica hat ein extrem gutes Gesundheitssystem – in ganz Nord-, Süd-, und Mittelamerika ist nur Kanada besser; und die USA liegen dahinter (!) Die Lebenserwartung ist ebenso hoch wie bei uns – ich finde das bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von einem Viertel des Deutschen eine bewundernswerte Leistung. Und mit dem Impfen haben sie übrigens auch vor uns angefangen.

Das Land lebt mittlerweile zuerst vom (Öko)-Tourismus, dann Halbleiter und Mikrochips, und erst danach kommt der Export von Kaffee, Bananen, Ananas etc.  Costa Rica gilt zwar immer noch als Schwellenland, ist seinen Nachbarn aber in praktisch jeder Hinsicht um Lichtjahre voraus. Den Ruf als „Die Schweiz Mittelamerikas“ haben sie sich wirklich verdient. Außerdem – verzeiht mir bitte dieses Pauschalurteil – leben hier die freundlichsten und höflichsten Menschen die mir bisher auf meinen Reisen in 50 Länder begegnet sind. 

All dies erzähle ich nicht nur, um unbezahlte Werbung für mein Lieblingsland zu machen, sondern auch zum Verständnis der aktuellen Vorschriften: Man kann es sich hier einfach nicht leisten, auf die Touristen und ihr Geld zu verzichten. Ich nehme an, man hat deshalb ganz bewusst bereits im vergangenen November damit begonnen, die Vorschriften zu lockern. Aktuell verlangt Costa Rica für die direkte Einreise aus Deutschland keinen Coronatest, und es gibt auch keine Quarantäne (solange man nicht erkrankt). Auf den Straßen herrscht Maskenpflicht, die auch weitgehend eingehalten wird. Restaurants und Kneipen dürfen bis 22:00 bzw. 21:00 am Wochenende geöffnet haben, aber nur mit halber Kapazität. Der Privatverkehr ist ebenfalls eingeschränkt, was aber nicht für Mietwagen gilt. Strandbesuch ist wieder bis 18:00 erlaubt. Hier geht es also nicht um einen Urlaub, wo man die Sau raus lassen kann, sondern um den verantwortungsvollen, aber nicht hysterischen Umgang mit einer Krisensituation.

Ganz wichtiger Punkt: Costa Rica verlangt bei der Einreise den elektronischen Nachweis einer Auslandskrankenversicherung, die das Risiko einer möglichen Quarantäne von bis zu 4 Wochen abdeckt. Dies und viele weitere Details findet Ihr auch auf deutsch auf der offiziellen Webseite „Essential Costa Rica„. Ich habe lange gesucht und nur eine deutsche Versicherung gefunden, die das Risiko abdeckt. Das war die HanseMerkur, aber dazu musste man erst eine ziemlich teure Grundversicherung abschließen, und die „Quarantäneversicherung“ obendrauf („ab 22 Euro“) war nur für Reisen bis maximal 43 (?) Tage verfügbar. Also musste ich in den sauren Apfel beißen und eine der beiden hiesigen Versicherungen abschließen, die sich das mit $ 11 / Tag vergolden ließen. Über obigen Link kann man das online erledigen und bekommt dann per Mail eine Versicherungsnummer. Die braucht man dann für das digitale Gesundheitsformular, welches man ab 48 Stunden vor dem Abflug ebenfalls ausfüllen muss. Profi-Tipp: Damit nicht erst in der Abflughalle zu beginnen, kann einem viel Stress ersparen. Am Ende der Prozedur hat man schließlich eine Mail samt angehängter pdf-Datei, die sinnigerweise auf dem Handy mitgeführt und bei der Einreise gescannt wird – fertig. Wem das Ganze bürokratisch vorkommt, den möchte ich daran erinnern, dass deutsche Gesundheitsämter im Jahr 2021 Infektionszahlen per Fax übermitteln und am Wochenende nicht erreichbar sind. 

Dies ist, nochmal zur Klarstellung, die Situation beim Schreiben dieser Zeilen am 4.2.21, und ich werde nicht in der Lage sein, das ständig zu aktualisieren. Daher möchte ich Euch zusammen mit meiner aktuellen Unterkunft, der Posada Nena, auch gleich die COVID-19-Informationen der Inhaber empfehlen, die so etwas hauptberuflich machen.

Noch ein paar Worte zur Anreise: Auch hier können sich die Bedingungen schnell ändern, Flüge gestrichen werden und dergleichen. Solange die Corona-Krise anhält, würde ich von Flügen über die USA oder andere Länder abraten, weil die Unwägbarkeiten zu groß werden. Ich hatte Glück, dass Lufthansa sehr günstig Direktflüge von Frankfurt nach San Jose anbot. Während ich noch ´drüber nachdachte war die Economy schon ausverkauft, aber in der „Premium Economy“ habe ich für die Mehrkosten nicht nur mehr Platz und prima Service bekommen, sondern hatte auch 8 Kilogramm Aufgabegepäck inklusive, die in der normalen Economy extra gekostet hätten.

Von der Lufthansa wurde für diesen Flug übrigens auch kein Corona-Test verlangt, und wie das mit der Maskenpflicht funktioniert, wenn 300 Leute in so einer Blechbüchse zu Mittag essen, werden wir sehen. Das mit der Testpflicht kann sich ja schnell wieder ändern. Ich hatte deshalb schon halb-panisch, aber vergeblich, versucht, einen beim Hausarzt zu kriegen. Dies scheiterte aber daran, dass es „2 – 3“ Tage gedauert hätte, das Ergebnis zu erfahren, der Test aber (wenn er verlangt wird) nicht älter als 48 Stunden sein darf. Den Stress hätte ich mir sparen können, wenn unsere Behörden eine ordentliche Liste führen würden, wo man solch einen Test direkt vor Ort machen kann. Als ich dann am Flughafen war, fand ich direkt vom Fernbahnhof kommend das riesige Testcenter der Firma Centogene. Die machen sowas anscheinend ziemlich gut und schnell, und man nannte mir einen Preis von 69 Euro für den PCR-Test und 59 für den Schnelltest.

Damit erst mal genug der Formalitäten und hinein ins Vergnügen…

Fortsetzung…

Costa Rica – Update 01

Gestern im deutschen Nieselregen abgeflogen, heute in meinem Lieblingsland unter Vogelgesang bei angenehmen 25 Grad und blauem Himmel aufgewacht. Machst´ Dich mal ein bisschen nützlich, habe ich mir gedacht, und werde hier in den nächsten Wochen Infos liefern für alle, die Costa Rica in Zeiten von Corona auf eigene Faust besuchen wollen (oder auch, wenn der ganze Dreck hinter uns liegt). Bin zum 4. Mal hier, habe also schon einiges gesehen, und werde das, was anderswo schon 1000 Mal beschrieben wurde etwas kürzer darstellen. Eine spezielle Zielgruppe für die folgenden Texte habe ich nicht; zur Einordnung hilft es aber zu wissen, dass ich als Journalist auch von unterwegs arbeite, und mich lieber früher als später in Costa Rica niederlassen möchte. Ein Ziel dieser Tour ist es deshalb auch herausfinden, wie das Leben hier wirklich ist – jenseits von Strandurlaub, Partys und teuren Öko-Lodges. Letzte Warnung: Ich bin Vogelfreund, reise mit Spektiv, Fernglas und Teleobjektiv, und werde Euch mit dieser meiner Leidenschaft nicht verschonen. 

Fortsetzung

Apps für Vogelfreunde

Was will man machen, wenn der Lock-Down einem das Leben vermiest? Die Stammkneipe und die meisten Läden sind geschlossen, man darf die Freunde nur noch einzeln empfangen, und hat alle Filme auf Netflix und Amazon schon zwei Mal gesehen.

Hier ist mein Tipp: Gehen Sie raus in die Natur und beobachten Vögel. Das verschafft Bewegung, beruhigt die Nerven und ist lehrreich dazu. Schon in jedem Stadtpark gibt es was zu sehen, und alles, was man braucht ist ein Fernglas und ein bisschen Know-How, das heutzutage kostenlos in Form verschiedener Apps zu haben ist. Unter den Dutzenden dieser Mini-Programme gibt es einige sehr empfehlenswerte, die Ihnen dabei helfen, die Vögel anhand ihres Aussehens, der Verhaltensweise oder ihres Gesanges zu erkennen. Die folgenden fünf habe ich getestet und präsentiere hier meine Rangliste, samt ausführlicher Begründungen. Mit Ausnahme des Kosmos Vogelführer sind sie in der Basisversion alle kostenlos.

Platz 5: NABU Vogelwelt

Orientierungshilfe bei der Vogelbestimmung: Die Einstiegsseite der NABU Vogel-App.

Herausgegeben vom Naturschutzbund Deutschland (NABU) und von den Nutzern bei GooglePlay heute mit durchschnittlich 3,8 von 5 möglichen Punkten bewertet. Zum Einstieg gut geeignet, enthält in der neuen Version Informationen zu 308 regelmäßig bei uns vorkommenden Vogelarten. Die kann man sich anhand der Bilder nach Gruppen (Gänse, Möwen, Falken..) anzeigen lassen, oder alphabetisch nach Artnamen (Alpenbraunelle, Alpendohle…) oder nach Gruppennamen.

Die Seite „Identifikation“ erleichtert die Bestimmung unbekannter Arten. Hier kann man Eigenschaften wie Größe, Umgebung (Habitat), Farbe von Gefieder oder Füßen, oder die Schnabelform jeweils unter mehreren Möglichkeiten anklicken, bis die Zahl der möglichen Vögel auf eine Handvoll geschrumpft ist. Die schaut man sich dann an und hat sehr gute Chancen, seiner Beobachtung einen Namen geben zu können. Die eigenen Sichtungen können samt der Zahl der Vögel erfasst und verschiedenen Orten zugeordnet werden – eine für „Birder“ unentbehrliche Funktion.

Für solche Apps eigentlich unentbehrlich ist die Suchfunktion. Nehmen wir an, Sie glauben, gerade einen Grünfink gesehen zu haben, tippen die ersten Buchstaben ein und landen auf einer Seite mit 5 Bildern, die Männchen und Weibchen darstellen, sowie ein Flugbild. Es folgt die Beschreibung von Aussehen, Verhalten und bevorzugtem Lebensraum; zudem einige Angaben zum Gesang und eine Verbreitungskarte. Sehr nützlich ist die Vergleichsfunktion, bei der man auf einen Blick die Unterschiede etwa zu einem Erlenzeisig oder Girlitz sehen kann. Wer mag, darf weitere Infos wie Tonaufnahmen der Vogelstimmen oder Videos einzeln dazukaufen, oder als Gesamtpacket, was dann aber schon 20 Euro kostet und angesichts der Leistungen anderer, kostenloser Apps eher eine Spende an den NABU darstellt.

Platz 4: NaturaList

Wer hat wann und wo welchen Vogel gesehen? Diese Infos liefert die App NaturaList

Optisch weniger ansprechend als die Konkurrenz, ist diese App eher für fortgeschrittene Vogelbeobachter gedacht, mit der aber auch alle anderen Tierarten erfasst werden können. Dazu muss man sich allerdings auskennen, denn eine Bestimmungsfunktion oder schöne Bilder sucht man hier vergeblich.

Dafür erlaubt die Vernetzung mit Datenbanken wie Ornitho.de es, die Beobachtungen von unterwegs dort automatisch zu speichern. Sie können dann anderen Birdern zugänglich gemacht werden und in wissenschaftliche Untersuchungen einfließen. Das funktioniert auch in die umgekehrte Richtung und dies ist für mich der größte Vorteil von NaturaList.

Nachdem ich mich auf der Webseite registriert und die bevorzugten Gebiete markiert habe, kann ich mir in der App anzeigen lassen, was die Kollegen in jüngster Zeit dort alles gesehen haben. Jede einzelne Beobachtung ist mit einer Ortsangabe versehen, und die wiederum wurde mit Google Maps vernetzt, sodass man sich auch routen lassen kann. Das ist eine sehr schöne Art, gute Beobachtungsgebiete zu entdecken und sie wird noch getoppt durch die Funktion „Rund um mich (selten)“ Ein Blick auf die aktuellen Einträge zeigt mir z.B. Prachttaucher, Eistaucher, Zwergsäger und einen Seeadler. Die Nutzer sind´s offenbar zufrieden: Durchschnittlich erhielt die App auf GooglePlay bisher eine Bewertung von 4,5.

Platz 3: Der Kosmos Vogelführer

Der Klassiker als App: Beschreibung des Wiedehopfs im Kosmos Vogelführer

Basierend auf dem gleichnamigen, meines Wissens besten Bestimmungsbuch für die Vögel Europas (aktuell für € 32 bei Amazon), eignet sich diese App durchaus als Ersatz für den Schmöcker. Sie ist nämlich mit € 14,99 nicht nur billiger, wiegt nichts, und ist per Handy immer am Mann.

Die Informationen zu 900 Arten Europas, Nordafrikas und Vorderasiens sind genauso hochwertig und vollständig wie im im Buch, die Qualität der gezeichneten Bilder ist eher noch besser (weil man sie vergrößern kann), und per Suchfunktion findet man seine Piepmätze zudem leichter und schneller. Auch eine gute Bestimmungsfunktion gibt es.  Die habe ich leider lange Zeit übersehen. 

Leicht zu übersehen: Die Bestimmungsfunktion des Kosmos Vogelführers steckt hinter dem rot markierten Symbol.

Mensch Michel! Man muss doch nur auf dem Startbildschirm oben das 2. Symbol von rechts antippen (siehe Bild).

Was noch bietet diese App? Für die meisten Vogelstimmen gibt es Tonaufnahmen inklusive. Videos werden als in-App-Käufe für extra Geld angeboten – die habe ich nicht getestet. Im Zweifel hilft eine sehr gute Vergleichsfunktion, und die gesehen Arten kann man auch in Listen speichern (Import/Export ist möglich).

Für den Austausch mit anderen Vogelfreunden ist diese App ungeeignet. Oder anders gesehen: Sie ist ideal für jene, die ihre Daten für sich behalten wollen. Ich benutze sie vorwiegend, als 2. Autorität, wenn ich mir nicht sicher bin, und als „Backup“ in Gegenden mit schlechtem Empfang, weil alle Funktionen auch offline verfügbar sind. Der durchschnittlichen Nutzerbewertung mit 4,5 von 5 Punkten kann ich mich durchaus anschließen. 

Platz 2: Merlin

Unter allen Apps macht diese hier am meisten Spaß. Sie hat mindestens 10 Mal so viele Bewertungen wie die vorherigen Apps und deren Drchschnitt liegt bei 4,7 von 5 möglichen Punkten! Entwickelt wurde Merlin vom Cornell Lab of Ornithology, der vielleicht besten wissenschaftlichen Institution für Vogelkunde weltweit. Die App ist hierzulande in deutscher Sprache verfügbar, im Gegensatz zu NABU Vogelwelt, NaturaList und Kosmos-Vogelführer funktioniert sie aber (mindestens auf englisch) auch in den USA, Kanada, Mexiko, in den Vogelparadiesen Mittel- und Südamerikas, sowie in Asien und Australien. Im Wesentlichen ist Merlin ein verdammt guter Assistent, der beim Bestimmen hilft. Er stellt dazu nur fünf Fragen:

  • Wo haben Sie den Vogel gesehen? Angenommen wird der aktuelle Standort, man kann aber auf der Karte auswählen.
  • Wann haben Sie den Vogel gesehen? Angenommen wird das aktuelle Datum, das man natürlich für zurückliegende Beobachtungen ändern kann.
  • Wie groß war der Vogel? Nun werden zum Vergleich mehrere bekannte Arten wie Spatz, Amsel oder Gans eingeblendet, zwischen denen man seine Sichtung einordnet.
  • Was waren die Hauptfarben? Nun wählt man bis zu 3 Farben aus 9 Möglichkeiten aus.
  • War der Vogel… (Auswahlmöglichkeit) fressend an Futterstelle, schwimmend oder watend, am Boden, in Bäumen oder Büschen, am Zaun oder Draht, kreisend oder fliegend?

Sofort präsentiert Merlin eine Liste mit Vorschlägen, allesamt bebildert, mit einer guten Beschreibung inklusive dem Gesang zum Anhören. Die Trefferquote ist sehr hoch, und wenn man nicht den richtigen Vogel findet, so liegt es meiner Erfahrung nach häufiger an falschen Antworten auf die Fragen als an der App. Ersteres lässt sich durch eine Korrektur leicht ändern, letzteres durch eine Rückmeldung mit einem Klick erledigen.

Einfach zu bedienen mit hohem Spaßfaktor: Merlin ist der beste Assistent, um Vögel zu bestimmen.

Ebenso faszinierend ist die zweite Möglichkeit, mit Merlin Vögel anhand von Fotos zu identifizieren. Dabei kommen offenbar Techniken der künstlichen Intelligenz und des Deep Learning zum Einsatz – also die Art von Erkennung, mit der China seine Bevölkerung überwacht. Hier aber ist der Zweck ein guter, und die Ergebnisse mindestens so gut wie mit dem Fragespiel. Selbst ziemlich unscharfe Bilder werden akzeptiert und meist richtig gedeutet. Wirklich toll! Bleibt nur das Problem, wie man die Bilder auf´s Handy kriegt, denn mit den eingebauten Kameras alleine wird´s schwer. Mögliche Lösungen sind: Kauft Euch ein Spektiv (also ein Fernrohr das speziell für die Vogelbeobachtung konstruiert wurde), und dazu einen Aufsatz, mit dem man das Handy hintendran schrauben kann. Eine große Auswahl dieser Teile findet ihr auf Amazon, aber lest die Bewertungen aufmerksam durch, denn nicht alles funktioniert so toll, wie es beworben wird. Inzwischen bieten auch viele Kameras die Möglichkeit, Bilder drahtlos aufs Handy zuschicken (ich benutze dafür eine Sony Alpha 6400, aber es geht auch billiger). Wenn Eure Kamera das nicht kann, funktioniert immer noch die 3. Variante: Ihr ladet Eure Bilder auf einen der Clouddienste wie Google hoch, und von dort wieder ´runter auf´s Handy.

Platz 1: eBird

Die Hotspots in meiner Nähe – eine von sehr vielen, sehr nützlichen Funktionen bei eBird.

Der Alleskönner wurde ebenso wie Merlin von den Profi-Ornithologen der Cornell University entwickelt, und die zwei Apps arbeiten auch prima zusammen (wenn man sich bei beiden angemeldet/registriert hat). Als kleinen Vorgeschmack würde ich die Homepage von eBird empfehlen, wo man einen ersten Eindruck von der Qualität dieses Projekts gewinnt. Einige wenige Infos sind bisher nur auf englisch verfügbar, die App ist aber längst eingedeutscht, sodass es hier keine Hürden mehr gibt. Sie wurde mehr als 100000 Mal heruntergeladen und von über 2000 Benutzern mit durchschnittlich von 4,1 von 5 möglichen Punkten bewertet.

eBird kombiniert die Freude am Beobachten und Entdecken mit einem freundschaftlichen und zwanglosen Wettbewerb. „Diese kostenlose Dienstleistung macht es einfach für Sie nachzuvollziehen was sie gesehen haben, während Sie zugleich die Daten der Wissenschaft, Ausbildung und Naturschutz zur Verfügung stellen“, heißt es in den Infos zur App.

In Form von Checklisten kann jeder Benutzer an jedem Ort eintragen, was er gesehen hat. eBird weiß, welche Vögel hier am häufigsten vorkommen, und setzt diese nach oben auf die Liste, die Seltenheiten weiter unten. Die Merkmale der Vögel, ihr Gesang, Verbreitungsgebiet etc. sind nur einen Knopfdruck entfernt; was auf Merlin identifiziert wurde, kann an eBird übergeben werden. Es gibt Ranglisten, wer wo die meisten Vögel gesehen hat, und – ganz toll – die Möglichkeit, sich Hotspots (also Gegenden mit besonders vielen Arten) anzeigen zu lassen. Dies funktioniert schon aus der App heraus ganz prima, und von der Webseite aus kann man damit einen Traumurlaub für Birder planen, so wie ich es gerade für Costa Rica getan habe. Zu jedem Hotspot findet sich die Gesamtzahl der gesehen Arten, und welche dort wann und von wem beobachtet wurden.

Mir macht es großen Spaß mit buchstäblichen Hunderttausenden Gleichgesinnter zu diesem wissenschaftlichen Projekt beizutragen, aus dem schon Hunderte von Veröffentlichungen hervorgegangen sind. Mit dem Datenschutz sehe ich übrigens keine Probleme. Man kann nämlich auch als „anonymer eBirder“ teilnehmen, und ob man ein Profil anlegt oder teilt ist jedem selbst überlassen. Also worauf warten Sie noch? Probieren Sie es aus und hinterlassen Sie gerne ihre Erfahrungen hier, oder wir treffen uns bei eBird.

Seelbach

Vorgestern war ich wieder mal in diesem schönen Ort (per Rennrad), für den ich gerne ein wenig Reklame mache: Seelbach liegt im Schuttertal und gehört zur Ortenau in Baden. Es hat knapp 5000 Einwohner und ist als Luftkurort anerkannt. Am Ortsrand fließt die Schutter durch, und auf einem Hügel thront in östlicher Richtung die Burgruine Hohengeroldseck. Erwähnt wurde Seelbach erstmal 1179, damals als Besitz des Klosters St. Georgen.

Landschaft bei Seelbach am Westrand des Schwarzwaldes

Essen kann man in Seelbach im Bären mit badischer Küche und großen Portionen – zumindest bei Google ist es das beliebteste Restaurant im Ort. Auch der günstige Italiener Belmondo scheint empfehlenswert. Einer von mehreren Gasthöfen, der sich Deutschlands ältester nennt, liegt in Richtung Biberach an der Bundesstraße auf der Passhöhe. Allerdings ist die Herberge zum Löwen, die seit 1231 belegt war, aktuell geschlossen.  Geöffnet ist dagegen trotz Corona das Freizeitbad in Seelbach. Vor allem lohnt sich ein Besuch aber für Mountainbiker, Rennradfahrer und Wanderer.

So liegt Seelbach an der 4. und letzten Etappe des Schwarzwald-Querweges von Rottweil nach Lahr. In östlicher Richtung trifft sich dieser Weg auf 500 Metern Höhe am Sodhof mit dem Kandel-Höhenweg. Um 1900 war der Sodhof noch ein Sudhaus, zu dem der Gerstensaft mit Pferdegespannen angeliefert wurde. Heute ist es eine beliebte Gartenwirtschaft (Montag und Dienstag geschlossen).

In der Radkarte für den Naturpark Schwarzwald Mitte/Nord, die unter dem Titel „Sagen und Mythen der Ortenau“ 30 magische E-Bike- und Tourenradstrecken verspricht, starten und enden gleich 3 dieser Touren in Seelbach, jeweils an der Sporthalle:

    • die 46,5 Kilometer lange „Geroldseck-Tour“ wird gerade noch als leicht eingestuft. Sie führt über Lahr am Rande des nördlichen Zipfels des „Vorgebirges“ entlang, dann über Gengenbach und Biberach nach länglichem Anstieg unter die Burgruine Geroldseck, die der Tour ihren Namen gab, und zu der man einen Abstecher machen sollte. Zurück auf der Passhöhe am Denkmal auf der Alten Landstraße bergab hat man zurück in Seelbach 315 Meter Gesamtanstieg geschafft.
    • die 31 Kilometer lange „Silbererz-Tour“ ist schon etwas schieriger, denn sie hat 420 Höhenmeter. Sie führt zunächst auf die Passhöhe nach Schönberg, ins Kinzigtal nach Biberach und von Steinach wieder bergauf bis zum Langbrunnenpass, von wo man abwärts durch das Schuttertal zurück nach Seelbach gelangt.
    • Die „Grüselhorn-Tour“ mit ihren 47 Kilometern Länge und 560 Höhenmetern ist mittelschwierig. Der Anstieg ist zum größten teil auf den 12 Kilometern zu bewältigen und führt das Schuttertal hinauf. Dann biegt man ab in Richtung Ettenheim um kurz davor in nördlicher Richtung nach Schmieheim zu fahren, wo sich eine Rast in der Brauerei anbietet. Weiter geht´s am Waldrand entlang über Kippenheim, Sulz und schießlich ab Lahr entlang der Schutter stromauf zurück zum Ausgangspunkt.

Hagia Sophia

Wie kann das sein? Wie konnten die Menschen im 6. Jahrhundert binnen 5 Jahren solch ein Bauwerk erstellen? Mir ging es wie den meisten Besuchern der Hagia Sophia in Istanbul: Schon beim Eintritt überfiel mich eine Mischung aus ungläubigem Stauen und Demut. Und genau so sollte das wohl sein. Die Hagia Sophia ist ein Monument, das den Glauben an Größeres fördert. Ganz egal, ob man zum Beten hingeht, oder mit der Volkshochschule. Das Gotteshaus zählt noch heute zu den imposantesten Gebäuden der Menschheitsgeschichte. Ich frage mich, wie es wohl auf die ersten Besucher gewirkt hat, die es betraten, als hier Kaiser Justinian regierte und Istanbul (damals noch „Konstantinopel“) das kulturelle Zentrum der Welt war?

Hagia Sophia Außenansicht

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In 55 Metern Höhe schwebt eine riesige Kuppel über dem Boden. Sie hat einen Durchmesser von 31 Metern, zieht den Blick immer wieder nach oben, und sorgt mit ihren 40 Fenstern für ein magisches, sich stetig wandelndes Licht im Inneren. Verstärkt wird dieser Effekt noch durch die zahlreichen, goldglänzenden Mosaiken. Während man sonst meist nur den Kaiser kennt, „unter dem“ ein Bauwerk errichtet wurde, haben bei der Hagia Sophia auch die Architekten ewigen Ruhm erlangt. Es sind Anthemios von Tralleis und Isidor von Milet, die sich offensichtlich mit Mathematik, Mechanik und Statik besser auskannten, als sämtliche Baumeister vor ihnen. Fünf Jahre haben sie gebraucht, von 532 – 537.

Seitdem sind nahezu 1500 Jahre vergangenen. Endlose Umwälzungen, Umstürze, Kriege und Naturkatastrophen hat das Gebäude seitdem überstanden, und natürlich auch zahlreiche Reparaturen und bauliche Veränderungen. So stürzte 558 bei einem Erdbeben ein Teil des Doms herab, die Kirche wurde 1206 durch die Kreuzfahrer (!) ausgeplündert, und nach der Eroberung Konstantinopels durch die Türken 1453 in eine Moschee verwandelt. Außenrum wurden vier Minarette hochgezogen und der Großteil der christlichen Mosaiken mit Wandputz überdeckt. Auf Erlass von Kemal Atatürk, dem Gründer der modernen Türkei, wurde die Hagia Sophia dann 1935 in ein Museum verwandelt. Sie ist seit 1985 Teil des Weltkulturerbes, und für die meisten Menschen war das wohl eine gute Lösung.

Nicht aber für den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Der gab im Juli 2020 die jüngste „Statusänderung“ bekannt und öffnete die ehemalige Kirche wieder für Muslime zum Gebet. Der Status als Museum wurde vom Obersten Verwaltungsgericht der Türkei aberkannt, und unmittelbar danach begannen – unter Protesten vor allem aus Griechenland und Russland – die Arbeiten zur „Umwidmung“.